Andri Pol hat den höchstgelegenen Fußballplatz Europas fotografiert, auf 2000 Metern Höhe. Dahinter schneebedeckte Berge und das Tal. Aber: Wieso muss man da oben kicken? Pol ist darauf spezialisiert, in Bergwelt und Alltag absurde Arrangements zu entdecken: Auf seinen Bildern gehen ärmlich gekleidete Menschen einkaufen, und mitten durch die Straßenszene rauscht, hinter der Schranke, ein futuristisch anmutender Schnellzug.
Das ist auch der Ansatz der Ausstellung: Die Schweiz verändert sich in rasendem Tempo, und der alten, der ländlich geprägten Schweiz wird hier ein nostalgisches Adieu hinterher gerufen. Und das, was da entsteht, die zersiedelte, unterjochte, kapitalisierte Landschaft, wird von einer neuen Fotografengeneration untersucht – nicht anklagend, aber im Sinne einer äußerst kritischen Bestandsaufnahme.
Der Kurator Peter Pfrunder hat zunächst eine wundervolle, 20-minütige Diaserie zusammengestellt: Bilder der Schweiz zwischen 1900 und 1950. Die besten Schwarz-Weiß-Fotografen dieses Landes (von Jakob Tuggener bis Gotthard Schuh) erzählen von der Übermacht der Natur, des Klimas, der Berge – mit dem kühlen, bisweilen aber auch liebevollen Blick des Realismus und der perspektiv-geschulten Sachfotografie. In einem Extrakabinett gibt es einige nostalgisch machende Fotochrom-Bilder – historische Schwarzweiß-Fotografien, die um 1900 lithographisch bearbeitet und mit zarten Farbschichten versehen wurden. Und dann der ziemlich illusionslose Sprung in die Gegenwart, die der Kurator so diagnostiziert:
"Wenn man durch die Schweiz fährt, befindet man sich in einer Riesenagglomeration. Das ist alles genutzt, umgebaut, eingezont. Der Siedlungsdruck, der ist enorm. Die Landreserve schwindet. Das ist wirklich eine Veränderung, die existentiell ist, bei der man gewisse Grenzen kommen sieht."
Die Strategien, mit denen jüngere Fotografen diese eher trübe Gegenwart angehen, sind sehr unterschiedlich: Mit der Überzeugungskraft der Serie dokumentiert Martin Stollenwerk die immer gleichen, normierten Betonbahnhöfe, die alle vom selben Architekten stammen und das Signum einer strengen Einfallslosigkeit geworden sind. Ebenfalls in Serie sieht man die "falschen Châlets", als idyllische Bauernhütten getarnte Atombunker, in der Untersuchung von Christian Schwager. Jean-Luc Cramatte lakonisiert den Schweizer Ordnungssinn anhand einer Typologie akkurat aufgeräumter Postämter.
Eher reportageartig sind die Riesenformate von Yann Gross über ein Tal im Wallis, wo tätowierte Unterschichtler sich in eine amerikanisierte Ersatzwelt flüchten – vom "Tractor Pulling" bis zum Lastwagenrennen. Zu den eindrücklichsten Arbeiten gehören die grotesken Bilder von Nicolas Faure, die die Landnahme durch Autobahnen, Flughäfen, Lagerhallen oder einfach nur durch den Müll zeigen. Was im Ausschnitt als originelles graphisches Muster erscheint, entpuppt sich oft als Verschalung oder Autobahntrasse. Ein vereistes Segelboot oder ein zusammengebrochener Strommast werden bei Faure zum Symbol einer kühl-rationalen und fragwürdig wirtschaftenden Nation.
Was sagt uns das über die Schweiz? Dass sie zu Selbstkritik fähig ist. Denn noch drastischer sind die Bilder des konzeptuell arbeitenden Jules Spinatsch. Die nächtlichen Aufnahmen von beleuchteten oder im Nebel versinkenden Skipisten haben etwas Höllenartiges und gleichzeitig Rational-Kaltes; und die dazugehörigen Bilder bunter Geselligkeit, die die Alpen nur als Kulisse für Werbebande missbrauchen, sind vollends bizarr: Neben der Ökokatastrophe ist der Wintersport auch eine ästhetische Katastrophe.
Zum Abschluss montiert der Videokünstler Erich Busslinger Alltagssituationen zu einem Bild der Schweiz von unten: Vielleicht ist diese Welt der Nebensachen und der kleinen Leute ja doch viel schweizerischer als die im Land ansässigen Banken und ihre Beihilfe zum Steuerbetrug.
Das ist auch der Ansatz der Ausstellung: Die Schweiz verändert sich in rasendem Tempo, und der alten, der ländlich geprägten Schweiz wird hier ein nostalgisches Adieu hinterher gerufen. Und das, was da entsteht, die zersiedelte, unterjochte, kapitalisierte Landschaft, wird von einer neuen Fotografengeneration untersucht – nicht anklagend, aber im Sinne einer äußerst kritischen Bestandsaufnahme.
Der Kurator Peter Pfrunder hat zunächst eine wundervolle, 20-minütige Diaserie zusammengestellt: Bilder der Schweiz zwischen 1900 und 1950. Die besten Schwarz-Weiß-Fotografen dieses Landes (von Jakob Tuggener bis Gotthard Schuh) erzählen von der Übermacht der Natur, des Klimas, der Berge – mit dem kühlen, bisweilen aber auch liebevollen Blick des Realismus und der perspektiv-geschulten Sachfotografie. In einem Extrakabinett gibt es einige nostalgisch machende Fotochrom-Bilder – historische Schwarzweiß-Fotografien, die um 1900 lithographisch bearbeitet und mit zarten Farbschichten versehen wurden. Und dann der ziemlich illusionslose Sprung in die Gegenwart, die der Kurator so diagnostiziert:
"Wenn man durch die Schweiz fährt, befindet man sich in einer Riesenagglomeration. Das ist alles genutzt, umgebaut, eingezont. Der Siedlungsdruck, der ist enorm. Die Landreserve schwindet. Das ist wirklich eine Veränderung, die existentiell ist, bei der man gewisse Grenzen kommen sieht."
Die Strategien, mit denen jüngere Fotografen diese eher trübe Gegenwart angehen, sind sehr unterschiedlich: Mit der Überzeugungskraft der Serie dokumentiert Martin Stollenwerk die immer gleichen, normierten Betonbahnhöfe, die alle vom selben Architekten stammen und das Signum einer strengen Einfallslosigkeit geworden sind. Ebenfalls in Serie sieht man die "falschen Châlets", als idyllische Bauernhütten getarnte Atombunker, in der Untersuchung von Christian Schwager. Jean-Luc Cramatte lakonisiert den Schweizer Ordnungssinn anhand einer Typologie akkurat aufgeräumter Postämter.
Eher reportageartig sind die Riesenformate von Yann Gross über ein Tal im Wallis, wo tätowierte Unterschichtler sich in eine amerikanisierte Ersatzwelt flüchten – vom "Tractor Pulling" bis zum Lastwagenrennen. Zu den eindrücklichsten Arbeiten gehören die grotesken Bilder von Nicolas Faure, die die Landnahme durch Autobahnen, Flughäfen, Lagerhallen oder einfach nur durch den Müll zeigen. Was im Ausschnitt als originelles graphisches Muster erscheint, entpuppt sich oft als Verschalung oder Autobahntrasse. Ein vereistes Segelboot oder ein zusammengebrochener Strommast werden bei Faure zum Symbol einer kühl-rationalen und fragwürdig wirtschaftenden Nation.
Was sagt uns das über die Schweiz? Dass sie zu Selbstkritik fähig ist. Denn noch drastischer sind die Bilder des konzeptuell arbeitenden Jules Spinatsch. Die nächtlichen Aufnahmen von beleuchteten oder im Nebel versinkenden Skipisten haben etwas Höllenartiges und gleichzeitig Rational-Kaltes; und die dazugehörigen Bilder bunter Geselligkeit, die die Alpen nur als Kulisse für Werbebande missbrauchen, sind vollends bizarr: Neben der Ökokatastrophe ist der Wintersport auch eine ästhetische Katastrophe.
Zum Abschluss montiert der Videokünstler Erich Busslinger Alltagssituationen zu einem Bild der Schweiz von unten: Vielleicht ist diese Welt der Nebensachen und der kleinen Leute ja doch viel schweizerischer als die im Land ansässigen Banken und ihre Beihilfe zum Steuerbetrug.