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Windräder mit Zebrastreifen

Derzeit entstehen in Nord- und Ostsee riesige Windparks mit Tausenden von Rotoren. Doch wie muss man diese Offshore-Windräder bauen, damit sie möglichst stabil und gleichzeitig höchst effizient laufen? Und inwieweit werden die Anlagen die maritime Fauna und Flora beeinflussen, zum Beispiel den Vogelzug? Um Fragen wie diese zu beantworten, haben Wissenschaftler in den letzten Jahren gleich drei Forschungsplattformen in Nord- und Ostsee aufgestellt. FINO 1, 2 und 3, so heißen sie. Heute wurden auf einer Tagung in Hamburg die neuesten Ergebnisse vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen | 11.05.2011
    Der Hubschrauber fliegt weit draußen über der Nordsee. Er nähert sich einer seltsamen Konstruktion: ein schlanker Mast, 100 Meter hoch, montiert auf eine Plattform auf vier Stelzen. Es ist FINO 1, eine von drei Forschungsplattformen, mit denen Wissenschaftler wichtige Messdaten auf hoher See erfassen.

    "Zwei davon sind in der Nordsee, 45 Kilometer vor Borkum und 80 Kilometer vor Sylt. Und die FINO-2-Plattform befindet sich im Dreiländereck von Dänemark, Schweden und Deutschland in der Ostsee."

    sagt Andreas Beeken von der Betreiberfirma GL Garrad Hassan. Alle drei Messplattformen sind mit Sensoren gespickt. Zum Beispiel Windmessern, sie erfassen die genauen Windgeschwindigkeiten, um präzise vorhersagen zu können, wie viel Strom die geplanten Windräder liefern und wie stabil man sie bauen muss, damit sie den stärksten Böen trotzen. Als Beeken und seine Kollegen die Messdaten der Ostsee-Plattform FINO 2 auswerteten, erlebten sie eine - durchaus angenehme - Überraschung.

    "Erstaunlicherweise ist die mittlere Windgeschwindigkeit in der Ostsee sehr vergleichbar mit den Messungen von FINO 1 und FINO 3. Es liegt alles in etwa bei zehn Meter pro Sekunde im Mittel, sodass man jetzt sagen kann, dass es ein ähnlich guter Standort ist wie in der Nordsee auch."

    Ähnlich unerwartet kam ein anderes Ergebnis. Allerdings entpuppten sich die Daten der Wellensensoren eher als böse Überraschung, sagt Gundula Fischer, Projektleiterin von FINO 1.

    "Wir haben in den letzten zwei Jahren zwei Ereignisse gehabt, wo wir an die 17 Meter hohe Wellen gehabt haben. Und das hat uns doch ein bisschen überrascht."

    Mit 17-Meter-Wellen hatten die Experten allenfalls bei einem Jahrhundertsturm gerechnet - einem Extremereignis also, das nur einmal in 100 Jahren auftritt. Aber bereits 2006 schlug Sturmtief Britta zu, und nur ein Jahr später kam Tilo. Beide erreichten die 17 Meter - und knickten Geländer auf FINO 1 um, verbogen Trittleitern und Gangways.

    "Es gab Schäden auf einem unteren Umgang, der etwa 15 m über dem Meeresspiegel liegt. Wir haben gesehen, dass Wellenhöhen in der Größenordnung erhebliche Schäden anrichten können."

    Für die Konstrukteure von Windparks bedeutet das: Sie müssen kritisch überprüfen, ob sie die Zugänge, die ein jedes Windrad am Fuße seines Turms besitzt, stabil genug ausgelegt haben. Doch nicht nur Techniker und Ingenieure profitieren von den drei Messtürmen auf hoher See:

    "Die FINO-Plattformen sind wunderbare Vogelwarten des 21. Jahrhunderts", "

    sagt Tim Coppack vom Institut für Angewandte Ökosystemforschung in Brodersdorf. Ihn interessiert die Frage, inwieweit Offshore-Windparks den Vogelzug stören, weil die Tiere in rauen Mengen gegen die Anlagen donnern und verenden. Das Problem: Die meisten Vögel ziehen nachts, wenn die Masten, um von Schiffen erkannt zu werden, beleuchtet sind.

    " "Licht lockt Vögel an. Auch auf den FINO-Plattformen sehen wir, dass es in Massenzug-Nächten zu Kollisionsereignissen kommt."

    Seit letztem Jahr läuft neben FINO 1 der Test-Windpark Alpha Ventus mit zwölf Rotoren. Mit Kameras und Radargeräten blicken die Forscher in den Windpark hinein und beobachten, was mit den Vögeln passiert.

    "Was wir nach einer Saison gesehen haben, ist, dass es tatsächlich auch zu einer Massenanlockung im Windpark kommt."

    Wie viele Vögel dabei zu Schaden kommen, können die Forscher aber noch nicht sagen. Dazu brauchen Sie mehr Daten. Tim Coppack jedenfalls denkt schon an Gegenmaßnahmen.

    "In Deutschland haben wir bestimmte Schiffssicherheits-Vorkehrungen, weswegen die Parks nachts hell erleuchtet sind. In Holland sind die Windparks nur mit einer kleinen roten Lampe beleuchtet. Da ist sicher noch was zu regeln."

    Doch auch tagsüber fliegt manch ein Vogel gegen die Windräder. Denn die weiß lackierten Anlagen sind für den tunnelblickartigen Sehsinn der Tiere kaum zu erkennen. Und deshalb rät der Ornithologe:

    "Da wäre künftig vielleicht an Zebrastreifen-gemusterte Windräder zu denken."