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"Wir müssen unsere Aktivitäten verstärken"

Die Bodenversiegelung schreitet voran. Davon bedroht ist der Plaggenesch, der "Boden des Jahres 2013". Er entstand im Mittelalter durch das Abplaggen von Rasensoden und wurde Hof nah aufgebracht. Statt solche Böden als Bauland auszuweisen, fordert Frank Glante vom Bundesumweltamt eine stärkere Entwicklung der Innenstädte.

Frank Glante im Gespräch Britta Fecke | 05.12.2012
    Britta Fecke: Heute ist der Tag des Bodens – die Gelegenheit, um diese zumeist belebte oberste Schicht der Erdkruste einmal genauer zu betrachten, denn diese natürliche Ressource Boden ist die Lebensgrundlage für Pflanzen und alle Lebewesen, die sich wiederum von ihnen ernähren. Also schlicht gesprochen: Trete nicht die Krume, von der du lebst. Tatsächlich aber versiegeln wir in den Industrieländern immer häufiger fruchtbare Böden und entziehen uns damit auf Dauer die Lebensgrundlage. – Ich bin jetzt verbunden mit Dr. Frank Glante vom Umweltbundesamt. Herr Glante, der Plaggenesch ist der Boden 2013. Was für ein Bodentyp ist denn das?

    Frank Glante: Ja das ist ein sehr interessanter Bodentyp. Wir verändern ja unsere Umwelt. Das sieht man bei den Kanälen, die wir bauen, das sieht man aber auch bei unseren landwirtschaftlichen Flächen. Und der Plaggenesch ist im Mittelalter entstanden, indem die Bauern von Flächen, die von ihrem Hof entfernt waren, Rasensoden abgeplaggt haben. Sie haben sie entnommen, haben sie mit nach Hause genommen, in die Ställe geworfen und dann zusammen mit den Exkrementen der Tiere Hof nah ausgebracht und haben somit die Böden in der Nähe ihrer Höfe aufgewertet, die Bodenfruchtbarkeit teilweise verdoppelt. Und das sieht man den Böden auch an: Es gibt eine Schicht auf dem alten Boden, die dann diesen Plaggenesch darstellt, entweder grauer oder brauner Plaggenesch, und das ist eine aufgetragene Schicht zur Verbesserung des Lebens der Bauern um ihre Höfe herum.

    Fecke: Um es noch mal klarzustellen: der Plaggenesch ist nicht die abgeplaggte Fläche, sondern der Bereich, wo die Plagge aufgetragen wurde, also der sehr fruchtbare Bereich?

    Glante: Richtig, der aufgetragene Bereich, der fruchtbarere. Das hat dann in den Gegenden, die teilweise fünffach, zehnfach größer waren, wo das abgeplaggt wurde, natürlich zu einer Verarmung der Standorte geführt.

    Fecke: Was ja auch oft wieder schützenswert ist, weil das nährstoffarme Böden sind, auf denen seltene Schmetterlingsarten und auch seltene Pflanzenarten noch vorkommen.

    Glante: Das ist heute teilweise Heidegebiet.

    Fecke: Ja, genau. – Aber wir kümmern uns jetzt um die aufgestockten Böden sozusagen, diesen Plaggenesch. Sie haben es schon gesagt: der ist in der Nähe des Hofes. Das heißt, der ist relativ kleinteilig verteilt in Deutschland, oder?

    Glante: Der ist richtig kleinteilig verteilt, den kann man auf großen Karten gar nicht richtig darstellen. Das macht ihn auch zu einem Kulturgut. Das macht ihn selten und das macht ihn auch empfindlich, und Sie sprachen ja gerade den Flächenverbrauch an. Er ist in der Nähe der Höfe, er ist in der Nähe der Ortschaften und damit natürlich potenziell gefährdet für Überbauung.

    Fecke: Er ist in der Nähe der Höfe. Kann man ihn sogar vom Auge her erkennen, sind das immer so etwas höher gelegene Böden?

    Glante: Das ist zum Teil etwas höher gelegen. Ja, Sie können solche kuppigen Bereiche sehen. Das ist ein Punkt, aber das ist beim Boden immer so schwierig. Es ist so kompliziert, eigentlich muss man ihn aufmachen und gucken. Man sieht diese Veränderungen in der Landschaft, aber die können natürlich auch andere Ursachen haben. In der Nähe dieser geplaggten Bereiche wurden ja dann auch Schutzstreifen angelegt, um die Winderosion von den abgemagerten Bereichen zu vermindern. Das sind dann heute Baumgruppen, das sind heute Gegenden, die als Wälle bezeichnet werden, teilweise Römerwälle. Aber das muss man immer ganz genau sich angucken. So richtig sieht man den Boden eben nur, wenn man ihn aufgräbt.

    Fecke: Was ist denn früher hauptsächlich auf ihnen angepflanzt oder gesät worden?

    Glante: Früher war das in erster Linie ein Standort, um Roggenanbau hinzukriegen. Es gibt ja auch diese Versuche, immer währender Roggenversuch. Da wurde teilweise Roggen-Monokultur angebaut im Mittelalter. Heute ist das viel differenzierter. Die fruchtbaren Böden werden unter anderem auch für Gemüseproduktion benutzt, oder sogar für Baumschulen.

    Fecke: Nun ist er gefährdet, weil er nahe bei Höfen lag. Das sind ja die Gebiete, die besonders gerne ausgeschrieben werden, um Neubaugebiete dort anzusiedeln?

    Glante: Ja. Wir haben ja zurzeit ungefähr einen Flächenverbrauch in Deutschland von 77 Hektar pro Tag. Der ist etwas gesunken. Noch vor fünf, sechs Jahren hatten wir 100 Hektar am Tag. Dieses Senken ist aber nur wenig Resultat von Anstrengungen der Kommunen. Es ist in erster Linie momentan die Krise, die auch da durchschlägt auf den Bodenmarkt. Die Bundesregierung hat sich für 2020 das Ziel von 30 Hektar Bodenverbrauch pro Tag gestellt, davon sind wir noch weit entfernt.

    Fecke: Wie weit denn?

    Glante: Ja wir müssen unsere Aktivitäten verstärken. Wenn wir heute 77 haben und 2020 30 wollen, dann muss man ganz knallhart sagen, wir wollen zu Gunsten einer höheren Innenentwicklung in den Städten was machen, wir dürfen nicht mehr auf die grüne Wiese, wir dürfen keine, ich sage es jetzt mal, beleuchteten Schafweiden haben, sprich nicht entwickelte Industriegebiete. Da müssen wir einfach was machen. Wir müssen auch sehen: der demografische Wandel schlägt ja in vielen Teilen Deutschlands zu. Wenn wir heute Industriegebiete oder auch Wohngebiete ausweisen, die weit weg von den Innenstädten sind, da müssen ja auch mal welche leben. Die fahren jetzt alle mit dem Auto. Also das ist alles schwierig, eine sehr komplexe Sache. Ich bin für eine Entwicklung der Innenstädte.

    Fecke: Der Plaggenesch ist der Boden des Jahres 2013. Warum wir die Böden schützen müssen, das hat mir Dr. Frank Glante vom Umweltbundesamt erklärt. Vielen Dank dafür.

    Glante: Danke schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.