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"Wir können nicht die Ökumene des Islam organisieren"

Der Intendant des Deutschlandradio, Ernst Elitz, hat sich gegen ein islamisches "Wort zum Freitag" im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen. Bei den christlichen Verkündigungssendungen entsendeten die Kirchen von ihnen ausgewählte Sprecher. Das könnte der Islamrat angesichts der Zersplitterung im Islam nicht leisten. Deutschlandradio sehe seine Aufgabe eher darin, über alle Religionen objektiv zu berichten, fügte Elitz hinzu.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Heute sendet der SWR-Hörfunk zum ersten Mal das "Wort zum Freitag". Es soll dann auch im Internet veröffentlicht werden. Das ZDF will ebenfalls über Internet eine Ansprache an die Muslime in Deutschland publizieren, später dieses "Wort zum Freitag" vielleicht sogar im Fernsehen ausstrahlen. Das Vorhaben ist ein Streitthema innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Debatte wird vermutlich heute erneut belebt werden. Auch der Intendant des Deutschlandradio, Professor Ernst Elitz, hat sich zu dieser Frage geäußert, und zwar eher kritisch. Er ist nun zu uns ins Studio gekommen. Guten Morgen Herr Elitz.

    Ernst Elitz: Guten Morgen Herr Liminski!

    Liminski: Herr Elitz, Sie haben ein "Wort zum Freitag" für das Deutschlandradio ausgeschlossen. Warum? Es gibt doch ein tägliches Wort der christlichen Kirchen morgens, die Morgenandacht. Wir haben es vor eineinhalb Stunden gehört. Und es gibt Sendezeiten für die Hörer jüdischen Glaubens.

    Elitz: Ich glaube, dass in unserem Kulturkreis, die mit dem Christentum und mit dem Judentum aufgewachsen sind, auch diesen Religionsgemeinschaften bei der Information und Verkündigung eine Vorrangstellung zukommt, und das nicht nur aus religiösen Motiven. Das Christentum ist ja das entscheidende Fundament der europäischen Kultur und vom Christentum und vom Judentum leiten sich unsere Werte ab. Wer das Alte und das Neue Testament und die vom christlichen Glauben geprägte Geschichte unseres Kontinents nicht kennt, für den bleiben prägende Zeugnisse der europäischen Literatur, der Kunst, der Musik, der Malerei weitgehend unverständlich. Wer nicht weiß, was die "Passion Christi" ist, wer die Schöpfungsgeschichte nicht kennt, nicht die Geschichten, die Propheten des Alten Testamentes, Jesu Geburt, Auferstehung, selbst die Heiligengeschichten - man mag davon halten was man will -, für den bleiben eben Kunstwerke des Mittelalters, der Renaissance bis hin zu Goethes "Faust" weitgehend unverständlich. Es geht hier aber auch um die islamische Predigt. Bei den Verkündigungssendungen, die Sie erwähnt haben, der evangelischen und der katholischen Kirche, da entsenden die Kirchen von ihnen ausgewählte Sprecher. Das könnte der Islam-Rat, der ja nicht die Funktion einer kirchlichen Körperschaft hat, in diesem Sinne nicht tun und ich möchte nicht, dass Redakteure des Deutschlandfunks angesichts der Zersplitterung im Islam jetzt als oberste Glaubensbehörde dann die Predigtberechtigten auswählen und sich damit dann vielleicht noch in den Verdacht bringen, die eine Richtung des Islam, möglicherweise eine staatstreue, wie ihnen dann vorgeworfen wird, zu fördern und sie anderen gegenüber zu bevorzugen. Wir können nicht die Ökumene des Islam organisieren.

    Liminski: Hier vermengen sich kulturelle, staatspolitische und religiöse Fragen. Huntington hat geschrieben, dass Kulturen sich vorwiegend über Religionen definieren. Gehört es aber nicht zu unserem kulturellen Selbstverständnis, dass wir offen sind für andere Formen von Kultur, mithin auch von Religionen?

    Elitz: Offen sind wir und offen sind wir in unserem Programm. Offen müssen die Medien sein. Wir haben für das Deutschlandradio sogar eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben, dass wir uns intensiv mit den Weltanschauungen der Geschichte, der unterschiedlichen Religionen beschäftigen und sich ihnen widmen, und dass wir auch angesichts der aktuellen Situation ein besonderes Schwergewicht auf die Vermittlung von Kenntnissen über den Islam legen. Das machen wir in Dokumentationen, in Reportagen. Das machen wir in unserer täglichen Sendung "Das war der Tag", "Aus Religion und Gesellschaft". Auf vielen Programmflächen machen wir das. Wir berichten über Religionen, führen Interviews, machen Reportagen und Kommentare, aber eben nicht mit vom Islam benannten Vertretern. Es kommen auch deren Repräsentanten des Islam-Rats vor, aber natürlich auch Menschen aus diesem Kulturkreis, die sich vielleicht gar nicht als religiös empfinden. Auch das gehört dazu.

    Liminski: Welche Voraussetzungen müssten denn gegeben sein, dass der Deutschlandfunk oder das Deutschlandradio auch ein "Wort zum Freitag" sendet?

    Elitz: Es müssten von der islamischen Seite Prediger und Sprecher sein, die vergleichbar der Sprecher der katholischen und der evangelischen Kirche an Hochschulen ausgebildet sind, die staatlich anerkannt sind, die an Fakultäten von Universitäten ihre Abschlüsse gemacht haben. Es müsste deutlich sein, dass sie sich mit den Werten unserer Gesellschaft identifizieren: Gleichberechtigung von Mann und Frau, Toleranz unterschiedlicher Religionen, klare Gewaltablehnung. Und dann bräuchte es natürlich eine Institution, die ebenfalls staatlich und gesellschaftlich anerkannt ist und die diese Prediger auswählt. Das müsste die Voraussetzung sein und diese Voraussetzungen sind für ein tägliches Wort des Islam in meinen Augen noch nicht erfüllt.

    Liminski: Man könne nicht zum Organisator einer islamischen Ökumene werden, sagen Sie. Aber kann man mit so einer Sendung nicht zur Integration beitragen?

    Elitz: Zur Integration kann man vor allen Dingen beitragen, indem man informiert. Da hilft auch nicht irgendein Wort der Woche, wie es ja auch mal vorgeschlagen worden ist, wo heute der Herr Jesus und morgen der Prophet Mohammed und übermorgen Siddhartha der Erleuchtete das Wort ergreifen. Das wäre dann eher so ein multikulturelles oder multireligiöses Kaffeekränzchen. Nötig ist vor allen Dingen Information über unterschiedliche Gottesbilder, über die historische Bedingtheit religiöser Offenbarungen und ihrer Schriften, über die Einflüsse unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse auf die Kultur und auch auf die Gegensätze, auch die Konflikte, die es dort gegeben hat. Um das zu erfahren, braucht man sachkundige Autoren und Redakteure. Die glaube ich haben wir und mit solchen Redakteuren und Autoren kann man solche Themen behandeln und das ist auch für deutsche Moslems von Gewinn.

    Liminski: Der Islam-Wissenschaftler Hans-Peter Raddatz hat an dieser Stelle vor ein paar Wochen zwar das Signal zur Integration begrüßt, aber auch vor einer Illusion gewarnt, denn das Bekenntnis der Muslime zum demokratischen Rechtsstaat liege nicht verbindlich vor, sagt er. Halten Sie es für klüger, erst mal diese grundsätzliche Frage zu klären, oder sehen Sie andere Möglichkeiten, wie man das Thema Islam im Rundfunk verorten könnte?

    Elitz: Für mich ist es die Information, zu informieren, und es muss mit Hilfe der Medien eine öffentliche Debatte entstehen über den Islam, sein Verhältnis zu anderen Religionen, seine kulturellen Kräfte. Darum bemühen wir uns im Programm. Bloß wir berichten natürlich auch über die Situation von Christen in islamisch geprägten Ländern. Auch das gehört dazu, wenn man über den Islam und das Verhältnis der Religionen untereinander sprechen will. Der Mord an den Mitarbeitern des Christlichen Verlages in der Türkei hat mich noch mal daran erinnert, dass wir neulich bei uns im Programm eine Serie über Christen unterm Halbmond hatten. In deren Mittelpunkt stand die häufig prekäre Situation von Christen in islamisch geprägten Ländern. Auch das gehört zu dieser Debatte dazu. Da darf man keine Harmoniesoße verbreiten, sondern da muss alles offen benannt werden, auch Unterschiede, aber ein Hinarbeiten auf Toleranz durch Kenntnisse. Nur dann kann man sich gegenseitig verstehen. Sonst kann Integration nicht funktionieren und das ist eine entscheidende publizistische Aufgabe der Medien.