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"Wir müssen unseren Energieverbrauch insgesamt reduzieren"

Ein kalter Winter im vergangenen Jahr - und schon stieg in Deutschland der Treibhausgasausstoß an. Antje von Broock vom BUND fordert daher eine Beschleunigung der Energiewende. Insgesamt sollte einfach weniger und effizienter Strom verbraucht werden.

Antje von Broock im Gespräch mit Georg Ehring | 20.02.2013
    Georg Ehring: Deutschland hat im vergangenen Jahr nach ersten Zahlen eineinhalb Prozent mehr klimaschädliches Kohlendioxid ausgestoßen als ein Jahr zuvor. Erstmals seit Jahren ist der Ausstoß von Treibhausgasen damit wieder gestiegen. Die wichtigste Ursache dafür ist der kalte Winter, es wurde schlicht mehr geheizt als sonst. Trotzdem wirft der Anstieg die Frage auf, ob Deutschland mit seiner Klimapolitik seine Ziele erreichen wird: Bis 2020 will unser Land 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als im Jahr 1990. Telefonisch verbunden bin ich mit Antje von Broock, Klimaexpertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Guten Tag, Frau von Broock.

    Antje von Broock: Hallo!

    Ehring: Frau von Broock, wie bewerten Sie denn den Anstieg im vergangenen Jahr?

    von Broock: Ja, jetzt zeigt sich, was wir schon oft angemahnt haben: Deutschland hat sich ja immer als Klimavorreiter positioniert, erhebliche Reduktionen, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, sind aber zum Beispiel auf den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie, auf die Finanz- und Wirtschaftskrise und auf günstigere Wetterbedingungen in den vergangenen Jahren zurückzuführen. Wir haben immer gesagt, wir brauchen mehr Maßnahmen, um die Emissionsreduktionen nachhaltig zu reduzieren, und das sieht man jetzt: Ein kalter Winter und schon steigt es an.

    Ehring: Was könnte und sollte Deutschland denn mehr tun?

    von Broock: Wir müssen einfach ganz klar die Energiewende nicht stoppen, sondern fördern und beschleunigen. Wir müssen raus aus der fossilen Energieerzeugung, insbesondere Kohle, und rein in die erneuerbare Energieerzeugung. Wir dürfen jetzt nicht die erneuerbaren Energien bremsen, sondern wir müssen es beschleunigen, diesen Ausbau. Und, was ganz wichtig ist und oft vergessen wird: Wir müssen unseren Energieverbrauch insgesamt reduzieren und viel effizienter nutzen.

    Ehring: Aber die Strompreise ufern doch aus. Heute ist die Rede von einer Billion Euro Kosten der Energiewende. Muss man da nicht gegensteuern?

    von Broock: Diese Debatte über die Strompreise lenkt tatsächlich von den beiden letzten Punkten ab, die ich gerade genannt habe. Wenn wir nämlich Strom viel effizienter nutzen und insgesamt viel weniger, sind die Kosten auch überschaubar. Abgesehen davon wird die Industrie zu großen Teilen subventioniert, also trägt die gesteigerten Preise nicht mit, und da sind wir der Meinung, das muss fair verteilt werden. Also nicht nur Endverbraucher in Haushalten müssen die gestiegenen Preise tragen, sondern die Industrie muss auch zur Kasse gebeten werden.

    Ehring: Sind Sie denn dafür, dass die Erneuerbaren weiter so gefördert werden, unabhängig vom Strombedarf, wie das bisher passiert?

    von Broock: Der Strombedarf ist natürlich entscheidend. Wir müssen nicht überproduzieren, aber wir sind ja lange noch nicht da, dass wir hundert Prozent erneuerbare Energien in Deutschland haben. Und wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, dann müssen wir dahin. Man muss natürlich über sinnvolle Förderung reden. Wir fördern im Moment auch indirekt die Atomkraft und wir sind immer dafür, dass man sich Subventionen anguckt und da nach einer Sinnhaftigkeit fragt und nicht per se eine Energie ist gut und eine ist schlecht.

    Ehring: Die Anreize, CO2 einzusparen, sind ja derzeit auch deshalb relativ gering, weil der Emissionshandel in der Krise ist. 4,31 Euro kostete eine Tonne CO2 gestern. Ist das auch ein Grund für die steigende Emission aus Ihrer Sicht?

    von Broock: In jedem Fall ist es so, dass wir viel zu viele Emissionszertifikate am Markt haben und die Lenkungswirkung, die man sich erhofft hat von einem Emissionshandel, überhaupt nicht eintritt. Der Preis von unter fünf Euro ist signifikant zu gering. Die EU-Kommission spricht selber davon, dass eine Lenkungswirkung erst ab 25 Euro eintreten würde. Und auch hier sehen wir, dass einfach viel zu viele Zertifikate an die Industrie verschenkt worden sind. Da muss unbedingt nachgesteuert werden, wenn man möchte, dass hier dadurch Reduktionen entstehen.

    Ehring: Wo liegen denn aus Ihrer Sicht noch Reserven in der Energieeffizienz? Die Energiesparlampe haben wir doch jetzt.

    von Broock: Genau. Es gibt viele, viele Ansätze. Wir sind der Meinung, dass man in Privathaushalten noch viel aufklären kann. Das könnte gekoppelt werden mit einer Förderung von Anschaffung von energieeffizienten Geräten. Viele Leute profitieren zwar einerseits davon, dass sie einen Kühlschrank haben, der viele, viele Jahre läuft, wissen aber nicht, dass sich der Stromfresser dahinter verbirgt. Außerdem sind wir der Meinung, ähnlich wie wir das bei Lebensmitteln im Supermarkt sehen, dass der Preis umgerechnet wird auf den 100-Gramm- oder den Kilo-Preis, wir den Preis von elektronischen Geräten auf die Lebensdauer umrechnen sollten. Dann ist der billige Kühlschrank, der ein Stromfresser ist, zwar auf den ersten Blick billig, aber wenn wir dann erkennen, dass der vielleicht dafür fünf Jahre weniger lang funktioniert, dann ist der effiziente Kühlschrank auf Sicht doch der günstigere, und da steckt noch viel Potenzial drin.

    Ehring: Antje von Broock vom BUND war das - herzlichen Dank.

    von Broock: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.