Plaza Uruguaya, ein kleiner Park inmitten von Asunción: eine Grünfläche mit alten Bäumen, um die der Verkehr fließt. Die meisten Passanten, die den Platz überqueren, haben es eilig, denn seit Monaten wird er von Indios besetzt gehalten. Mehr als 350 Menschen, nahezu 150 Familien mit kleinen Kindern, sind hierher gezogen, haben Stricke zwischen den Bäumen gespannt und schwarze Plastikplanen darüber gelegt: ihre Zelte. Im Staub der Plaza haben sie zwei Feuerstätten eingerichtet, auf denen sie mühsam Suppe kochen. In einer Pfütze daneben wird Wäsche gewaschen.
"Wir gehören zu den Landlosen" – so Benito Barreto, einer der Anführer des Zeltlagers. "Es gibt zu wenig legalisiertes Land hier in Paraguay. Und die Anzahl der Indígenas wächst ständig. In vielen Gemeinden gibt es einfach nicht mehr genug Platz und nicht genug Land für alle Familien. Deshalb sind wir hier und fordern von der Regierung, dass sie uns Land gibt, um neue Gemeinden zu gründen."
Seit Anfang Juni leben sie auf diesem Platz, umtost vom Verkehr. Eine private Reinigungsfirma hat ihnen drei Chemietoiletten zur Verfügung gestellt, irgendjemand drei Wasseranschlüsse gelegt. Die Regierung hüllt sich in Schweigen. Die Bürgermeisterin von Asunción drohte bereits, sie mit Gewalt vertreiben zu lassen. Das für sie zuständige Instituto del Indígena wiegelt ab oder behauptet, nach Lösungen zu suchen – seit drei Monaten. Doch die Indios werden nicht weichen, solange sie keine befriedigende Antwort erhalten.
"Wir haben keine Arbeit" – so Benito Barreto. "Wir erhalten keine ausreichende medizinische Versorgung. Unsere Kinder können nicht in die Schule gehen, aber das ist doch so wichtig für ihre Zukunft. Deshalb brauchen wir ein Stückchen Land, um uns niederzulassen und mit dem Nötigsten selbst zu versorgen."
An diesem Tag werden in Paraguay – wie überall auf der Welt – die Kinder gefeiert. Eine Handvoll Studenten, als Clowns verkleidet, ist auf dem Platz angekommen. Sie verteilen Süßigkeiten unter den kleinen Indios und versuchen, sie mit Liedern und Spielen aufzuheitern. Doch die Kinder sind nur schwer zu bewegen, sich ihnen anzuschließen. Sie sind es nicht gewöhnt, dass jemand Fremdes zu ihnen kommt, um sich um sie zu kümmern.
"Die Indígenas warten hier auf diesem Platz schon lange auf eine Antwort" – erklärt eine Studentin – "deshalb wollten wir sie ein bisschen unterstützen, damit sie sich nicht so ausgeschlossen fühlen."
Die studentischen Clowns sind nicht die einzigen, die den Kindern an ihrem Festtag helfen wollen. Zwei Frauen sind gerade dabei, Plakate auszubreiten: zwei Rechtsanwältinnen von der Menschenrechtsorganisation Defensoría del pueblo.
"Wir haben nicht genügend Mittel, um ihnen etwas zu schenken" – so eine der Beiden – "aber wir haben Fingerfarben mitgebracht, damit sie malen können." "Und am Schluss werden sie ein Glas Milch von uns bekommen" – fügt die Andere hinzu. "Wir kümmern uns aber auch um die Forderungen der Indios, damit sie ein Dach über dem Kopf und eine Schule für die Kinder erhalten. Die juristische Seite der Probleme gehört zu unserer ständigen Arbeit."
"Die Zivilgesellschaft unterstützt uns" – erklärt Benito Barreto später. "Religiöse Leute, Jugendliche wie diese Studenten, aber auch Händler hier in der Nähe oder Anwohner. Sie bringen uns Lebensmittel und gebrauchte Kleidung. Nur so können wir es hier aushalten. Viele sind mit uns solidarisch, weil sie unsere Forderungen verstehen."
In den letzten Wochen war es zeitweise eisig kalt in Paraguay. Der gesamte Süden des südlichen Amerikas erlebte einen der kältesten Winter. Die Indios auf der Plaza Uruguaya konnten nur mit Hilfe der Bevölkerung unter ihren dünnen Plastikplanen überleben. Denn die meisten offiziellen 'Vertreter des Volkes' haben ein eher zynisches Verhältnis zu diesem Volk. Julia Caballo von Tierraviva, einer Nicht-Regierungsorganisation für Indios.
"Die Senatoren der Nation meinten beispielsweise: 'Wir können es doch nicht erlauben, dass unsere öffentlichen Plätze von solchen Leuten besetzt werden, die dort auch noch leben.' Dabei haben die Indios sie schon öfter eingeladen, ihre Gemeinden zu besuchen, damit sie die Situation ein bisschen besser verstehen, in der heute sehr viele Indios leben müssen."
Tierraviva beschäftigt sich mit den komplizierten Rechtsproblemen des Besitzes von Grund und Boden in Paraguay.
"Die Viehzüchter kaufen vom Staat riesige Ländereien samt der Indio-Gemeinden" – so Julia Caballo. "Sie pochen dann auf ihr Recht, obwohl die Indios ganz unbestreitbar die legitimen Eigentümer sind, allerdings aus vielerlei Gründen nie einen Rechtstitel besaßen. Wir sind der Meinung, dass die juristischen Probleme immer nur vorgeschoben werden, um die politischen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu verschleiern… Sie dienen der jeweiligen Regierung dazu, den betroffenen Gemeinden ihre Rechte vorzuenthalten."
Die Nicht-Regierungsorganisation konnte eine ganze Reihe strittiger Fälle lösen, oft erst in letzter Instanz vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Staat musste dann die Besitzer entschädigen, damit die alteingesessenen Eigentümer wieder zu ihrem nunmehr verbrieften Recht kamen.
"Angesichts nötiger Investitionen fordern die Indígenas gar nicht das ganze Land zurück, auf das sie Anspruch haben. Sie verlangen nur einen Bruchteil, der es ihnen erlaubt, sich als Volk zu entfalten."
Paraguay ist als Investitionsland sehr gefragt. Die Brasilianer kaufen dort gern und billig riesige Ländereien, um den Chinesen noch mehr Soja zu liefern. Die Indios werden vertrieben, denn in der Agro-Industrie gibt es für sie nur selten Arbeit. Auch Deutsche sind dort tätig, sogar als Arbeitgeber.
"Einen Fall moderner Sklaverei… hat die Indio-Gemeinde von Sawhoyamaxa erlebt" – so Julia Caballo. "Der deutsche Inhaber eines Landwirtschaftsbetriebs hat jahrelang die Indígenas nur 1 Mal im Jahr bezahlt und zwar 100.000 Guaranís, das entspricht 20 Dollar."
Sie durften froh sein, dass sie überhaupt bezahlt wurden, denn viele Landarbeiter werden auch heute noch in Paraguay wie Leibeigene gehalten und in Naturalien entlohnt.
Auch deshalb werden die Indios auf der Plaza Uruguaya in Asunción im 4. Monat aushalten und auf eine Antwort der Regierung warten: auf Land für ein menschenwürdiges Leben.
"Wir gehören zu den Landlosen" – so Benito Barreto, einer der Anführer des Zeltlagers. "Es gibt zu wenig legalisiertes Land hier in Paraguay. Und die Anzahl der Indígenas wächst ständig. In vielen Gemeinden gibt es einfach nicht mehr genug Platz und nicht genug Land für alle Familien. Deshalb sind wir hier und fordern von der Regierung, dass sie uns Land gibt, um neue Gemeinden zu gründen."
Seit Anfang Juni leben sie auf diesem Platz, umtost vom Verkehr. Eine private Reinigungsfirma hat ihnen drei Chemietoiletten zur Verfügung gestellt, irgendjemand drei Wasseranschlüsse gelegt. Die Regierung hüllt sich in Schweigen. Die Bürgermeisterin von Asunción drohte bereits, sie mit Gewalt vertreiben zu lassen. Das für sie zuständige Instituto del Indígena wiegelt ab oder behauptet, nach Lösungen zu suchen – seit drei Monaten. Doch die Indios werden nicht weichen, solange sie keine befriedigende Antwort erhalten.
"Wir haben keine Arbeit" – so Benito Barreto. "Wir erhalten keine ausreichende medizinische Versorgung. Unsere Kinder können nicht in die Schule gehen, aber das ist doch so wichtig für ihre Zukunft. Deshalb brauchen wir ein Stückchen Land, um uns niederzulassen und mit dem Nötigsten selbst zu versorgen."
An diesem Tag werden in Paraguay – wie überall auf der Welt – die Kinder gefeiert. Eine Handvoll Studenten, als Clowns verkleidet, ist auf dem Platz angekommen. Sie verteilen Süßigkeiten unter den kleinen Indios und versuchen, sie mit Liedern und Spielen aufzuheitern. Doch die Kinder sind nur schwer zu bewegen, sich ihnen anzuschließen. Sie sind es nicht gewöhnt, dass jemand Fremdes zu ihnen kommt, um sich um sie zu kümmern.
"Die Indígenas warten hier auf diesem Platz schon lange auf eine Antwort" – erklärt eine Studentin – "deshalb wollten wir sie ein bisschen unterstützen, damit sie sich nicht so ausgeschlossen fühlen."
Die studentischen Clowns sind nicht die einzigen, die den Kindern an ihrem Festtag helfen wollen. Zwei Frauen sind gerade dabei, Plakate auszubreiten: zwei Rechtsanwältinnen von der Menschenrechtsorganisation Defensoría del pueblo.
"Wir haben nicht genügend Mittel, um ihnen etwas zu schenken" – so eine der Beiden – "aber wir haben Fingerfarben mitgebracht, damit sie malen können." "Und am Schluss werden sie ein Glas Milch von uns bekommen" – fügt die Andere hinzu. "Wir kümmern uns aber auch um die Forderungen der Indios, damit sie ein Dach über dem Kopf und eine Schule für die Kinder erhalten. Die juristische Seite der Probleme gehört zu unserer ständigen Arbeit."
"Die Zivilgesellschaft unterstützt uns" – erklärt Benito Barreto später. "Religiöse Leute, Jugendliche wie diese Studenten, aber auch Händler hier in der Nähe oder Anwohner. Sie bringen uns Lebensmittel und gebrauchte Kleidung. Nur so können wir es hier aushalten. Viele sind mit uns solidarisch, weil sie unsere Forderungen verstehen."
In den letzten Wochen war es zeitweise eisig kalt in Paraguay. Der gesamte Süden des südlichen Amerikas erlebte einen der kältesten Winter. Die Indios auf der Plaza Uruguaya konnten nur mit Hilfe der Bevölkerung unter ihren dünnen Plastikplanen überleben. Denn die meisten offiziellen 'Vertreter des Volkes' haben ein eher zynisches Verhältnis zu diesem Volk. Julia Caballo von Tierraviva, einer Nicht-Regierungsorganisation für Indios.
"Die Senatoren der Nation meinten beispielsweise: 'Wir können es doch nicht erlauben, dass unsere öffentlichen Plätze von solchen Leuten besetzt werden, die dort auch noch leben.' Dabei haben die Indios sie schon öfter eingeladen, ihre Gemeinden zu besuchen, damit sie die Situation ein bisschen besser verstehen, in der heute sehr viele Indios leben müssen."
Tierraviva beschäftigt sich mit den komplizierten Rechtsproblemen des Besitzes von Grund und Boden in Paraguay.
"Die Viehzüchter kaufen vom Staat riesige Ländereien samt der Indio-Gemeinden" – so Julia Caballo. "Sie pochen dann auf ihr Recht, obwohl die Indios ganz unbestreitbar die legitimen Eigentümer sind, allerdings aus vielerlei Gründen nie einen Rechtstitel besaßen. Wir sind der Meinung, dass die juristischen Probleme immer nur vorgeschoben werden, um die politischen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu verschleiern… Sie dienen der jeweiligen Regierung dazu, den betroffenen Gemeinden ihre Rechte vorzuenthalten."
Die Nicht-Regierungsorganisation konnte eine ganze Reihe strittiger Fälle lösen, oft erst in letzter Instanz vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Staat musste dann die Besitzer entschädigen, damit die alteingesessenen Eigentümer wieder zu ihrem nunmehr verbrieften Recht kamen.
"Angesichts nötiger Investitionen fordern die Indígenas gar nicht das ganze Land zurück, auf das sie Anspruch haben. Sie verlangen nur einen Bruchteil, der es ihnen erlaubt, sich als Volk zu entfalten."
Paraguay ist als Investitionsland sehr gefragt. Die Brasilianer kaufen dort gern und billig riesige Ländereien, um den Chinesen noch mehr Soja zu liefern. Die Indios werden vertrieben, denn in der Agro-Industrie gibt es für sie nur selten Arbeit. Auch Deutsche sind dort tätig, sogar als Arbeitgeber.
"Einen Fall moderner Sklaverei… hat die Indio-Gemeinde von Sawhoyamaxa erlebt" – so Julia Caballo. "Der deutsche Inhaber eines Landwirtschaftsbetriebs hat jahrelang die Indígenas nur 1 Mal im Jahr bezahlt und zwar 100.000 Guaranís, das entspricht 20 Dollar."
Sie durften froh sein, dass sie überhaupt bezahlt wurden, denn viele Landarbeiter werden auch heute noch in Paraguay wie Leibeigene gehalten und in Naturalien entlohnt.
Auch deshalb werden die Indios auf der Plaza Uruguaya in Asunción im 4. Monat aushalten und auf eine Antwort der Regierung warten: auf Land für ein menschenwürdiges Leben.