Archiv


"Wir müssen nach vorne gucken"

Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Carstensen blickt trotz der Stimmzettel-Manipulationen bei der inzwischen abgebrochenen Kandidatenkür in seiner Partei weiter optimistisch auf die Bürgerschaftswahl im nächsten Jahr. "Wir haben eine ganze Reihe von herausragenden Persönlichkeiten", sagte Carstensen. Diese wären alle bessere Bürgermeister als der jetzige CDU-Amtsinhaber Ole von Beust.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Mitgliederbefragung in der Hamburger SPD über die Frage, wer die Partei als Spitzenkandidat in die Bürgerschaftswahl 2008 führen soll, die sollte eigentlich Ruhe in die zerstrittene Partei bringen. Doch das Gegenteil war der Fall. Um die 1000 Briefwahlstimmen gingen auf ungeklärten Wegen verloren. Die Abstimmung musste abgebrochen werden. Nun wurde fast die ganze Nacht hindurch über Konsequenzen beraten, und Parteichef Petersen sagte anschließend:

    "Der Landesvorstand übernimmt die politische Verantwortung und tritt geschlossen zurück. Der Landesparteitag wird für den 24.3.2007 einberufen mit dem Tagesordnungspunkt 'Nominierung eines Bürgermeisterkandidaten/kandidatin und Wahl eines Landesvorstandes'" ( Beitrag zum Nachhören, MP3 )

    Zugeschaltet ist uns nun Christian Carstensen. Er ist seit 1989 Mitglied der Hamburger SPD und Bundestagsabgeordneter seiner Partei. Guten Tag, Herr Carstensen!

    Christian Carstensen: Guten Tag!

    Engels: Haben Sie denn eine Erklärung, was da mit Ihrer Hamburger SPD los ist?

    Carstensen: Na ja, wir haben zwei Kandidaten gehabt für die Bürgermeisterkandidatur. Das ist nichts Ungewöhnliches. Das ist ein demokratischer Vorgang, der in allen Parteien so üblich ist. Wir wollten das mit einer Mitgliederbefragung klären. Auch das war eine vernünftige Entscheidung. Jetzt hat es einen unglaublich kriminellen und, man muss ja auch sagen, demokratiefeindlichen Vorgang gegeben, dass 1000 Stimmen entwendet wurden. Auch wenn die beiden Kandidaten das natürlich persönlich nicht zu verantworten haben, hat das die Grundlage entzogen für eine Kandidatur. Insofern mussten wir gestern den Weg freimachen für etwas Neues.

    Engels: Nun soll auf einem Landesparteitag Ende März ein Neuanfang versucht werden, aber müssen nicht erst die Vorgänge um diese verschwundenen Wahlzettel aufgeklärt werden, bevor man überhaupt an so etwas denken kann?

    Carstensen: Nein. Ich glaube, wir haben eine andere Verantwortung. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben ein Anrecht darauf, dass ihre Stadt vernünftig regiert wird, vernünftiger als jetzt. Und wir als SPD tragen die Verantwortung dafür, dass wir ein entsprechendes Angebot herstellen, das dann auch dafür sorgt, dass es eine neue Regierung in der Stadt gibt. Jetzt durch den Rücktritt auch des Landesvorstandes ist es klar: Wir müssen nach vorne gucken und dafür sorgen, dass dieses Angebot den Hamburgerinnen und Hamburgern auch gemacht wird.

    Engels: Und wer soll nun als neuer SPD-Spitzenkandidat aufgebaut werden?

    Carstensen: Das werden jetzt die drei Landesvorsitzenden und die sieben Kreisvorsitzenden gemeinsam entscheiden.

    Engels: Die waren sich doch vorher auch nicht immer so einig.

    Carstensen: Gut, aber das ist ja ein Ergebnis der gestrigen Sitzung, dass diese zehn Menschen gesagt haben, doch, wir einigen uns, wir werden uns auf einen Kandidaten einigen und werden den vorschlagen. Das ist jetzt natürlich die Aufgabe dieser zehn Personen, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass die das schaffen werden.

    Engels: Haben Sie denn schon einen Favoriten?

    Carstensen: Nein. Die Hamburger SPD ist eine große, auch regierungserfahrene Partei in der Stadt. Und wir haben eine ganze Reihe von herausragenden Persönlichkeiten. Zum Teil werden sie schon in der Öffentlichkeit genannt, zum Teil noch nicht. Ich glaube, dass sich daraus sicherlich jemand finden wird. Alle haben eines gemeinsam: Die sind mit Sicherheit bessere Kandidaten und wären bessere Bürgermeister als der jetzige.

    Engels: Nun hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der SPD, Olaf Scholz, der ja auch immer genannt wurde, schon abgewinkt. Wie steht es dann um die anderen Namen Steinbrück, Voscherau?

    Carstensen: Das wird man dann sehen müssen. Da muss man mit allen Kandidatinnen und Kandidaten, es gibt ja eine ganze Reihe von möglichen Sozialdemokraten, sprechen. Daraus wird sich dann etwas herauskristallisieren. Das ist aber die Aufgabe der nächsten Tage. Das kann man jetzt nicht ad hoc wenige Stunden nach Ende der Landesvorstandssitzung beantworten.

    Engels: Der Parteichef der Hamburger SPD, der frühere Parteichef muss man jetzt sagen, Petersen hatte ja offenbar deutlich geführt, bevor die Mitgliederbefragung abgebrochen wurde. Ist es denkbar, dass er doch noch einmal zum Spitzenkandidaten aufgebaut werden wird?

    Carstensen: Aus meiner Sicht ganz deutlich nein, denn es hat eine Auszählung gegeben und dabei das Ergebnis, dass massiv es kriminelle Manipulationen gab. 1000 Stimmzettel fehlen. Daraufhin ist die Auszählung gestoppt worden. Es gibt also kein ordentliches festgestelltes Endergebnis, das nun Grundlage sein könnte, und deswegen, auch das haben wir ja gestern diskutiert, ist diese Diskussion nun auch beendet. Es gibt da keine Grundlage. Beide bisherigen Kandidatinnen und Kandidaten können aus meiner Sicht nicht mehr antreten.

    Engels: Die SPD in Hamburg hat, das ist unbestritten, große Probleme. Jetzt hat man nur noch einen Monat Zeit bis zu diesem neuen Landesparteitag. Da soll man sich dann einigen. Setzen Sie sich da nicht unnötig unter Druck, denn die Bürgerschaftswahl ist ja erst 2008?

    Carstensen: Na ja, was heißt erst 2008. Sie ist 2008, und die Menschen in unserer Stadt haben schon einen Anspruch, dass wir jetzt möglichst rasch ihnen auch sagen, was unser Angebot ist, damit sie das dann auch vergleichen können mit dem aus meiner Sicht vor der Abwahl stehenden CDU-Senat. Er hätte es verdient.

    Engels: Christian Carstensen, nach wie vor optimistisches Mitglied der Hamburger SPD. Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch.

    Carstensen: Ich danke Ihnen.