Heckmann: Soll nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2003 ein neuer Anlauf unternommen werden, die rechtsextreme Partei verbieten zu lassen? Die Innenminister von Bund und Ländern hatten sich im vergangenen Jahr darauf verständigt, das zur Verfügung stehende Material gegen die Rechtsextremen zusammenzutragen und dann eine Entscheidung zu treffen. Allerdings fühlten sich die Unionsinnenminister an diese Absprache nicht mehr gebunden. Sie sehen ein neues Verbotsverfahren als nicht aussichtsreich an und halten einen Abzug der V-Leute, wie vom Bundesverfassungsgericht zur Bedingung gemacht, nicht für verantwortbar. Einer sieht das allerdings anders: der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern Lorenz Caffier. Heute Mittag stellt er seine Erkenntnisse vor.
Bis gestern hatten die Innenminister der Länder also Zeit, Bundesinnenminister Schäuble Material gegen die NPD zur Verfügung zu stellen. Die unionsregierten Länder haben sich wie erwähnt geweigert. Haben die Innenminister der Länder ihren Parteifreund damit düpiert? Diese Frage ging vor dieser Sendung an Wolfgang Bosbach, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Bosbach: Ich meine, dass es bei der Verabredung bleiben sollte. Es gibt unterschiedliche Auffassungen auch in den unionsgeführten Ländern bei den Innenministern der Union, ob ein erneutes NPD-Verbotsverfahren angestrengt werden sollte, ob es Sinn macht.
Die herrschende Meinung ist Nein. Ich persönlich bin auch sehr, sehr skeptisch, was ein neues NPD-Verbotsverfahren angeht. Aber dessen ungeachtet sollte es bei der Verabredung bleiben und die lautet, dass die Bundesländer dem Bund Material zur Verfügung stellen über die Lage der NPD – insbesondere zur Beantwortung der Frage: Gibt es eigentlich eine andere Einschätzung über die NPD seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren im Jahre 2003. Danach kann man immer noch entscheiden, ob es opportun ist, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen oder nicht.
Heckmann: Aber die Frage ist ja, weshalb sind die unionsregierten Länder von dieser Linie abgewichen?
Bosbach: Wie gerade erwähnt ist die herrschende Meinung dort, dass ein neues Verbotsverfahren nicht angestrengt werden sollte. Aber das ändert nichts an der Verabredung und die Verabredung lautete, dass man nach einem Zeitraum von fünf Jahren noch einmal neues aktuelles Material sammeln und dem Bund zur Verfügung stellen könnte zur Beantwortung der Frage, ob ein neues Verbotsverfahren Sinn macht ja oder nein. Ich füge aber hinzu: Schon damals als diese Verabredung getroffen wurde gab es prinzipielle Bedenken gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren.
Heckmann: Die Länder argumentieren ja - die unionsregierten Länder -, dass es ohnehin zu keinem neuen Verbotsverfahren kommen werde, weil dazu ja die V-Leute abgezogen werden müssten, wie das eben Karlsruhe gefordert hatte.
Bosbach: Wir befinden uns hier nach dem Richterspruch im ersten Verbotsverfahren in einem echten Dilemma. Ich darf auch noch mal daran erinnern, dass nicht etwa die Mehrheit der Verfassungsrichter in Karlsruhe das NPD-Verbotsverfahren begraben haben, sondern eine Minderheit. Diese Minderheit war allerdings so groß, dass das Verfahren nicht fortgesetzt werden konnte. Nach der damaligen Entscheidung müssen Bund und Länder alle V-Leute abschalten, die in der NPD geführt werden, und erst danach könnte ein neuer Verbotsantrag gestellt werden.
Das Dilemma besteht darin, dass wegen der zweifellosen Verfassungswidrigkeit und aggressiven Haltung der NPD es eigentlich unvertretbar wäre, wenn wir jahrelang – denn so lange würde ein Verfahren dauern – keine notwendigen Informationen aus dem Innenleben der NPD bekämen. Bei den V-Leuten handelt es sich ja nicht um verdeckte Ermittler des Staates, sondern das sind Mitglieder und Sympathisanten der NPD, die den Staat über das verfassungswidrige Treiben dieser Organisation informieren. Und wenn wir jahrelang von notwendigen Informationen abgeschaltet würden, dann trüge der Staat ein erhebliches Risiko.
Heckmann: Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern Caffier hält das öffentlich zugängliche Material, das gegen die NPD gesammelt worden ist, für ausreichend für ein Verbotsverfahren. Also insofern könnten die V-Leute auch abgezogen werden?
Bosbach: Ja und nein. Das ist die Einschätzung von Herrn Caffier; das zitieren Sie richtig. Es gibt allerdings auch Innenminister, die das anders sehen. Sie tragen in jedem Falle wie bei jedem anderen Prozess auch ein prozessuales Risiko, was ich persönlich auch nicht unterschätzen würde.
Hinzu kommt: Wir können auf V-Leute nicht generell für einen längeren Zeitraum verzichten, weil wir auf die Informationen zur Beobachtung und Bekämpfung der NPD angewiesen sind. Es ist doch kurios, wenn man sagt, die NPD ist so gefährlich und verfassungsfeindlich, sie muss verboten werden, aber die Beobachtung mit V-Leuten können wir über einen längeren Zeitraum einstellen. Das ist widersprüchlich. Es ist nicht der Widerspruch des Staates, sondern es ist das Dilemma des Staates nach dem ersten Richterspruch, der zum Scheitern im Jahre 2003 geführt hat.
Heckmann: Herr Bosbach, vergangene Woche sind NPD-Chef Udo Voigt und zwei weitere Spitzenfunktionäre angeklagt worden – unter anderem wegen Volksverhetzung. Wenn es zu einer Verurteilung kommen sollte, fällt dann ein neues Licht auf die Diskussion?
Bosbach: Nein! Das würde die Lage grundsätzlich nicht ändern. Es gibt ja keinen Zweifel daran, dass die NPD antidemokratisch ist, ausländerfeindlich, antisemitisch und dass sie verbotswürdig ist. Damit hier kein Missverständnis entsteht! Ich wäre ja heil froh und die Union auch, wenn die NPD Anfang dieses neuen Jahrhunderts verboten worden wäre. Der Verbotsantrag hatte aber unglücklicherweise keinen Erfolg. Während der Zeit des Verbotsverfahrens hat sich die NPD jedenfalls öffentlich doch deutlich zurückgehalten. Nachdem das Verfahren gescheitert ist, tritt die NPD dreister auf als je zuvor. Das gilt nicht nur, aber gerade auch für die führenden Funktionäre. Und das gescheiterte Verbotsverfahren hat ja auch nicht dazu geführt, dass der NPD Wahlerfolge versagt blieben – eher im Gegenteil. Also ein nochmaliges Scheitern sollten wir dem Staat wirklich ersparen und selbst wenn die NPD verboten würde, das extremistische Gedankengut ihrer Anhänger wäre ja immer noch vorhanden. Deswegen muss die NPD politisch bekämpft werden.
Heckmann: Die NPD steckt ja auch finanziell in einer Krise, nachdem der Schatzmeister 600.000 Euro veruntreut haben soll, muss man ja sagen. Wäre es nicht geschickter abzuwarten, bis sich die Partei selbst zerlegt, statt ständig neue Verbotsdiskussionen zu führen?
Bosbach: Hier ist die Frage, ob sich die Partei zerlegt. Die Frage können wir beide jetzt nicht in diesem Gespräch abschließend beantworten. Es ist möglich, dass die Partei in finanzielle Turbulenzen gekommen ist. Bleibt auch mal der Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Aber Gewissheit haben wir hier nicht. Und selbst wenn, wie können wir ausschließen, dass sich morgen unter einem anderen Namen, einer anderen Firmierung eine neue Partei gründet, wo sich exakt jene Figuren wieder sammeln, die jetzt in der NPD tätig sind. Deswegen werden wir uns mit diesem Thema, so fürchte ich, in den nächsten Jahren immer noch intensiv beschäftigen müssen. Dessen ungeachtet ist es natürlich mehr als ärgerlich, dass diese unappetitliche Truppe per Wahlkampfkostenerstattung auch noch mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden muss, denn solange die NPD nicht verboten ist muss sie jedenfalls beim Thema Wahlkampfkostenerstattung, wenn sie das bestimmte Quorum erreicht, genauso behandelt werden wie alle anderen Parteien auch.
Heckmann: Herr Bosbach, danke Ihnen für das Gespräch!
Bosbach: Ich danke Ihnen. Schönen Tag noch.
Heckmann: Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschlandfunk.
Bis gestern hatten die Innenminister der Länder also Zeit, Bundesinnenminister Schäuble Material gegen die NPD zur Verfügung zu stellen. Die unionsregierten Länder haben sich wie erwähnt geweigert. Haben die Innenminister der Länder ihren Parteifreund damit düpiert? Diese Frage ging vor dieser Sendung an Wolfgang Bosbach, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Bosbach: Ich meine, dass es bei der Verabredung bleiben sollte. Es gibt unterschiedliche Auffassungen auch in den unionsgeführten Ländern bei den Innenministern der Union, ob ein erneutes NPD-Verbotsverfahren angestrengt werden sollte, ob es Sinn macht.
Die herrschende Meinung ist Nein. Ich persönlich bin auch sehr, sehr skeptisch, was ein neues NPD-Verbotsverfahren angeht. Aber dessen ungeachtet sollte es bei der Verabredung bleiben und die lautet, dass die Bundesländer dem Bund Material zur Verfügung stellen über die Lage der NPD – insbesondere zur Beantwortung der Frage: Gibt es eigentlich eine andere Einschätzung über die NPD seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren im Jahre 2003. Danach kann man immer noch entscheiden, ob es opportun ist, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen oder nicht.
Heckmann: Aber die Frage ist ja, weshalb sind die unionsregierten Länder von dieser Linie abgewichen?
Bosbach: Wie gerade erwähnt ist die herrschende Meinung dort, dass ein neues Verbotsverfahren nicht angestrengt werden sollte. Aber das ändert nichts an der Verabredung und die Verabredung lautete, dass man nach einem Zeitraum von fünf Jahren noch einmal neues aktuelles Material sammeln und dem Bund zur Verfügung stellen könnte zur Beantwortung der Frage, ob ein neues Verbotsverfahren Sinn macht ja oder nein. Ich füge aber hinzu: Schon damals als diese Verabredung getroffen wurde gab es prinzipielle Bedenken gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren.
Heckmann: Die Länder argumentieren ja - die unionsregierten Länder -, dass es ohnehin zu keinem neuen Verbotsverfahren kommen werde, weil dazu ja die V-Leute abgezogen werden müssten, wie das eben Karlsruhe gefordert hatte.
Bosbach: Wir befinden uns hier nach dem Richterspruch im ersten Verbotsverfahren in einem echten Dilemma. Ich darf auch noch mal daran erinnern, dass nicht etwa die Mehrheit der Verfassungsrichter in Karlsruhe das NPD-Verbotsverfahren begraben haben, sondern eine Minderheit. Diese Minderheit war allerdings so groß, dass das Verfahren nicht fortgesetzt werden konnte. Nach der damaligen Entscheidung müssen Bund und Länder alle V-Leute abschalten, die in der NPD geführt werden, und erst danach könnte ein neuer Verbotsantrag gestellt werden.
Das Dilemma besteht darin, dass wegen der zweifellosen Verfassungswidrigkeit und aggressiven Haltung der NPD es eigentlich unvertretbar wäre, wenn wir jahrelang – denn so lange würde ein Verfahren dauern – keine notwendigen Informationen aus dem Innenleben der NPD bekämen. Bei den V-Leuten handelt es sich ja nicht um verdeckte Ermittler des Staates, sondern das sind Mitglieder und Sympathisanten der NPD, die den Staat über das verfassungswidrige Treiben dieser Organisation informieren. Und wenn wir jahrelang von notwendigen Informationen abgeschaltet würden, dann trüge der Staat ein erhebliches Risiko.
Heckmann: Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern Caffier hält das öffentlich zugängliche Material, das gegen die NPD gesammelt worden ist, für ausreichend für ein Verbotsverfahren. Also insofern könnten die V-Leute auch abgezogen werden?
Bosbach: Ja und nein. Das ist die Einschätzung von Herrn Caffier; das zitieren Sie richtig. Es gibt allerdings auch Innenminister, die das anders sehen. Sie tragen in jedem Falle wie bei jedem anderen Prozess auch ein prozessuales Risiko, was ich persönlich auch nicht unterschätzen würde.
Hinzu kommt: Wir können auf V-Leute nicht generell für einen längeren Zeitraum verzichten, weil wir auf die Informationen zur Beobachtung und Bekämpfung der NPD angewiesen sind. Es ist doch kurios, wenn man sagt, die NPD ist so gefährlich und verfassungsfeindlich, sie muss verboten werden, aber die Beobachtung mit V-Leuten können wir über einen längeren Zeitraum einstellen. Das ist widersprüchlich. Es ist nicht der Widerspruch des Staates, sondern es ist das Dilemma des Staates nach dem ersten Richterspruch, der zum Scheitern im Jahre 2003 geführt hat.
Heckmann: Herr Bosbach, vergangene Woche sind NPD-Chef Udo Voigt und zwei weitere Spitzenfunktionäre angeklagt worden – unter anderem wegen Volksverhetzung. Wenn es zu einer Verurteilung kommen sollte, fällt dann ein neues Licht auf die Diskussion?
Bosbach: Nein! Das würde die Lage grundsätzlich nicht ändern. Es gibt ja keinen Zweifel daran, dass die NPD antidemokratisch ist, ausländerfeindlich, antisemitisch und dass sie verbotswürdig ist. Damit hier kein Missverständnis entsteht! Ich wäre ja heil froh und die Union auch, wenn die NPD Anfang dieses neuen Jahrhunderts verboten worden wäre. Der Verbotsantrag hatte aber unglücklicherweise keinen Erfolg. Während der Zeit des Verbotsverfahrens hat sich die NPD jedenfalls öffentlich doch deutlich zurückgehalten. Nachdem das Verfahren gescheitert ist, tritt die NPD dreister auf als je zuvor. Das gilt nicht nur, aber gerade auch für die führenden Funktionäre. Und das gescheiterte Verbotsverfahren hat ja auch nicht dazu geführt, dass der NPD Wahlerfolge versagt blieben – eher im Gegenteil. Also ein nochmaliges Scheitern sollten wir dem Staat wirklich ersparen und selbst wenn die NPD verboten würde, das extremistische Gedankengut ihrer Anhänger wäre ja immer noch vorhanden. Deswegen muss die NPD politisch bekämpft werden.
Heckmann: Die NPD steckt ja auch finanziell in einer Krise, nachdem der Schatzmeister 600.000 Euro veruntreut haben soll, muss man ja sagen. Wäre es nicht geschickter abzuwarten, bis sich die Partei selbst zerlegt, statt ständig neue Verbotsdiskussionen zu führen?
Bosbach: Hier ist die Frage, ob sich die Partei zerlegt. Die Frage können wir beide jetzt nicht in diesem Gespräch abschließend beantworten. Es ist möglich, dass die Partei in finanzielle Turbulenzen gekommen ist. Bleibt auch mal der Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Aber Gewissheit haben wir hier nicht. Und selbst wenn, wie können wir ausschließen, dass sich morgen unter einem anderen Namen, einer anderen Firmierung eine neue Partei gründet, wo sich exakt jene Figuren wieder sammeln, die jetzt in der NPD tätig sind. Deswegen werden wir uns mit diesem Thema, so fürchte ich, in den nächsten Jahren immer noch intensiv beschäftigen müssen. Dessen ungeachtet ist es natürlich mehr als ärgerlich, dass diese unappetitliche Truppe per Wahlkampfkostenerstattung auch noch mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden muss, denn solange die NPD nicht verboten ist muss sie jedenfalls beim Thema Wahlkampfkostenerstattung, wenn sie das bestimmte Quorum erreicht, genauso behandelt werden wie alle anderen Parteien auch.
Heckmann: Herr Bosbach, danke Ihnen für das Gespräch!
Bosbach: Ich danke Ihnen. Schönen Tag noch.
Heckmann: Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschlandfunk.