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"Wir haben keine Zukunft mehr"

Im Norden des Sudan bleibt der Regen aus. Im Jahresschnitt fallen rund 200 Millimeter Niederschlag. Das Land wird zunehmend unfruchtbarer. Die Menschen bangen um ihre Lebensgrundlagen.

Von Meike Scholz |
    Fatma Bashir steht am Brunnen. Sie beobachtet einige junge Mädchen beim Wasser holen und runzelt mit der Stirn.

    "Die Zukunft sieht schlecht aus. Wovon sollen die Kinder nur leben? Es gibt doch keine Arbeit hier."

    Die alte Frau zeigt um sich. Vor ihr und hinter ihr türmt sich der Sand zu bedrohlich hohen Bergen auf. Es sind Dünen, die wandern. Hier im Sudan. In Nordkordofan – "jeden Tag kommen sie ein Stück näher", erzählt Fatma Bashir.

    "Diese Gegend hier war früher ziemlich dicht bepflanzt. Aber jetzt ist alles weg: Die Bäume, die Sträucher, das Gras…"

    Faisal Hassan nickt. Er arbeitet für die Organisation SOS Sahel und besucht regelmäßig die Dörfer. Das leben hier wird immer schwerer, sagt er.

    " Hier im Norden von Kordofan haben wir pro Jahr einen Niederschlag von nur 200 Millimeter. Manchmal sogar weniger. Die Gegend verändert sich deshalb. Das Land wird immer unfruchtbarer. Die Menschen hier müssen sich eine neue Lebensgrundlage suchen."

    Fati el Nema Isa ist einer der Bauern, die jedes Jahr auf Regen warten. Doch oft tut er das vergebens, sagt er.

    "Das Leben hier ist ziemlich hart. Vor allem wenn es nicht genug regnet, dann geht unsere Ernte kaputt."

    Mehr als 100 Jahre lebt seine Familie hier, sagt Fati. Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie. Dann zeigt er auf sein Dorf.

    Die Wüste liegt jetzt hinter uns. Sehen sie doch, hier gibt es keine Bäume mehr. Hier ist nichts mehr. Einst hat Fati versucht, Geld zu machen: Denn auch das geht in Nordkordofan. Große Konzerne unterhalten große Plantagen: Mit Sesambäumen oder: Gum Arabica.

    "Wir haben auch einmal Gummibäume angepflanzt. Aber dann sind die Preise gefallen. Also haben wir sie abgeholzt und Sesambäume gepflanzt. Aber auch da sind die Preise gefallen. Die Arbeit hat sich nicht mehr gelohnt."

    Fati geht deshalb immer öfter in die nahegelegene Stadt, um nach Arbeit zu suchen, als Tagelöhner. Doch damit hören die Probleme nicht auf, klagt ein alter Mann.

    "Vor allem die jungen Leute verlassen uns. In unserem Dorf leben nur noch Alte und Kinder. Keiner bleibt hier, um uns zu versorgen."

    Rabeh bleibt nicht viel anderes übrig, auf Regen zu warten. Und auf Hilfe. Von der Regierung in Khartum. Das versprechen sie ja immer im Radio, sagt der alte Mann. Bis dahin versucht er halt zu überleben.

    "Wir leiden. Sehr sogar. Aber wir beten auch immer noch zu Gott und hoffen auf seine Hilfe."

    Faisal Hassan wird wütend, wenn er die Menschen so reden hört. Weil viele schon aufgegeben haben, sagt er. Verstehen kann sie der Mitarbeiterbeiter der Organisation SOS Sahel dabei aber gut.

    "Um die Desertifikation zu bekämpfen, braucht man viel Geld und viel technische Unterstützung. Bis jetzt müssen wir aber sagen: Die Reaktion der Regierung ist ziemlich dürftig."

    Und das, obwohl es im Sudan Öl gibt, sagt Faisal. Die Regierung könnte Geld haben – wenn sie mal die vielen Konflikte im Land lösen würde. Mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg im Süden haben schon viel Geld gekostet. Die gewaltsamen Konflikte im Osten und der Krieg in Darfur kosten noch viel Geld. Dabei wäre das nicht nötig, sagt Faisal.

    "90 Prozent dieser Konflikte können darauf zurückgeführt werden, dass die Ressourcen knapp sind. Also versuchen wir jetzt, für mehr Ressourcen zu sorgen und auf der gleichen Seite das Ressourcenmanagement zu verändern, damit die Betroffenen, gemeinsam die knappen Ressourcen verwalten und auch für deren Erhalt sorgen können."

    Auf dem Kamelmarkt in der Stadt. Einige Nomaden sind mit ihren Tieren gekommen, um sie meistbietend zu verkaufen. Said ist einer von ihnen.

    "Früher herrscht im Süden ja Krieg. Wir mussten mit unseren Tieren dorthin wandern. Wir kommen ja von dort und gehen dem Regen nach. Aber im Süden wurde geschossen. Überall war Gewalt. Deshalb tragen wir Waffen."

    Immer noch. Said hat seine Kalaschnikow behalten. Dem Frieden, der jetzt herrschen soll, traut er nicht. Sein Kollege Auadalla stimmt zu. Schließlich gab es immer schon Streit: Wenn seine Kamele auf die Felder der Bauern laufen um dort zu grasen, dann werden die Bauern wütend. Und manche fangen dann an zu schießen, erklärt Auadalla.

    "Hier in Nordkordofan können wir Konflikte selber lösen. Wir setzen uns zusammen und dann diskutieren wir. Im Süden ist das immer noch nicht möglich. Da war Krieg. Der hat das alles kaputt gemacht."

    Auadalla und die anderen treiben ihre Kamele zusammen und gehen weiter. Auf den Wegen, die eigens für sie geschaffen wurden. Eingeebnet und markiert, damit zumindest einige Konflikte verhindert werden können. Doch anderswo herrscht nach wie vor Not.

    Mohammed Hamad steht mit seinen Ziegen vor der Hütte. Auch er ist ein Nomade, aber er wandert nicht mehr. Dafür ist er zu arm.

    "Wir haben nur sehr wenige Tiere. Wir gehen deshalb in den Wald und holzen Bäume ab, um sie als Brennholz zu verkaufen."

    Der Mann weiß, was dann passiert: Der Boden versandet. Und die Brunnen trocknen aus.

    "Es wird immer schlimmer, sagt er. Aber was soll ich anderes tun?"