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"Wir haben große Sorge, dass am Ende Kunst kapitalisiert wird"

Die Bremer Weserburg verkauft 53 Bilder, das Altonaer Museum in Hamburg macht dicht – Volker Rodekamp, Präsident des Deutschen Museumsbundes, empfindet das als einen Tabu-Bruch, der "verheerende Signalwirkung haben kann".

Volker Rodekamp im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    Doris Schäfer-Noske: Gleich zwei Tabus bisheriger staatlicher Museumsarbeit sind in den vergangenen Tagen gebrochen worden. Das Altonaer Museum über die Kulturgeschichte Norddeutschlands wird geschlossen und die Bremer Weserburg verkauft 53 ihrer Bilder. Ein öffentliches Museum wird also dichtgemacht, dessen Aufgabe es ist, Kunst für die Nachwelt zu bewahren. Und ein anderes Museum verkauft Kunstwerke, um überhaupt weiter bestehen zu können. Dabei sollten Museen doch eigentlich Werke sammeln und sie damit für die Allgemeinheit dem Markt entziehen.

    Der Internationale Museumsrat hatte sich in seinen Richtlinien strikt gegen den Verkauf von Kunstwerken ausgesprochen. Diese Richtlinien scheinen aber nun, unter den ökonomischen Zwängen der Gegenwart, nicht mehr zu gelten. Bisher gab es solche Verkäufe nur in viel diskutierten Einzelfällen.

    Frage an Volker Rodekamp, den Präsidenten des Deutschen Museumsbundes: Herr Rodekamp, hat denn nun mit diesen Ereignissen der vergangenen Woche der Ausverkauf der Kunst begonnen?

    Volker Rodekamp: Also, das ist vielleicht ein bisschen dramatisch ausgedrückt. Aber es ist natürlich ein Zeichen, das verheerende Signalwirkung haben kann und vielleicht unter den real existierenden Bedingungen der strauchelnden öffentlichen Haushalte auch haben wird. Weil wenn solche Dinge dort passieren, dann wird man in anderen Städten vielleicht zu gleichen Maßnahmen greifen. Und wir haben es immer schwieriger dann, die Kämmerer davon abzuhalten, dass man Kunst nicht veräußern darf und dass man Museen eigentlich nicht schließen darf.

    Schäfer-Noske: Inwieweit waren denn diese Schritte in Hamburg und in Bremen vorhersehbar? In Hamburg wurde ja im Frühjahr schon die Galerie der Gegenwart für einige Monate geschlossen.

    Rodekamp: In Hamburg ist ja in den letzten Jahren schon einiges passiert. Es sind ja einige kulturelle Einrichtungen, auch die Museen, heruntergespart worden, teilweise gab es keine Ankaufsetats mehr, es gab kaum noch Ausstellungsetats. Und in der Tat wurde darüber diskutiert, ob man sich diese Breite und die Vielfalt und auch die Qualität der kulturellen Angebote in Hamburg noch weiter leisten könne. Dies alles hat natürlich am Ende auch etwas zu tun mit einem Paradigmenwechsel. Die klassische alte Kultur scheint bei den jetzigen Entscheidungsträgern nicht mehr die Rolle und die Bedeutung zu genießen. An deren Stelle tritt eine Diskussion über eine Elbphilharmonie mit erheblichen finanziellen Belastungen. All dieses führt am Ende dazu, dass Bauernopfer wohl nötig waren. Und jetzt will man eine große, bedeutende museale Einrichtung schließen und ich habe dafür kein Verständnis, weil ich denke, dass hier ein Schaden entstehen wird, der kaum zu reparieren sein wird.

    Schäfer-Noske: Gleichzeitig wird ja auch gesagt, es gebe eine neue Kulturtaxe, die 7,5 Millionen Euro noch für die Kultur einbringen soll. Da ist es ja noch unverständlicher, warum das Altonaer Museum überhaupt geschlossen werden soll.

    Rodekamp: Diese Kulturtaxe ist vielleicht eine neue Idee, die man vielleicht ausprobieren möchte. Ich persönlich sehe in der Hamburger Kulturpolitik hier einen Aktionismus, den ich so nicht nachvollziehen kann. Wir alle, die in der Kulturarbeit Verantwortung tragen, sind uns darüber bewusst, dass wir reagieren müssen, dass wir aktiv dazu beitragen müssen, dass Kultur finanzierbar bleibt. Aber Kultur an sich ist nicht nur immer eine mit Geld zu bezeichnende Arbeit, sondern wir wollen uns natürlich auch im Sinne des Dienens für die Gesellschaft einsetzen und unsere Angebote sind ganz wichtig im Bereich der kulturellen Tagessituation, auch der kulturellen Integration. Wir wollen uns deutlich machen, dass wir eigentlich unverzichtbar sind, gerade jetzt in einer schwierigen Situation, in der wir in der Gesellschaft hineingeraten sind.

    Schäfer-Noske: Was können denn Sie als Museumsbund tun, damit sich die Politik nicht hier einfach aus der Verantwortung stiehlt?

    Rodekamp: Wir beobachten natürlich die Diskussion sehr genau und versuchen, Einfluss zu nehmen. Ich bin in Hamburg sehr traurig über diese Entwicklung, weil ich der Meinung bin, dass wenn eine so bedeutende Stadt ein Museum schließt, und zwar ein bedeutendes Museum, nicht irgendeines, das niemand kennt, dann hat das natürlich Zeichencharakter, dann hat das Symbolcharakter. Und es wird für uns immer schwieriger, mit guten Argumenten gerade in Städten zu agieren, die noch weniger finanzielle Spielräume haben als die Freie und Hansestadt Hamburg.

    Schäfer-Noske: Zum Fall Bremer Weserburg hat der Künstler Gerhard Richter sein Verständnis geäußert. Es geht ja da auch um ein Bild von ihm, das versteigert werden soll. Und er hat auch gesagt, es gebe zu viele Museen in Deutschland. Ist das nicht Wasser auf den Mühlen der Kulturpolitiker, die sparen wollen?

    Rodekamp: Diese Einschätzung von Gerhard Richter ist zum Teil wahr. Man muss sagen, ja, wir haben in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten eine großartige Entwicklung in der Museumslandschaft gehabt. Es sind sehr große und viele Museen neu gegründet worden. Wir hatten die Blockbuster-Ausstellungen und wir haben heute vielleicht ein zu viel an Museen. Aber wir haben nicht ein zu viel an guten Museen. Wir haben eher ein zu viel an kleineren, relativ unbedeutenden Häusern. Und wir vom Deutschen Museumsbund haben schon seit Jahren dafür plädiert, Wachstum im Sinne des qualitativen Wachstums in der Museumsarbeit zu organisieren. Uns fehlt es in Deutschland ein wenig an den großartigen Häusern, wie wir es in Frankreich oder auch in England oder in Amerika haben. Aber wenn man jetzt dazu übergeht, ich sage mal, die Herzkammer dieses Organismuses zu öffnen und dort Bilder, das heißt die kulturelle Qualität der Sammlung aufs Spiel zu setzen, indem man für Löcher, die man zurzeit im Betrieb stopfen möchte, ich sage mal, die dauerhafte Sammlungsarbeit eines Hauses infrage stellt, dann ist das eigentlich ein Tabubruch. Wir haben große Sorge, dass am Ende Kunst kapitalisiert wird und dass auch diese Entscheidung des Kollegen aus Bremen vielleicht eine Folgewirkung haben wird, die wir noch gar nicht absehen können.

    Schäfer-Noske: Das war Volker Rodekamp, der Präsident des Deutschen Museumsbundes, zu den Folgen der Sparzwänge für die Museen.