Offenbar existieren noch immer Grenzen in Europa, die schwer zu überwinden sind. Vor allem die mentalen, für die es kein Schengen-Abkommen gibt, keine europaweit gültige Regelung für eine freie Fahrt über alle Grenzen hinweg. Geht es nach Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, dann wissen die Deutschen viel zu wenig von der Geschichte und der Kultur ihrer Nachbarn. Und das trotz einer einmaligen historischen Konstellation.
"Zum ersten Mal sind wir zusammen - und wir Deutschen umgeben von unseren Nachbarn, ohne dass uns einer von diesen Nachbarn fürchtet oder uns seinerseits bedroht. Das hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Dass das gut funktioniert, dafür ist es aber umso wichtiger, dass man mehr voneinander weiß und mehr voneinander lernt."
Beim Lernen behilflich sein soll künftig ein zwölfbändiges Werk, eine Geschichte über die Deutschen und ihre Nachbarn. Zusammen mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat Richard von Weizsäcker zwölf Autoren aus Deutschland und Europa eingeladen, die Geschichte jeweils eines deutschen Nachbarlandes zu erzählen, Spanien und Rußland als etwas weiter gefasste Nachbarn inbegriffen. Zum Kreis der Erzähler gehören bekannte Journalisten wie der langjährige ARD-Korrespondent in Moskau, Gerd Ruge, oder Thomas Urban, der für die Süddeutsche Zeitung aus Polen und der Ukraine berichtet. Ebenso die österreichische Historikerin Brigitte Hamann und der niederländische Publizist Geert Mak. Jeder der Autoren wird auf gut 200 Seiten die wichtigsten Eckpunkte der jeweiligen Landesgeschichte beschreiben. Das alles nicht als Lexikon von A bis Z, sondern als gut verständliche Einführung, als Handreichung für das Reisegepäck.
"Sie erheben den Anspruch, dass man sich über sie auch wirklich ein klares Bild über Geschichte und Kultur und Mentalität machen kann, aber auf der anderen Seite natürlich auch einen Ausblick auf die gegenwärtigen nachbarschaftlichen Interessen und Probleme."
Zu den ersten vier Bänden dieser Edition gehört der über die Niederlande. Geert Mak, in diesem Frühjahr mit dem Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung geehrt, erzählt die Geschichte seines Heimatlandes - für ihn eine Geschichte voll von paradoxen Situationen. Eine historisch bedeutende handelt vom Einfall der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
"Die deutsche Invasion in Holland am 10. Mai, das war wirklich traumatisch. Und man wusste nicht, was Krieg war. Man konnte nicht damit umgehen. Ich habe Zeugnisse gefunden, zum Beispiel von deutschen Soldaten vom Mai 1940, Feinde in Holland. Und die kamen an einem kleinen Ufer an einem Geviert - in jedem Land würde man schießen. Nein, nicht in Holland. Die Leute kamen aus den Häusern gelaufen, die Deutschen fragten, wo müssen wir hin. Und jedermann versuchte zu helfen, und Frauen kamen mit Kaffee aus den Häusern. Nicht, weil sie deutschfreundlich waren."
Sondern, weil die Niederländer damals nichts vom Krieg verstanden hätten, sagt Geert Mak. Nach dem Wunsch der Herausgeber der Geschichte der deutschen Nachbarländer sollen die einzelnen Bände immer auch zeigen, wie die Deutschen selbst mit den Augen der Anderen gesehen werden. Erwartungsgemäß dürfte dieser Blick nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts alles andere als schmeichelhaft ausfallen. Geert Mak bewundert allerdings die Deutschen. Gerade wegen der Intensität ihrer Auseinandersetzung der nationalsozialistischen Vergangenheit.
"Zuweilen denke ich auch, wenn ich hier bin, für die Deutschen ist das noch immer nicht abgeschlossen. Man kann noch immer nicht wirklich richtig historisch darüber denken. Man denkt noch so emotional über alles. Aber das verstehe ich auch. Ich finde doch, die Holländer können von der Offenheit der Deutschen - nicht von dem Masochismus, den es zuweilen gibt, aber von der Offenheit können wir viel lernen."
Zu den Nachbarländern Deutschlands, die den Herausgeber Richard von Weizsäcker, am meisten beschäftigen, gehört Polen. Der Wunsch, sich für eine Versöhnung mit Polen zu engagieren, bewog Richard von Weizsäcker 1969 zur Kandidatur für den Deutschen Bundestag. Später, während seiner Amtszeit als Bundespräsident, setzte er sich immer wieder dafür ein. 1990 besuchte er Polen als erstes deutsches Staatsoberhaupt, noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands. Heute gehören die beiden Nachbarländer gemeinsam zur Europäischen Union.
"Wir machen einen Schritt weiter in eine Richtung, die ich für notwendig halte, nämlich: was heißt es, in der Geschichte sich vereinen in Europa? Das heißt auch die Fähigkeit, sich zu entwickeln, zum Beispiel gemeinsam Geschichtsbücher zu schreiben. Da sind wir ja dabei. Einerseits mit den Franzosen. Anderseits aber auch mit den Polen."
Oder mit einer großen Buchedition wie der über die Deutschen und ihre Nachbarn. Sie richtet sich an ein breites Publikum, an Menschen, die auf Reisen gehen, in eines der Länder, über die die zwölf Bücher berichten werden. Ob der hohe und vielleicht etwas sehr staatstragende pädagogische Anspruch der Herausgeber tatsächlich immer in Erfüllung geht, müssen die einzelnen Bände zeigen. Erst einmal aber verdient das Projekt Anerkennung.
"Zum ersten Mal sind wir zusammen - und wir Deutschen umgeben von unseren Nachbarn, ohne dass uns einer von diesen Nachbarn fürchtet oder uns seinerseits bedroht. Das hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Dass das gut funktioniert, dafür ist es aber umso wichtiger, dass man mehr voneinander weiß und mehr voneinander lernt."
Beim Lernen behilflich sein soll künftig ein zwölfbändiges Werk, eine Geschichte über die Deutschen und ihre Nachbarn. Zusammen mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat Richard von Weizsäcker zwölf Autoren aus Deutschland und Europa eingeladen, die Geschichte jeweils eines deutschen Nachbarlandes zu erzählen, Spanien und Rußland als etwas weiter gefasste Nachbarn inbegriffen. Zum Kreis der Erzähler gehören bekannte Journalisten wie der langjährige ARD-Korrespondent in Moskau, Gerd Ruge, oder Thomas Urban, der für die Süddeutsche Zeitung aus Polen und der Ukraine berichtet. Ebenso die österreichische Historikerin Brigitte Hamann und der niederländische Publizist Geert Mak. Jeder der Autoren wird auf gut 200 Seiten die wichtigsten Eckpunkte der jeweiligen Landesgeschichte beschreiben. Das alles nicht als Lexikon von A bis Z, sondern als gut verständliche Einführung, als Handreichung für das Reisegepäck.
"Sie erheben den Anspruch, dass man sich über sie auch wirklich ein klares Bild über Geschichte und Kultur und Mentalität machen kann, aber auf der anderen Seite natürlich auch einen Ausblick auf die gegenwärtigen nachbarschaftlichen Interessen und Probleme."
Zu den ersten vier Bänden dieser Edition gehört der über die Niederlande. Geert Mak, in diesem Frühjahr mit dem Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung geehrt, erzählt die Geschichte seines Heimatlandes - für ihn eine Geschichte voll von paradoxen Situationen. Eine historisch bedeutende handelt vom Einfall der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
"Die deutsche Invasion in Holland am 10. Mai, das war wirklich traumatisch. Und man wusste nicht, was Krieg war. Man konnte nicht damit umgehen. Ich habe Zeugnisse gefunden, zum Beispiel von deutschen Soldaten vom Mai 1940, Feinde in Holland. Und die kamen an einem kleinen Ufer an einem Geviert - in jedem Land würde man schießen. Nein, nicht in Holland. Die Leute kamen aus den Häusern gelaufen, die Deutschen fragten, wo müssen wir hin. Und jedermann versuchte zu helfen, und Frauen kamen mit Kaffee aus den Häusern. Nicht, weil sie deutschfreundlich waren."
Sondern, weil die Niederländer damals nichts vom Krieg verstanden hätten, sagt Geert Mak. Nach dem Wunsch der Herausgeber der Geschichte der deutschen Nachbarländer sollen die einzelnen Bände immer auch zeigen, wie die Deutschen selbst mit den Augen der Anderen gesehen werden. Erwartungsgemäß dürfte dieser Blick nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts alles andere als schmeichelhaft ausfallen. Geert Mak bewundert allerdings die Deutschen. Gerade wegen der Intensität ihrer Auseinandersetzung der nationalsozialistischen Vergangenheit.
"Zuweilen denke ich auch, wenn ich hier bin, für die Deutschen ist das noch immer nicht abgeschlossen. Man kann noch immer nicht wirklich richtig historisch darüber denken. Man denkt noch so emotional über alles. Aber das verstehe ich auch. Ich finde doch, die Holländer können von der Offenheit der Deutschen - nicht von dem Masochismus, den es zuweilen gibt, aber von der Offenheit können wir viel lernen."
Zu den Nachbarländern Deutschlands, die den Herausgeber Richard von Weizsäcker, am meisten beschäftigen, gehört Polen. Der Wunsch, sich für eine Versöhnung mit Polen zu engagieren, bewog Richard von Weizsäcker 1969 zur Kandidatur für den Deutschen Bundestag. Später, während seiner Amtszeit als Bundespräsident, setzte er sich immer wieder dafür ein. 1990 besuchte er Polen als erstes deutsches Staatsoberhaupt, noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands. Heute gehören die beiden Nachbarländer gemeinsam zur Europäischen Union.
"Wir machen einen Schritt weiter in eine Richtung, die ich für notwendig halte, nämlich: was heißt es, in der Geschichte sich vereinen in Europa? Das heißt auch die Fähigkeit, sich zu entwickeln, zum Beispiel gemeinsam Geschichtsbücher zu schreiben. Da sind wir ja dabei. Einerseits mit den Franzosen. Anderseits aber auch mit den Polen."
Oder mit einer großen Buchedition wie der über die Deutschen und ihre Nachbarn. Sie richtet sich an ein breites Publikum, an Menschen, die auf Reisen gehen, in eines der Länder, über die die zwölf Bücher berichten werden. Ob der hohe und vielleicht etwas sehr staatstragende pädagogische Anspruch der Herausgeber tatsächlich immer in Erfüllung geht, müssen die einzelnen Bände zeigen. Erst einmal aber verdient das Projekt Anerkennung.