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Winzige Unholde

Umwelt. - Feinstaub ist das umweltpolitische Thema, das Politik und Öffentlichkeit umtreibt, seit die erste deutsche Großstadt die EU-Maßstäbe nicht mehr erfüllen konnte. Auf der Jahrestagung der deutschen Arbeits- und Umweltmediziner in Bochum spielte Feinstaub auch eine beherrschende Rolle, allerdings in seiner kleinsten, der ultrafeinen Form.

    Daß viele deutsche Großstädte bereits im Frühjahr gegen die EU-Umweltgesetzgebung verstoßen, hat ein Thema rasant in die Öffentlichkeit gezerrt, das Umweltmediziner schon seit Mitte der 90er Jahre umtreibt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit der Forscher allerdings anderen Kategorien als denjenigen, die von der EU-Richtlinie abgedeckt werden. Die Grenzwerte, die gleich reihenweise überschritten werden gelten nur für die gröbste Fraktion des Feinstaubs, die einen Durchmesser zwischen 2,5 und zehn Mikrometer haben. Für die derzeit intensiv untersuchten mit Durchmessern unter 0,1 Mikrometern gibt es keine Grenzwerte, es gibt noch nicht einmal adäquate Meßinstrumente. "Bei diesen sehr kleinkalibrigen Stäuben, die zu den ultrafeinen Partikeln gehören, haben wir erheblichen Forschungsbedarf", erklärt Professor Claus Piekarsky von der Universität Köln.

    Diese Teilchen entstehen beim Schweißen und Löten, aber auch durch Flugzeugturbinen und andere Quellen. Sie stehen im Verdacht, wegen ihrer vergleichsweise großen Oberfläche besonders aggressiv zu sein. Außerdem sind sie klein genug, um direkt in die Blutbahn zu gelangen. Dennoch warnen die Experten vor der vorschnellen Festlegung eines Grenzwertes auch für diese Teilchen. Professor Dennis Nowak von der Universität München: "Man weiß heute, daß die Wirkung dieser Stäube bis in sehr niedrige Konzentrationen vorhanden ist. Jeder Grenzwert, den man setzt, ist ein irgendwie auch willkürlicher Wert."

    Über die derzeitige Erregung können die Wissenschaftler nur den Kopf schütteln. Denn auch wenn in München, Düsseldorf oder Berlin die EU-Grenzwerte überschritten werden, verglichen mit dem immer noch weit verbreiteten Rauchen sind diese Belastungen geradezu vernachlässigbar. Nowak: "Wir wissen aus eigenen neueren Untersuchungen, daß in Wohnungen, in denen geraucht wird, leicht 120 bis 150 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht werden." Das ist das Drei- bis Vierfache des EU-amtlich zulässigen jährlichen Mittelwerts, ohne dass sich die Betroffenen darüber aufregen.

    [Quelle: Sascha Ott]