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"Wir müssen sicher umdenken in der Art, Politik zu machen"

CSU-Fraktionschef Georg Schmid hat sich mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungenmit der FDP zufrieden gezeigt. Trotz einiger Kompromisse sei es beiden Seiten gelungen, das jeweilige Regierungsprogramm einzubringen. Nun werde man mit der Wahl Horst Seehofers einen Neuanfang starten.

Georg Schmid im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Was wir da in Bayern, in München erleben, das ist eine Zeitenwende. Seit 46 Jahren zum ersten Mal muss die CSU in eine Koalition und sie steht inzwischen, die schwarz-gelbe Koalition ist fertig. Und das alles allerdings vor dem Hintergrund von kritischen Diskussionen bis in die letzten Stunden hinein, um die Bayerische Landesbank. Und das wiederum beschert der CSU wenig Freude. Über all das wollen wir reden und dazu begrüße ich am Telefon jetzt den Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag Georg Schmid. Guten Morgen, Herr Schmid.

    Georg Schmid: Einen schönen guten Morgen!

    Zurheide: Zunächst einmal, viele, die gestern die Koalitionsgespräche und die Gespräche am Rande um die Bayerische Landesbank beobachtet haben, die sagen, Horst Seehofer startet mit einer Niederlage in seine neuen Ämter. Sie werden das vermutlich bestreiten. Warum?

    Schmid: Nein, ich glaube, dass wir zunächst insgesamt gute Gespräche hatten in den letzten Tagen, das natürlich auch überlagert war von der Diskussion um Landesbank, ist richtig. Aber auch da gilt es, damit einen Neuanfang zu machen, einen neuen Start. Am kommenden Montag wählen wir Horst Seehofer zum Ministerpräsidenten und dann wollen wir das versuchen zu realisieren, was wir im Koalitionsvertrag mit der FDP niedergelegt haben.

    Zurheide: Da kommen wir gleich noch mal drauf. Aber lassen wir uns im Moment bei der Landesbank bleiben. Da werden sechs Milliarden versenkt und am Ende gibt es eine Entschuldigung. Reicht das wirklich aus? Denn draußen im Lande werden viele doch vermutlich den Kopf schütteln und auch innerhalb der eigenen Partei gibt es Grummeln. Nehmen Sie das wahr?

    Schmid: Ja, wenn es so wäre, hätten Sie natürlich recht. Es gab eine Verstimmung, weil am vergangenen Samstag der Vorstand und Herr Naser berichtet haben über die Situation. Und da haben wir gespürt, dass diese Information nicht umfassend war, dass sie nicht vollständig war, dass wir zusätzliche Hintergründe gebraucht hätten. Und da gab es eine sehr, sehr große Verstimmung unter den Teilnehmern, nicht nur bei der CSU, sondern auch bei der FDP, es war in einer Koalitionsrunde gewesen. Und das ist jetzt gestern wieder bereinigt worden. Der Kollege Naser hat sich entschuldigt und darum ist es gestern eigentlich auch gegangen, weniger um die Gesamtfrage der Situation bei der Bank.

    Zurheide: Aber auch mal konkret an Sie die Frage: Eine Entschuldigung reicht da?

    Schmid: Für diese Situation, die am vergangenen Samstag entstanden ist, ja. Natürlich nicht für die Gesamtsituation, dass die Bank in einer Schieflage ist, dass sich die Frage stellt, wie geht es weiter, dass es notwendig war, als erste Bank in Deutschland unter den Schirm zu gehen. Das sind natürlich schon viel tiefgreifendere Dinge, natürlich, selbstverständlich.

    Zurheide: Da hat nun der bisherige Finanzminister Huber die Verantwortung übernommen, er wird dem neuen Kabinett nicht angehören. Da hat man das Gefühl, die FDP hat Druck gemacht. Brauchten Sie den Druck der FDP, um ihn da aus dem Verkehr zu ziehen? Warum hat die CSU das nicht selbst gemacht?

    Schmid: Nein, ganz im Gegenteil. Erwin Huber ist kein persönlicher Vorwurf zu machen. Aber er ist eben Vorsitzender des Aufsichtsrates gewesen in den letzten Monaten, seit knapp einem Jahr, und er hat dafür die politische Verantwortung übernommen. Und dafür habe ich großen Respekt.

    Zurheide: Jetzt kommen wir mal dazu, was die CSU demnächst anders machen will. Das Wahlergebnis ist ja nicht so, dass Sie da ganz fröhlich mit umgehen können. 43 Prozent, das ist für Sie wenig. Anderswo in der Republik wäre das immer noch viel. Was wollen Sie anders machen, um demnächst möglicherweise wieder mehr Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern zu bekommen?

    Schmid: Wir müssen sicher umdenken in der Art Politik zu machen. Wir müssen die Entscheidungen den Menschen noch viel mehr erklären, dass wir Menschen auch in den Veränderungen nicht überfordern. Wir haben in der Zeit von 2003 ab natürlich umhin nicht viele Veränderungen im Lande vorgenommen. Die Situation war ja auch so, dass wir knappe fünf Millionen Arbeitslose nun mal haben, die schwere wirtschaftliche Lage und dann haben wir mit entsprechenden Reformmaßnahmen reagiert. Im Nachhinein muss man sagen, vielleicht war das auch zu viel und zu schnell. Und wir müssen auch getroffene Entscheidung besser erklären, die Menschen stärker mitnehmen. Das ist sicherlich auch eine Botschaft, die uns die Menschen durch dieses Wahlergebnis mitgegeben haben.

    Zurheide: Nun hat der frühere Parteichef Theo Waigel sich geäußert, Sie werden es gelesen haben, und will, ich sage das mal mit meinen Worten, dass die CSU mit etwas mehr Demut vor diejenigen tritt, die sie eigentlich vertritt. Ist das ein richtiger Hinweis?

    Schmid: Günter Beckstein hat da schon in seiner Regierungserklärung vor einem Jahr darauf hingewiesen. Das ist sicherlich richtig, dass wir vielleicht da auch einen kleinen Schritt zurückgehen müssen. Ich weiß nicht, ob der Begriff der Demut richtig ist. Es geht einfach darum, dass wir noch mehr mit den Menschen Politik machen, sie noch stärker einbinden, noch stärker mitnehmen, mit ihnen die Entscheidungen vorher auch noch besser besprechen, um das noch eine stärkere Akzeptanz zu haben. Das ist sicherlich der richtige Weg.

    Zurheide: Nun kommt man dann natürlich bei der Analyse auch immer zu der Frage, sind die Fehler, die gemacht worden sind, eigentlich eher bei dem Duo Beckstein/Huber abzuladen oder, und darauf weist Theo Waigel hin, hat das nicht auch ein Stück weit mit Edmund Stoiber zu tun, der ja inzwischen kaum noch kritisiert wird, auch weil er jetzt eine starke Rolle gespielt hat. Denn Stoiber wird ja zugerechnet, dass er mit dieser deutlichen Mehrheit im Rücken vielleicht zu weit und zu schnell vorgegangen ist. Wie kritisch sehen Sie das, was Stoiber da gemacht hat?

    Schmid: Man kann nicht nur von einer Monokausalität ausgehen. Es sind viele Ursachen, die zu diesem Wahlergebnis geführt haben. Und sie beginnen natürlich im Jahre 2003 mit der Regierungserklärung von Edmund Stoiber, wie wir diese Veränderungsprozesse sehr, sehr schnell eingeleitet haben und die Menschen bisweilen das Gefühl hatten, dass sie nicht mitkommen, dass es einfach zu rasch, zu zügig geht. Und dann gibt es natürlich Ursachen, die auch später gesetzt worden sind. Das war die Landesbank, die Diskussion mit den Ärzten, auch das Thema Pendlerpauschale, Steuerreform. Und all diese vielen Mosaiksteine haben letztlich zu diesem Wahlergebnis geführt.

    Zurheide: Jetzt haben Sie das Rauchverbot nicht angesprochen.

    Schmid: Genau.

    Zurheide: Das lassen Sie weg? Gehört das auch dazu?

    Schmid: Das ist ähnlich, auch ein Punkt in diese Richtung, dass man in der Sache vielleicht richtig lag, aber das zu wenig erklärt hat, den Menschen zu wenig die Argumente dargelegt hat. Vielleicht war man auch zu streng in dieser Situation. Das sind viele Punkte, die dazu geführt haben. Es war sicherlich nicht ein Thema, das zu 17 Prozent Verlust geführt hat.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal zur Koalition, die nun laufen wird. Die FDP sagt, da ist eine deutliche liberale Handschrift drin und nennt so Punkte wie die Online-Durchsuchungen usw. usw. Wie viel liberale Handschrift ist denn aus Ihrer Sicht da drin?

    Schmid: Ich glaube, dass wir ganz gut die Gespräche geführt hatten, wesentlich besser, als ich mir das zu Beginn vorgestellt hatte. Wir haben versucht, jeweils unsere Regierungsprogramme, mit denen wir in den Wahlkampf gegangen sind, mit einzubringen, umzusetzen in diese Koalitionsvereinbarung hinein, und ich glaube, insgesamt ist es beiden Seiten gelungen. Koalition heißt natürlich auch sich zurückzunehmen, auch den einen oder anderen Kompromiss einzugehen. Aber insgesamt ist das ein exzellentes Ergebnis.

    Zurheide: Aber Sie gehen jetzt nicht so weit und sagen, jetzt wollen wir immer Koalitionen haben?

    Schmid: Um Gottes willen. Ich hoffe, dass das ein einmaliger Versuch ist.

    Zurheide: Und noch mal, ganz konkret, was würden Sie anders machen, wenn Sie jetzt noch mal in eine Wahlauseinandersetzung gehen müssen?

    Schmid: Wir müssen vorher schon die Politik verändern. Es reicht nicht aus, jetzt etwas zu ändern und dann am nächsten Tag in die Wahl zu gehen. Wir müssen uns jetzt in dieser Legislaturperiode auf die Wahlen im Jahre 2013 vorbereiten.

    Zurheide: Danke schön! Das war Georg Schmid, der CSU-Fraktionsvorsitzende im Landtag zum Parteitag, der heute stattfindet. Wir werden Sie natürlich weiter informieren.