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"Wir sahen nicht allzu viel"

Deutschlands Fernsehstunde Null schlug heute vor 80 Jahren. Damals kamen die Bilder noch stumm daher, und die Qual der Wahl eines Programms fiel auch weg - es gab nämlich nur eins. Am 8. März 1929 strahlte der Berliner Sender Witzleben die ersten Fernsehbilder aus.

Von Monika Köpcke | 08.03.2009
    Berlin, 8. März 1929: Punkt 23 Uhr legte im Rundfunksender Witzleben am Berliner Funkturm der ungarisch-deutsche Erfinder Dénes von Mihály eine Filmrolle in den Projektor. Der Streifen wurde mit der mechanischen Nipkow-Scheibe in optische Bildpunkte zerlegt und per Kabel ins etwa sieben Kilometer entfernte Fernsehlaboratorium der Post übertragen. Dort schauten sich die 50 geladenen Gäste das Ergebnis dieser ersten Fernsehübertragung an.

    "Wir sahen nicht allzu viel. Es waren nur auf Glasstreifen gezeichnete Buchstaben, sowie eine sich öffnende und schließende Zange."

    Außerdem hielt Mihály seine Gäste mit Fotos von jungen Frauen in Badeanzügen bei Laune. Auch wenn die Bilder schlecht belichtet ankamen und alles noch stumm vonstatten ging, war das Experiment doch geglückt. Alle Teilnehmer waren sich der Sensation bewusst, Bilder betrachten zu können, die zur gleichen Zeit an einem anderen Ort eingespielt wurden.

    "Der Kurzwellensender Witzleben auf Welle 7,06 Metern."

    Auf der Funkausstellung im Juni 1929 sendete die Post gemeinsam mit Mihály bereits täglich eineinhalb Stunden Fernsehprogramm während der Hörfunk-Pausen des Senders Witzleben. So konnte man auf seiner Frequenz im Berliner Raum entweder Rundfunk hören oder stumme Fernsehbilder anschauen, meist Wochenschau- und Spielfilmausschnitte. Noch hatte nur eine Handvoll Menschen eine Bildröhre an ihr Radio angeschlossen. Die weitaus größte Zahl der Zuschauer drängte sich vor den Bildschirmen, die auf der Funkausstellung aufgestellt waren - und war begeistert. Die "B.Z. am Mittag" schrieb:

    "Neues, noch nie Dagewesenes bahnt sich an. Das Fernsehen! Bald bringt uns der Rundfunk das sprechende, singende, das von Musik begleitete Bild auf den Wellen des Äthers ins Haus. Es zeigt uns die Wasserfälle des Niagara und lässt uns ihren Ton hören. Er führt uns durch die Stätten der Weltindustrie und übermittelt uns in gleichzeitigem Geschehen ihre Melodien."

    Fernsehen war zu dieser Zeit vor allem ein Thema für Technikfans und Fachleute, es war DAS Ereignis auf den Funkausstellungen, aber von einem wirklichen Medium noch weit entfernt. Erst als es gelang, die mechanische Bildzerlegung durch ein vollelektronisches Funktionsprinzip zu ersetzen, war der Weg frei, das Fernsehen aus den Versuchslaboratorien hinaus in die Öffentlichkeit zu bringen. Am 22. März 1935 war es so weit.

    "Wir übertragen aus dem Funkhaus Berlin die feierliche Eröffnung des ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebes der Welt."

    Über den Sender Berlin-Witzleben wurde dieses erste regelmäßige Fernsehprogramm mit Ton ausgestrahlt. Sein Start war etwas überstürzt gewählt - man wollte den Engländern zuvorkommen, die im Herbst 1935 auf Sendung gehen wollten. Fernsehen sollte als eine nationalsozialistische Errungenschaft gelten, auch wenn die braunen Machthaber es ansonsten als ungeeignet für propagandistische Zwecke ansahen. In seiner Eröffnungsansprache dämpfte der Chefingenieur der Reichsrundfunkgesellschaft denn auch zu hohe Erwartungen.

    "Es wird jeden Montag, Mittwoch und Sonnabend von 20:30 bis 22:00 Uhr gesendet. Es muss hierbei hervorgehoben werden, dass durch die technische Begrenzung der Bilder auf 180 Zeilen und 25 Bildwechsel eine Auswahl der Filme notwendig ist. Es empfiehlt sich, nur einfache Motive zu übertragen."

    1935 gab es in Berliner Haushalten gerade einmal 50 Fernsehgeräte. Deshalb richtete die Post öffentliche Fernsehstuben ein. Hier konnten etwa 30 Personen bei freiem Eintritt ein flackerndes Fernsehbild mit wenig Kontrast betrachten. Gezeigt wurden Propagandasendungen und Kurzfassungen von Kinofilmen. Doch technisches Interesse hin oder her, auf Dauer war Fernsehen als zu klein geratenes Kino für die Zuschauer nicht sonderlich attraktiv. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das öffentliche Fernsehprogramm eingestellt. Erst 1952 sollten die Flimmerkisten in beiden deutschen Staaten beinahe gleichzeitig zu neuem Leben erwachen.

    "Jetzt sitzt man in aller Ruhe vor Frau Haskas Fernsehtruhe und kann Kunz und Weltgeschehen einwandfrei im Bildschirm sehen."