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"Wir lassen uns hier nicht wegjagen"

Spremberg ist eine kleine Stadt mit einem großen Problem: Gewaltbereite Neonazis haben sich in der Region festgesetzt. Die örtliche Tageszeitung, die "Lausitzer Rundschau", geht offensiv mit dem Thema um. Dafür wurde die Tageszeitung nun mit dem Leuchtturmpreis und dem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet.

Von Jens Falkowski | 01.12.2012
    In einer kleinen Passage direkt am Markt liegt ein typisches Lokalzeitungsbüro mit zwei festen Redakteuren. Hier im kleinen beschaulichen Städtchen Spremberg arbeitet René Wappler für die "Lausitzer Rundschau". Doch Ende April, Anfang Mai war es mit der Ruhe vorbei. Erstmals wurde das Büro einer Tageszeitung von Rechtsextremen angegriffen. Zwei Nächte lang: Erst wurden Plakate an die Schaufenster geklebt und der Satz "Lügenpresse halt die Fresse" an die Scheibe geschmiert. Dann wurde der Eingang des Büros mit Innereien eines Schweins verunstaltet. Trotzdem erzählt René Wappler erstaunlich abgeklärt, wie er davon erfahren hat.

    "Ich habe es selbst nicht gesehen. Als ich wieder herkam, waren die Spuren bereits entfernt. Allerdings als ich es erfahren habe per Telefon, war ich doch erst einmal für einen Moment schockiert."

    René Wappler geht sehr pragmatisch mit den Vorfällen um und lässt sich nicht davon abhalten weiter über die rechtsextreme Szene zu berichten. Unterstützung dabei bekommt er von der Hauptredaktion in Cottbus. Sollte ein Redakteur vor Ort mit rechtsextremen Themen in Berührung kommen schaltet sich Chefreporterin Simone Wendler ein. Sie liefert dann Hintergrundinformationen und ordnet die Lage vor Ort ein. Für sie kam der Angriff überraschend, denn die "Lausitzer Rundschau" hatte schon häufig und ausführlich über die rechtsextreme Szene berichtet.

    "Vielleicht hängt das mit einem Generationenumbruch hier in der lokalen Szene zusammen oder damit, dass wie ich glaube, man momentan eine Tendenz feststellen kann, dass an vielen Stellen die Neonaziszene, Rechtsextremistenszene aggressiver und selbstbewusster wieder in der Öffentlichkeit auftritt."

    Durch die Zusammenarbeit mit Simone Wendler fühlt sich René Wappler als Lokalredakteur gut in Gesamtredaktion eingebunden. Deshalb war für ihn nach dem Überfall klar war: Einen Abstrich bei den Artikeln wird es nicht geben.

    "Wir haben uns da nicht zurückgehalten. Wir haben einfach weiter berichtet wie vorher, zum Beispiel dann wenige Tage später über eine Attacke von Rechtsradikalen im Internet auf SPD Politiker in der Region."

    Dabei behandelt René Wappler den Rechtsextremismus genauso wie jedes andere Thema. Denn die Arbeit in der Redaktion ist bestimmt von ganz gewöhnlichen Lokalthemen, wie der Streit um Parkgebühren, den neuen Bahnhofvorplatz oder dem nahen Industriepark als Jobmotor. Trotzdem hat er besonderen Respekt vor der Rechtsextremen Szene.

    "Ich halte sie natürlich für gefährlich, denn wenn sowohl Kommunalpolitiker attackiert werden als auch Jugendliche, die einfach nur einen Club besuchen. Wenn wir jetzt noch den aktuellen Fall aus Hoyerswerda betrachten, in dem ein Paar die Stadt verlassen muss, weil ihnen vermutlich niemand den notwendigen Schutz bieten kann. Ich glaube diese Beispiele sprechen für sich."

    Die Stadt Spremberg gehört zu den wenigen, die ihr Problem mit Rechtsextremen offensiv angehen. Dabei ist für Bürgermeister Klaus-Peter Schulze die Arbeit der Lokalredaktion wichtig.

    "Ich bin der 'Lausitzer Rundschau' dankbar, dass sie dieses Thema immer wieder aufgreift. Man kann das ganz einfach nicht unter den Tisch kehren. Wenn es die Medien nicht machen würden, wäre es aus meiner Sicht eine Fehler. Deshalb waren wir sehr erschüttert, was hier im April, Anfang Mai passiert ist. Aber dadurch, dass die 'Lausitzer Rundschau' selbst aktiv weitergemacht hat, zeigt es doch dass diese Einschüchterungsversuche keine Wirkung gezeigt haben – Gott sei dank – nicht gezeigt haben."

    Auch die Chefredaktion in Cottbus bietet den Redakteuren Unterstützung an. So wäre es kein Problem einen Mietwagen zu stellen, damit der Redakteur unerkannt bleibt und keinen Schaden am eigenen Auto hat. Chefredakteur Johannes Fischer will seine Redakteure keiner Gefahr aussetzen.

    "Ich hätte dafür Verständnis wenn einer sagt, ich muss jetzt mal in eine andere Redaktion. Das lässt sich auch machen. Bisher kam niemand. Wir sind also sehr intensiv im Gespräch: Sie wollen es nicht. Sie sagen wir hauen hier nicht einfach ab, das ist unser Thema. Wir lassen uns hier nicht wegjagen. Das ist sicherlich eine sehr gute Einstellung."