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Winterschlussverkauf in Musikdiscount

Am vergangenen Wochenende machte sich Torschlusspanik unter vielen Musikliebhabern im Internet breit: Schnell wollten sich viele ihre Lieblingslieder noch sichern, bevor die Musik-Tauschbörse Napster ihre Pforten schließt. Der Grund: Am Montag sollte eine – zumindest vorläufige - gerichtliche Entscheidung über das Schicksal des File-Sharing-Dienstes fallen. Das Ergebnis: Zwar ordnete das zuständige Bundesgericht nicht die erwartete Einstellung des Dienstes an, doch beschieden die Richter, dass Napster den Tausch von urheberrechtlich geschützter Musik zukünftig zu unterbinden habe.

Maximilian Schönherr |
    Bei ihrer einstweiligen Entscheidung über die Bedingungen, unter denen Napster vorerst weiter betrieben werden darf, griffen die Richter auf eine frühere Beurteilung zurück, nach der der Dienst zunächst vom Netz genommen werden sollte, weil er der Plattenindustrie und Musikern erheblichen Schaden zufüge. Jetzt betont das zuständige US-Gericht in San Francisco, dass die Liederbörse nicht nur für den unrechtmäßigen Tausch von Titeln genutzt werde: So sei es nicht widerrechtlich, wenn etwa Besitzer von analogen Schallplatten die entsprechenden Musikstücke von anderen Napster-Mitgliedern bezögen, statt die angestaubten Scheiben selbst zu digitalisieren. Um diesen Aspekt des Internetdienstes, der vermutlich aber den geringsten Anteil ausmacht, weiterhin aufrecht zu erhalten, so die Argumentation der Richter, dürfe dem Unternehmen nicht die gesamte Geschäftsgrundlage entzogen werden. Quasi in einem Nebensatz der vorläufigen Verfügung weisen die Juristen den Weg zu einer möglichen endgültigen Lösung des Streites: Würde die bislang kostenlose Tauschbörse in einen Abonnement-Dienst umgewandelt, so könnten so auch die Ansprüche der Musik Industrie zufriedenstellend erfüllt werden. Der neue schwergewichtige Teilhaber an Napster, der deutsche Multimediakonzern Bertelsmann, verfolgt diese Art der Kommerzialisierung des Dienstes ohnehin. Danach sollen für die dann nicht mehr völlig anonymen Tauschwilligen Gebühren zwischen fünf Mark und zehn Mark pro Monat anfallen, wenn sie auch weiterhin unbegrenzt Musik aus dem Netz laden wollen.

    In dem zukünftig kostenpflichtigen Dienst dürfen aber nur die Titel jener Unternehmen getauscht werden, die mit der Börse zusammenarbeiten und dafür Tantiemen erhalten. Damit wäre aber eine Vielzahl von beliebten Musikstücken nicht mehr auf diesem Weg zu beziehen. Doch ob der unkontrollierte Tausch begehrter Musikstücke im Internet auch nach der Napster-Transformation in einen elitären Sammlerclub völlig zum Erliegen kommt, bleibt fraglich. Denn: Konkurrenten mit leicht abgewandelter Technik, wie etwa der noch vergleichsweise wenig genutzte Dienst Gnutella, stehen bereits in den Startlöchern. Weil sie lediglich die Internetadressen ihrer Teilnehmer vermitteln, die sich dann direkt miteinander verbinden können, nicht aber zentrale Dateilisten von den Tauschgütern pflegen, dürften sie rechtlich nur schwer angreifbar sein. Allerdings zeichnet sich damit ein neuer Konflikt zwischen der unantastbaren Privatsphäre von miteinander kommunizierenden Internetbenutzern einerseits und dem Schutz geistigen Eigentums andererseits ab. Popularität ist Gnutella und Co gewiss - ob dagegen Napster auch weiterhin circa 50 Millionen Benutzer halten kann, muss dagegen die Zukunft zeigen.