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"Wir sehen unsere Musik als Folkmusik"

Die Band J-Alt aus Brighton nimmt sich ein Beispiel an Folkbands, denn - so die Musiker - wie bei Folk würde auch ihre Musik Geschichten erzählen. Für ihr Debüt "An awesome wave" erhielt J-Alt 2012 den Mercury Award.

Von Amy Zayed |
    "Wir stehen jetzt unter einem ganz schönen Druck, weil wir eben den Mercury Award gewonnen haben, und weil uns bis vor ein paar Monaten niemand kannte. Wenn wir irgendwann ein neues Album rausbringen, werden alle die beiden Platten vergleichen, und es wird immer die Frage aufkommen: Na? Schaffen sie es nun tatsächlich? Oder werden sie wie so einige, die den Mercury Award gewonnen haben, zur Eintagsfliege? Daher versuchen wir uns selbst den Druck zu nehmen, indem wir positiv denken. Denn es ist ja sehr gut, wenn man beim nächsten Album bereits eine Fangemeinde hat, und nicht von null anfangen muss. Man weiß, dass die Fans treu sind, und das Album auch dann noch kaufen, wenn wir zwei Jahre damit warten. Denn eins ist klar. So schnell wird’s kein zweites Album von uns geben. Wir lassen uns so lange Zeit, bis wir uns genau so sicher sind wie beim Debüt. Sonst wird’s einfach nicht gut."

    Wenn man eins über Alt-J sagen kann, dann ist es, dass sie tatsächlich authentisch sind, und nicht nur aufgrund eines Hypes die Fans zum Zuhören bringen. Sie mischen Mal einfachen Britpop mit Elektroeinflüssen, mal treffen folkige Gitarren auf verhaltene Drums oder düstere Synths. Und dann wieder gibt es Songs, die allein von verschiedenartigen übereinandergelegten Klangbildern leben, wie zum Beispiel das Intro, dass aus tiefen Bässen, Elektrosamples, leisen Drums, und einer einzigen kurzen Strophe besteht. Sänger Joe Newman hat eine einzigartige Stimme und bringt mal folkig mal teilweise afrikanisch angehauchte mantraartige Gesangseinlagen.

    "Wenn wir Songs schreiben, denken wir gar nicht an die üblichen Regeln, wie Refrains oder Strophen. Wir schreiben einfach irgendwas. Als wir mit 'Breezeblocks' ins Studio gingen, war unser Produzent total überfordert. Ein Song mit einer Strophe, und einem sich fast fünf Minuten lang wiederholenden Refrain: 'Please don’t go please don‘t go, I love you so I eat you hole!' Der Mann war total geschockt, aber so machen wir das eben, solange es funktioniert, finden wirs gut."

    Zu dem Gitarrensound und dem ekstatisch-quäkigen Gesang von Joe Newman kommen dann auch noch die melancholischen Texte, die meistens den Tod verherrlichen, oder die Minuten vor dem Tod veranschaulichen.
    "Ich bin ein absoluter Fan von Szenen, die die letzten Minuten oder Stunden eines Menschen beschreiben! Nicht nur, weil es einfacher ist, über den Tod oder Schmerz zu schreiben. Sondern weil der Mensch sich in diesen Minuten vielleicht zum ersten Mal bewusst wird, wer er wirklich ist. 'Mathilda' zum Beispiel handelt von der Hauptfigur im Film 'Leon', als er kurz vor seinem Tod schreit: 'This is for Mathilda' und seinem Widersacher einen Granatensplitter übergibt, und danach alles in Flammen aufgeht!"

    Auch Kriegsfotografen Robert Capa und Gerda Taro spielen in ALT-J Songs eine Rolle.

    "Ich liebe die Arbeiten von Capa! Eben genau, weil er diese Todeserfahrung genau abbildet, ohne sie zu dramatisch aussehen zu lassen. Er durfte die Erfahrung ja dann selbst machen, als er von einer Mine getroffen wurde, und starb. Und ich habe mir dann im Song 'Taro' vorgestellt, dass sein letzter Gedanke Gerda Taro gilt, der Person, der er am Meisten verbunden war."

    Mit diesem Ansatz unterscheiden sich Alt-J definitiv von all den düsteren Synth-Pop-Bands, die es vor ein paar Jahren mehr als genug gab. Alt-J beschäftigen sich mit Popkultur auf eine Art, die vielleicht noch nicht da gewesen ist. Sie schaffen keine düstere Welt, sondern nehmen die Inspiration aus reellen weniger persönlichen als allgemeinen Erfahrungen und schaffen eine Kombination aus Urgesang und Indie, die es spannend und kurzweilig macht. "An awesome wave" ist vielleicht der Anfang für eine ganz spannende Karriere, denn Lust auf mehr bekommt man beim Hören alle mal:

    "Wir sehen unsere Musik als Folkmusik. Nicht weil wir eine Folkband sein wollen, sondern wir nehmen uns ein Beispiel an Folkbands. Dabei geht’s um Geschichten. Und wir erzählen auch Geschichten. Allerdings nicht von unseren eigenen Liebeserfahrungen, sondern von Helden, die uns inspiriert haben."