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"Wir lassen die Hochschulen nicht im Stich"

Durch das Aussetzen der Wehrpflicht und doppelte Abiturjahrgänge wird in Zukunft mit wesentlich mehr Studierenden gerechnet. Der Bund trage weiterhin die Hälfte der Kosten pro Studienplatz, sagt Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU).

Anette Schavan im Gespräch mit Regina Brinkmann | 25.01.2011
    Regina Brinkmann: Packen es die Hochschulen langfristig, mehr Studierende aufzunehmen? Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht und durch die doppelten Abiturjahrgänge wird bereits in diesem Jahr die Nachfrage nach Studienplätzen womöglich rasant steigen. Um all das zu verkraften, reiche der bisherige Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern finanziell überhaupt nicht aus, meinen Gewerkschafts- und Hochschulvertreter. Wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihnen entgegenkommen will, werden wir gleich im Gespräch mit ihr erfahren, vorab fasst Jürgen König die Forderungen an eine Erweiterung des Hochschulpaktes zusammen .

    Mehr Studierende, mehr Geld – so sieht, kurz zusammengefasst, der Forderungskatalog aus. Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat sich heute in Berlin zum Hochschulpakt geäußert und auch bilanziert, wie es Bund und Ländern bislang gelungen ist, mehr Studienplätze zur Verfügung zu stellen. Und ich habe die Ministerin vor dieser Sendung gefragt: Womit können die Hochschulen und die Studierenden denn künftig rechnen?

    Annette Schavan: Wir haben ja zunächst in der Bilanz des Hochschulpaktes für die vergangenen vier Jahre festgestellt, dass wir 90.000 Studienplätze mehr geplant hatten, es tatsächlich aber 182.000 sind. Es studieren so viele wie nie zuvor. Und schon dieser Zuwachs ist ja vom Bund hälftig finanziert worden, wir haben nachgelegt. Und so wird das auch in den nächsten Jahren sein. Unsere Prognosen sind immer das eine, aber es gibt eine wachsende Neigung zum Studium – das ist in der Tat, im Blick auf unsere Fachkräftediskussion, eine positive Entwicklung.

    Und deshalb haben wir für die nächsten Jahre – 2011 bis 2015 – ein Plus von jetzt schon 275.000 Studienplätzen geplant. Dazu zählen zum Beispiel auch die Plätze, die notwendig sind wegen des doppelten Abiturjahrgangs in einigen Ländern. Und Bund und Länder haben sich im Dezember bei der Bundeskanzlerin geeinigt, dass wenn nun die Wehrpflicht ausgesetzt und mehr junge Leute früher ihr Studium beginnen, wir dann bereit sind, auch über diese Zahl hinauszugehen. Es wird weiterhin hälftig von Bund und Ländern bezahlt.

    Brinkmann: Wie konkret wollen Sie über diese Zahl hinausgehen?

    Schavan: Bedarfsgerecht. Ich hätte 2006 auch nicht ahnen können, dass wir auf eine Verdoppelung kommen, und so kann ich jetzt ja nur Anhaltspunkte sagen. Wir wissen, dass es mehr Studierende geben wird, früher, durch diese Aussetzung der Wehrpflicht. Ob das die bis zu 60.000 sein werden, wissen wir aber faktisch nicht, das ist alles Kaffeesatzleserei. Wir wissen nicht, wie viele unmittelbar nach dem Studium ihr Studium beginnen, wir wissen nicht, wie viele zur Bundeswehr freiwillig gehen oder einen der anderen freiwilligen Dienste machen, und es kann auch noch niemand genau sagen, wie wir von jetzt 46 Prozent eine Weiterentwicklung erleben werden – vielleicht wird das noch mehr. Also entscheidend ist ...

    Brinkmann: Ja, ich höre da raus so eine ganz große Zurückhaltung, dass Sie, ja, den Hochschulen noch ein bisschen mehr Geld zur Verfügung stellen wollen durch diesen Hochschulpakt, auch jetzt im Zuge der Wehrreform.

    Schavan: Keine Zurückhaltung, sehr offensiv und auch nicht ein bisschen Geld, sondern viel Geld.

    Brinkmann: Aber werden Sie doch mal konkreter, Frau Schavan!

    Schavan: Wir zahlen pro Studienplatz pro Jahr 13.000 Euro, das heißt, wir rechnen im Schnitt 26.000 Euro pro Jahr, und da kommt man schnell auf die Milliarde, das ist gar kein Problem. Der Hochschulpakt umfasst ja viele Milliarden, und 2015 wird wieder die nächste Vereinbarung bis 2020 getroffen. Wir lassen die Hochschulen nicht im Stich ...

    Brinkmann: Aber Sie nennen jetzt auch keine konkreten Zahlen und Zusagen, wenn ich das jetzt richtig verstehe und zusammenfassen kann.

    Schavan: Doch, ich sage ganz konkret, wir bleiben bei der Finanzierung von 26.000 Euro pro Jahr pro Studienplatz, hälftig zwischen Bund und Ländern.

    Brinkmann: Aber berechnet auf eine Prognose von 275.000 zusätzlichen Studienanfängern in den nächsten fünf Jahren?

    Schavan: Das ist die Prognose – so wie wir aber auch von 90- auf 180.000 gegangen sind, sind wir auch bereit, von 275.000 auf 350.000 zu gehen, so wie es sich dann tatsächlich ergeben wird.

    Brinkmann: Mehr Studierende heißt ja auch, die Hochschulen brauchen mehr Lehrpersonal, laut einer aktuellen Studie allein 16.000 Professoren. Wie wollen Sie diese Lücke schließen?

    Schavan: Wenn wir Studienplätze finanzieren, heißt das ja faktisch Geld für Personal, das ist die Hauptinvestition. Wir haben in den letzten Jahren Gott sei Dank eine leichte Verbesserung. Wir haben allein 4000 Professorenstellen, die durch die Exzellenzinitiative geschaffen wurden. Ein ganz wichtiges Thema dabei sind gute Berufsperspektiven für unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, also nicht nur zeitlich befristete Stellen, sondern Perspektive auf eine wirkliche Berufslaufbahn.

    Brinkmann: Ein weiteres Problem ist ja die Vergabe der Studienplätze, die ja mit dem zentralen Portal hochschulstart.de bald in vernünftige Bahnen gelenkt werden soll, allerdings scheint hinter den Kulissen die Finanzierungsfrage noch gar nicht geklärt zu sein. Droht den Studierenden denn also am Ende doch wieder das Bewerbungschaos im kommenden Wintersemester?

    Schavan: Nein, wir sind technisch genau im Zeitplan, sodass das neue Verfahren zum Wintersemester in Gang kommt ...

    Brinkmann: Und finanziell?

    Schavan: ... und die Länder haben uns zugesagt, in einem Vertrag mit dem Bund, dass es finanziert wird. Und in Wirklichkeit bedeutet das nicht mehr Investitionen, bislang sind zehn Millionen jährlich seitens der Länder investiert worden, auch für die ZVS und die Vergabeverfahren bei den NC-Fächern. Wir reden jetzt von fünf Millionen, das heißt, in Wirklichkeit ist das nicht mehr, sondern weniger, und deshalb bin ich sehr zuversichtlich und werde auch den Ländern noch einmal schreiben, dass klar ist, dass dieser Vertrag eingehalten wird.

    Brinkmann: Bundesbildungsministerin Annette Schavan im Interview mit "Campus & Karriere".