Und sich damit von öffentlichen Förderungen unabhängiger zu machen. Hintergrund ist der Rückgang der öffentlichen Zuschüsse, der voraussichtlich bis 2020 um 8 bis 10 Prozent sinken werde. Vor allem kleinere und von Gemeinden geförderte Einrichtungen seien in ihrer Existenz bedroht. Claudia Witzemann ist die Leiterin der Kulturstudie bei A.T. Kearney.
Dina Netz: Frau Witzemann, den Kultureinrichtungen werden regelmäßig die Totenglöcklein geläutet. Warum tun Sie das jetzt? Warum spitzt sich die finanzielle Lage Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren so zu?
Claudia Witzemann: Wir sehen, dass die Krise auch die Kassen in Städten, Ländern und Gemeinden geringer gemacht hat. Die sind in Deutschland zu 90 Prozent für die Finanzierung der Kultureinrichtungen verantwortlich. Der Bund zahlt zirka 10 Prozent der Finanzierung. Wenn wir uns jetzt die Zahlen anschauen: Die Kosten werden einfach aufgrund der steigenden Lohnkosten und der steigenden Inflation weiter steigen. Dann kommen die Kultureinrichtungen hier in eine Klemme: sinkende Einnahmen, steigende Kosten.
Die Studie soll alarmieren und die Kulturinstitutionen wachrütteln, dass wir in Zukunft uns viel stärker auf eine weitere Finanzierung stellen, also nicht nur rein diese öffentlichen Mittel, sondern dass wir auch schauen, wo können wir sonst Mittel lukrieren.
Netz: Frau Witzemann, normalerweise ist es ja nicht so unbedingt Aufgabe der Leute, die so eine Studie erstellen, auch die Problemlösung gleich mitzuliefern, aber Sie tun das, ein bisschen zumindest, indem Sie den Einrichtungen vorschlagen, eben andere Einnahmequellen zu erschließen. Geben Sie doch mal ein paar Beispiele.
Witzemann: Wir haben sowohl das Geschäftsfeld mit Unternehmen, also das Sponsoring angeschaut, als auch, was kann man sozusagen vom Kulturkonsumenten an Einnahmen lukrieren. Auch heute sehen wir schon, dass der Konsument zirka 35 Prozent der Gesamtkosten deckt. Das ist ein Segment, das sicher deutlich ausbaubar ist. Wir haben da empfohlen, insbesondere im Shop-Bereich, im Gastronomie-Bereich weiterzugehen, aber auch im Bereich der Veranstaltungen. Internationale Best Practices zeigen, dass man sich selbst finanzieren kann, sozusagen auf eigenen Beinen, innerhalb der Unternehmen oder auch der Konsumenten, mit bis zu 80 oder 90 Prozent. Das wäre sozusagen ein Umkehren des heutigen Denkens, wo man sagt, im Prinzip müssen die großen Kosten von der öffentlichen Hand getätigt werden und nur das kleine, nur die Butter auf dem Brot kann sozusagen von den anderen Segmenten gezahlt werden.
Netz: Was Sie ja unter anderem empfehlen, ist so was wie mehr Sponsoren zu finden, Blockbuster-Ausstellungen zu zeigen. Aber jetzt ist es ja ein bisschen so, dass das, was Sie an Beispielen dort nennen, vor allem für große Häuser mit einer überregionalen Strahlkraft gilt, aber die Häuser, die verschwinden werden, das sind vor allem die kleineren. Kann man denen denn überhaupt mit den gleichen Ratschlägen kommen wie den Häusern, wie zum Beispiel dem Museum of Modern Art? Ist das nicht ein Widerspruch?
Witzemann: Ich glaube, wir können bei den großen Häusern davon ausgehen, dass die leichter Sponsoren finden. Das ist vollkommen richtig. Wenn ich jetzt heute bei der Museumsinsel in Berlin bin, mache ich das vielleicht etwas einfacher als ein kleines Dorfmuseum. Auf der anderen Seite gibt es ja den Konsumenten, der in das Museum kommt, und das sind relativ hohe Zahlen. Da kommen im Jahr Hunderttausende in kleinere Museen, in sehr großen sind das dann bis zu einer Million, die Museumsinsel liegt bei 2,6 Millionen Besuchern. Diese Besucher haben alle Bedürfnisse und wir müssen uns überlegen, wie wir diese Bedürfnisse adressieren können. Zum Beispiel haben wir in Berlin ein Beispiel. Die "Sarah Wiener" ist im Museum für Gegenwart, das ist auch nicht das größte Museum in Berlin, hat aber jetzt eine starke Attraktion dazugewonnen. So etwas kann man sich auch durchaus bei Gemeindemuseen vorstellen, dass man in einer kleinen Gemeinde dann einen sehr attraktiven Shop, ein sehr attraktives Gastronomiekonzept anbietet.
Die dritte Säule, die wir da entwickelt haben, ist das Thema Veranstaltungen. Kleinere Museen müssen aus unserer Sicht in das Thema Veranstaltung, Self-Marketing viel stärker hineingehen.
Netz: Frau Witzemann, jetzt haben wir viel über Museen geredet. Aber was können denn Theater tun? Über deren Schließung wird ja im Moment sogar schon viel häufiger diskutiert als bei Museen. Theater haben keine materiellen Güter zu vermarkten.
Witzemann: Bei Theatern ist es aus unserer Sicht sehr ähnlich. Es ist zwar ein völlig anderes Geschäftsfeld sozusagen, aber wir haben große Besucherströme, die Bedürfnisse haben. Im Moment wird in den Kultureinrichtungen in Deutschland eigentlich das Kulturbedürfnis bedient. Wir haben aber Konsumenten mit multidimensionalen Bedürfnissen, und auch beim Theater ist es so, dass ich eine Gastronomie mir wünsche, zum Beispiel vor der Vorstellung, in der Pause, nach der Vorstellung. Das sehen wir in der Metropolitan Opera, da gibt es einen Starkoch, der den Ablauf eines gesamten Abends und eines Gerichtes auf die Vorstellung abgestimmt hat. Da haben sie jetzt zum Beispiel den Aperitif und die Vorspeise vor der Vorstellung, sie können die Hauptspeise in der Pause essen und danach die Nachspeise zum Beispiel. Auch in Wien gibt es da schon Ansätze, da gibt es ein Opern-Café, wo sie Live-Übertragungen der Opern sehen können und dabei dann auch Gastronomie im Opernsinn haben. Da gibt es einen Nabucco-Salat und so weiter.
Netz: Allgemein, Frau Witzemann, raten Sie ja in Ihrer Studie zu mehr ökonomischem, zu mehr betriebswirtschaftlichem Denken in den Kultureinrichtungen. Das kennen wir auch schon aus den USA sehr gut. Daher stammen ja auch einige Beispiele, die Sie jetzt genannt haben. Führt das nicht aber im Ergebnis zu mehr künstlerischem Mainstream und dazu, dass man weniger Risiken eingeht?
Witzemann: Das muss sich nicht widersprechen. Ich gebe Ihnen recht: Man sollte sozusagen nicht seinen Kulturauftrag des Geldes wegen aufgeben. Aber man kann aus meiner Sicht den Kulturauftrag auch sehr gut ausführen und sogar erweitern, indem man mehr Mittel lukriert. Mit diesen Mitteln ist es dann möglich, zusätzliche Sammlungen anzukaufen, zusätzliche Ausstellungen zu machen und so weiter.
Weitere Informationen:
Die Studie der Managementberatung A.T. Kearney
Dina Netz: Frau Witzemann, den Kultureinrichtungen werden regelmäßig die Totenglöcklein geläutet. Warum tun Sie das jetzt? Warum spitzt sich die finanzielle Lage Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren so zu?
Claudia Witzemann: Wir sehen, dass die Krise auch die Kassen in Städten, Ländern und Gemeinden geringer gemacht hat. Die sind in Deutschland zu 90 Prozent für die Finanzierung der Kultureinrichtungen verantwortlich. Der Bund zahlt zirka 10 Prozent der Finanzierung. Wenn wir uns jetzt die Zahlen anschauen: Die Kosten werden einfach aufgrund der steigenden Lohnkosten und der steigenden Inflation weiter steigen. Dann kommen die Kultureinrichtungen hier in eine Klemme: sinkende Einnahmen, steigende Kosten.
Die Studie soll alarmieren und die Kulturinstitutionen wachrütteln, dass wir in Zukunft uns viel stärker auf eine weitere Finanzierung stellen, also nicht nur rein diese öffentlichen Mittel, sondern dass wir auch schauen, wo können wir sonst Mittel lukrieren.
Netz: Frau Witzemann, normalerweise ist es ja nicht so unbedingt Aufgabe der Leute, die so eine Studie erstellen, auch die Problemlösung gleich mitzuliefern, aber Sie tun das, ein bisschen zumindest, indem Sie den Einrichtungen vorschlagen, eben andere Einnahmequellen zu erschließen. Geben Sie doch mal ein paar Beispiele.
Witzemann: Wir haben sowohl das Geschäftsfeld mit Unternehmen, also das Sponsoring angeschaut, als auch, was kann man sozusagen vom Kulturkonsumenten an Einnahmen lukrieren. Auch heute sehen wir schon, dass der Konsument zirka 35 Prozent der Gesamtkosten deckt. Das ist ein Segment, das sicher deutlich ausbaubar ist. Wir haben da empfohlen, insbesondere im Shop-Bereich, im Gastronomie-Bereich weiterzugehen, aber auch im Bereich der Veranstaltungen. Internationale Best Practices zeigen, dass man sich selbst finanzieren kann, sozusagen auf eigenen Beinen, innerhalb der Unternehmen oder auch der Konsumenten, mit bis zu 80 oder 90 Prozent. Das wäre sozusagen ein Umkehren des heutigen Denkens, wo man sagt, im Prinzip müssen die großen Kosten von der öffentlichen Hand getätigt werden und nur das kleine, nur die Butter auf dem Brot kann sozusagen von den anderen Segmenten gezahlt werden.
Netz: Was Sie ja unter anderem empfehlen, ist so was wie mehr Sponsoren zu finden, Blockbuster-Ausstellungen zu zeigen. Aber jetzt ist es ja ein bisschen so, dass das, was Sie an Beispielen dort nennen, vor allem für große Häuser mit einer überregionalen Strahlkraft gilt, aber die Häuser, die verschwinden werden, das sind vor allem die kleineren. Kann man denen denn überhaupt mit den gleichen Ratschlägen kommen wie den Häusern, wie zum Beispiel dem Museum of Modern Art? Ist das nicht ein Widerspruch?
Witzemann: Ich glaube, wir können bei den großen Häusern davon ausgehen, dass die leichter Sponsoren finden. Das ist vollkommen richtig. Wenn ich jetzt heute bei der Museumsinsel in Berlin bin, mache ich das vielleicht etwas einfacher als ein kleines Dorfmuseum. Auf der anderen Seite gibt es ja den Konsumenten, der in das Museum kommt, und das sind relativ hohe Zahlen. Da kommen im Jahr Hunderttausende in kleinere Museen, in sehr großen sind das dann bis zu einer Million, die Museumsinsel liegt bei 2,6 Millionen Besuchern. Diese Besucher haben alle Bedürfnisse und wir müssen uns überlegen, wie wir diese Bedürfnisse adressieren können. Zum Beispiel haben wir in Berlin ein Beispiel. Die "Sarah Wiener" ist im Museum für Gegenwart, das ist auch nicht das größte Museum in Berlin, hat aber jetzt eine starke Attraktion dazugewonnen. So etwas kann man sich auch durchaus bei Gemeindemuseen vorstellen, dass man in einer kleinen Gemeinde dann einen sehr attraktiven Shop, ein sehr attraktives Gastronomiekonzept anbietet.
Die dritte Säule, die wir da entwickelt haben, ist das Thema Veranstaltungen. Kleinere Museen müssen aus unserer Sicht in das Thema Veranstaltung, Self-Marketing viel stärker hineingehen.
Netz: Frau Witzemann, jetzt haben wir viel über Museen geredet. Aber was können denn Theater tun? Über deren Schließung wird ja im Moment sogar schon viel häufiger diskutiert als bei Museen. Theater haben keine materiellen Güter zu vermarkten.
Witzemann: Bei Theatern ist es aus unserer Sicht sehr ähnlich. Es ist zwar ein völlig anderes Geschäftsfeld sozusagen, aber wir haben große Besucherströme, die Bedürfnisse haben. Im Moment wird in den Kultureinrichtungen in Deutschland eigentlich das Kulturbedürfnis bedient. Wir haben aber Konsumenten mit multidimensionalen Bedürfnissen, und auch beim Theater ist es so, dass ich eine Gastronomie mir wünsche, zum Beispiel vor der Vorstellung, in der Pause, nach der Vorstellung. Das sehen wir in der Metropolitan Opera, da gibt es einen Starkoch, der den Ablauf eines gesamten Abends und eines Gerichtes auf die Vorstellung abgestimmt hat. Da haben sie jetzt zum Beispiel den Aperitif und die Vorspeise vor der Vorstellung, sie können die Hauptspeise in der Pause essen und danach die Nachspeise zum Beispiel. Auch in Wien gibt es da schon Ansätze, da gibt es ein Opern-Café, wo sie Live-Übertragungen der Opern sehen können und dabei dann auch Gastronomie im Opernsinn haben. Da gibt es einen Nabucco-Salat und so weiter.
Netz: Allgemein, Frau Witzemann, raten Sie ja in Ihrer Studie zu mehr ökonomischem, zu mehr betriebswirtschaftlichem Denken in den Kultureinrichtungen. Das kennen wir auch schon aus den USA sehr gut. Daher stammen ja auch einige Beispiele, die Sie jetzt genannt haben. Führt das nicht aber im Ergebnis zu mehr künstlerischem Mainstream und dazu, dass man weniger Risiken eingeht?
Witzemann: Das muss sich nicht widersprechen. Ich gebe Ihnen recht: Man sollte sozusagen nicht seinen Kulturauftrag des Geldes wegen aufgeben. Aber man kann aus meiner Sicht den Kulturauftrag auch sehr gut ausführen und sogar erweitern, indem man mehr Mittel lukriert. Mit diesen Mitteln ist es dann möglich, zusätzliche Sammlungen anzukaufen, zusätzliche Ausstellungen zu machen und so weiter.
Weitere Informationen:
Die Studie der Managementberatung A.T. Kearney