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"Wir dachten, eine neue Ära würde anbrechen."

In Simbabwe herrscht das Chaos. Daran kann auch die Nationale Einheitsregierung, die nun seit einem Jahr besteht, wenig ausrichten: Die Landeswährung ist längst zusammengebrochen und die Angestellten des Öffentlichen Dienstes streiken.

Von Claus Stäcker | 13.02.2010
    Ein Jahr ist um und gegen die Einheitsregierung wird gestreikt. Es sind die Angestellten des Öffentlichen Dienstes, die hier in Harare auf die Straße gehen. Ein unbefristeter Streik, der erste seit 14 Jahren. Seit dem Zusammenbruch der eigenen Währung regieren Dollar, südafrikanischer Rand und botswanischer Pula in Simbabwe. Staatsbedienstete bekommen zwischen 122 und 163 Dollar Gehalt. Sie verlangen aber 630 Dollar - Geld, das die Regierung nicht hat.

    Als Morgen Tsvangirai vor einem Jahr seinen Amtseid als neuer Ministerpräsident ablegte, feierten die Menschen, auch wenn der verhasste Präsident Robert Mugabe im Amt blieb. Nach Jahren des Stillstands, der Unterdrückung, eines brutalen Wahlkampfes mit rund 200 Toten war die Regierung der Nationalen Einheit, auf Druck der südafrikanischen Staatengemeinschaft SADEC zu Stande gekommen, waren Tsvangirai und seine Minister von der Bewegung für Demokratischen Wandel MDC, Hoffnungsträger.

    Nun, ein Jahr später, ist die Bilanz mager.

    Ich bin enttäuscht, sagt der Grundschullehrer Charles Mubwandarikwa.

    "Wir dachten, eine neue Ära würde anbrechen. Eine des Wohlstands. Aber wir wandeln hier immer noch in Armut umher. Wir profitieren nicht davon.
    Vielleicht ein paar unserer Führer, sie genießen ein paar Privilegien, aber nicht die Leute an der Basis."

    Ich bin auch enttäuscht, meint sein Kollege Riccson Wenzira, wir dachten, das wird unser Jahr - aber wir leiden noch immer. Sie liefern eine schwache Vorstellung ab. Sie denken nur an sich und bereichern sich selbst. Guck dir nur mal ihre Autos an.

    Die junge Journalistin Angela Makamure sieht allerdings schon Fortschritte.
    Die Läden sind voll, übervoll fast. Und man kann sich freier bewegen, sogar seine Meinung sagen:

    Die Dollarisierung der Währung, die Zulassung mehrerer Fremdwährungen muss ich sagen, hat mir als Einzelperson geholfen. Wenigstens kann ich jetzt Brot kaufen, Grundnahrungsmittel. Der Lohn ist aber zu karg. Er reicht eben nur für Lebensmittel nicht mehr. Was ist mit der Miete, was mit den Transportkosten?

    Kliniken und Schulen sind wieder offen, funktionieren, aber auch sie kosten extra. Und der durchschnittliche Warenkorb für eine Familie, so eine Studie, liegt bei 520, 54 Dollar - kaum einer verdient die Hälfte davon.
    Also versucht sich jeder mit Zweit- und Drittjobs durchzuschlagen, als Gemüsehändler zum Beispiel, wie der 26-jährige Simbarashe Zindi auf dem Chikwanha Markt in dem Township Chitungwiza, 30 Kilometer südlich von Harare.

    "Die Dinge haben sich etwas verbessert, aber nicht gerade für uns, die Jugendlichen. Was ich hier verkaufe, reicht vorn und hinten nicht. Auch wenn ich an guten Tagen acht Dollar verdiene. Das reicht nicht, um Miete, Strom und Lebensmittel zu bezahlen. Das ist nicht gerade mein Traumjob, und ich hoffe, die Regierung kriegt es irgendwie hin, ein Klima zu schaffen, in dem wieder Arbeitsplätze entstehen."

    Es gibt Zeichen des Aufschwungs: Aber noch immer keine nennenswerten Investitionen, wie viele Konferenzen die Mugabe-Tsvangirai-Regierung auch veranstaltet. Die Industriekapazität, vor einem Jahr mit zehn Prozent am Boden, hat nun Analysten zufolge 40 Prozent erreicht. Und die Landwirtschaft? Die angestrebte "Produktion vor Eigentumsstreit"-Politik der MDC ist eine Worthülse geblieben. Die wenigen Dutzend weißen Farmer, die seit 2000 noch nicht enteignet wurden, sind noch immer im Fokus der Mugabe-Schergen.

    Die Farmer, deren Land für eine Verstaatlichung vorgesehen ist, müssen ihr Land verlassen, müssen, müssen es verlassen.

    Der Mangofarmer Ben Freeth hat das besonders schmerzhaft erfahren.
    Verschleppt wurde er, bewusstlos geschlagen, sein Farmhaus abgebrannt - und das, obwohl ihm vier Gerichte, darunter das SADC-Tribunal, bestätigt hatten, dass seine Enteignung unrechtmäßig war.

    Es ist völlig klar, dass die Behinderungen und Besetzungen weißer Farmen nicht aufgehört haben. Momentan stehen 140 weiße Farmer vor Gericht, weil sie angeblich gesetzwidrig weiter anbauen. Sie produzieren Lebensmittel für die Nation und werden bestraft. Es ist eindeutig, dass weiße Farmer vertrieben werden sollen.

    Auch die Bilanz bei der Demokratisierung fällt bescheiden, wenn nicht verheerend aus: Mugabe widersetzt sich noch immer der vereinbarten Ernennung neuer Gouverneure. Die angestrebte neue Verfassung droht von den Parteien gehijackt und verwässert zu werden - die größte Nichtregierungsplattform, die Nationale Verfassungsversammlung (NCA), zog bei einem Treffen kürzlich ein negatives Resümee. Studentenführer Ronald Tafirenyika beklagt, eine Verfassung gehört nicht der Regierung. Auch nicht dem Parlament, sondern dem gesamten Volk. Jeder Entwurf muss dem Volk vorgelegt und per Referendum bestätigt werden.

    Die Frauenrechtlerin Winfrider Chipunza meint:

    "Wir mögen zwar Morgan Tsvangirai und würden ihn gern zum Präsidenten wählen, wenn es denn jemals dazukommt. Aber hier geht es ums Prinzip. Um das Prinzip einer vom Volk ausgehenden Verfassung, auf das wir uns schon 1999 geeinigt haben. Das muss umgesetzt werden."

    Die Zeit spielt für Mugabes Zanu-PF, meint auch Gladys Hlatshwayo von der Simbabwe-Krisen-Koalition, die Zanu-PF wollte nie eine volksnahe Verfassung, weil sie Angst davor hat, dass das Volk zu mächtig wird.

    Eine volksnahe Verfassung, so ergänzt Madock Chivasa, bekommen wir nur mit einer wirklich unabhängigen Kommission.

    Aber über die Zusammensetzung der Kommission wird immer noch gestritten, es sieht aus, als ob die Parteien sie unter sich ausmachen. Amnesty International beklagt auch fortdauernde Menschenrechtsverletzungen durch Generalstaatsanwaltschaft, Polizei und Armee. In Dörfern wie Mutoko, Muzarabani und MT Darwin seien Bewohner bedroht worden, wenn sie nicht die Zanu-PF unterstützten. - Kein Ruhmesblatt nach 365 Tagen, in denen beide Seiten immer mal wieder mit einem Ende der Koalition drohten. Gerade war es Mugabes rechte Hand. Patrick Chinamasa, der ein Ende der Zugeständnisse verkündete. Doch beide wissen, dass es zur Zwangsehe noch keine Alternative gibt. Einige, wie der Chef der Lehrergewerkschaft Raymond Majongwe, warnen deshalb auch vor einem Scheitern.

    "Die Simbabwer sind ein Volk von Heulsusen. Wenn man mit anderen Ländern vergleicht, es ist nie einfach, sich aus der Hölle zu befreien, aus dem Loch zu klettern und an die Oberfläche zu kommen. Wir haben einige wichtige Siege errungen, politische, ökonomische und kulturelle. Was mich angeht, so haben wir bereits mehr als 40 Prozent unserer Arbeit erledigt."