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"Wir sind als Ausstellungsträger nicht frei in unseren Entscheidungen"

Nach der Verhaftung des Künstlers und Regime-Kritikers Ai Wiewei, reißt der Streit um die deutsche Kunstausstellung in Peking nicht ab. Klaus Schrenk, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, hält ein Abbruch nur in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt für möglich.

Klaus Schrenk im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 18.04.2011
    Doris Schäfer-Noske: Auch zwei Wochen nach der Verhaftung des chinesischen Künstlers und Regime-Kritikers Ai Weiwei ist nicht bekannt, wo er ist und wie es ihm geht. Heute hat der Menschenrechtsausschuss des Bundestages erneut an die chinesische Führung appelliert, Ai Weiwei frei zu lassen. Dasselbe taten gestern Menschen, die weltweit vor chinesischen Botschaften und Konsulaten demonstrierten.
    Auch der Streit um die deutsche Kunstausstellung in Peking reißt nicht ab. Ende vergangener Woche hatte mit Michael Eissenhauer, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, einer der drei Ausstellungsmacher erstmals einen Abbruch der Schau nicht mehr ausgeschlossen. - Wir sprechen jetzt mit einem der beiden anderen Museumsdirektoren, mit Klaus Schrenk, dem Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Herr Schrenk, jeden Tag, den Ai Weiwei verschwunden bleibt, müssen Sie und Ihre Kollegen doch als Schlag ins Gesicht empfinden. Wann sagen Sie, jetzt reicht's, jetzt brechen wir die Ausstellung ab?

    Klaus Schrenk: Die Diskussion in den letzten zwei Wochen hat ja gezeigt, dass natürlich alle betroffen sind über die Verhaftung von Ai Weiwei, dass gleichzeitig die Ausstellung sozusagen auch ein Projekt ist, das natürlich in Absprache mit dem Auswärtigen Amt auch nur abgesagt werden kann oder geschlossen werden kann. Wir sind ja als die Träger der Ausstellung auch nicht völlig frei in unseren Entscheidungen, da wird man auch die Entscheidung des Auswärtigen Amtes unbedingt mit einbeziehen müssen.

    Schäfer-Noske: Ihr Kollege Michael Eissenhauer hat den Abbruch der Ausstellung nicht mehr ausgeschlossen. Gibt es denn da zurzeit Gespräche mit ihm, mit Martin Roth, aber auch mit Vertretern der Bundesregierung, wie Sie angesprochen haben?

    Schrenk: Also wir sind natürlich in einem stetigen Kontakt und auch in einem Gespräch, und das wird, glaube ich, niemanden verwundern, dass wir natürlich, als wir aus China zurückkamen, auch gar nicht mit so einer Entscheidung rechnen konnten, dass Ai Weiwei verhaftet wird, und vor allen Dingen, dass jetzt eben auch nach zwei Wochen immer noch nicht bekannt ist, wo er sich aufhält, und insofern ist es natürlich unbedingt notwendig, dass auch der internationale Druck spürbar wird. Deswegen ist es so wichtig, dass jetzt auch der Ausschuss des Bundestages reagiert und dass auch international diese Aktionen organisiert werden, die auf die Freilassung von Ai Weiwei zielen.

    Schäfer-Noske: Da könnte ja der Abbruch der Ausstellung ein Zeichen sein, das da gesetzt wird. Wenn Sie es jetzt selber entscheiden könnten, würden Sie sagen, die Ausstellung muss abgebrochen werden?

    Schrenk: Die Ausstellung ist ja lange vorbereitet worden, auch in dem Bewusstsein, wo sie stattfindet, und wir haben immer solch eine komplizierte Situation sozusagen versucht, in einen Dialog hineinzubefördern, und das ist unverändert natürlich auch die Frage, wie weit jetzt dieser Dialog in Peking vor Ort wichtig ist. Ich meine, wir haben eine wirklich grundsätzliche Situation, von einer Veränderung in Peking kann man jetzt auch nicht sprechen. Es ist eine Verschärfung, die spürbar ist, und trotzdem ist gerade dieser Dialog, glaube ich, unverändert wichtig, und deswegen ist es auch von Bedeutung, dass wir da jetzt nicht alleine emotional entscheiden, sondern dass man dann auch gemeinsam zu einer Gewichtung dieser Situation kommt.

    Schäfer-Noske: Was hören Sie denn aus dem Außenministerium?

    Schrenk: Natürlich wird mit großer Sorge die Situation betrachtet, aber sie ist natürlich eben auch eingebunden in diese Gesamtfragestellung: ist der Dialog aufrecht zu erhalten, unter welchen Voraussetzungen macht es einen Sinn, um diesen Dialog zu kämpfen, oder wie weit sind jetzt diese Dinge so miteinander zu verknüpfen, die vorher auch nicht in dieser Weise miteinander zu verknüpfen waren.

    Schäfer-Noske: Wie wird sich denn die Ausstellungspolitik durch den Fall Ai Weiwei verändern in Zusammenarbeit mit diktatorisch geführten Staaten? Wird man da jetzt vorsichtiger sein, wird man möglicherweise eine Art TÜV einführen für den Kulturaustausch mit diktatorisch geführten Staaten, oder welche Veränderungen wird es da geben?

    Schrenk: Das kann ich jetzt für das Auswärtige Amt nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, die Ausstellung, die ja doch jetzt in drei Jahren vorbereitet wurde, die ist nicht naiv vorbereitet worden und man hat natürlich auch immer in Staaten, die auf einer anderen gesellschaftlichen Struktur basieren, die Hoffnung gehabt, oder hat die Hoffnung, dass die Kultur dazu beiträgt, auch einen Dialog zu eröffnen, auch Veränderungen in der Außensicht mit herbeizuführen. Ob das jetzt weiterhin so aussehen muss wie unsere Ausstellung, das ist, glaube ich, auch eine berechtigte Frage und auch eine Diskussion, die man jetzt führen muss. Ich glaube schon, dass das natürlich auch zukünftig eine Rolle spielt, wie jetzt der kulturelle Auftritt Deutschlands in Staaten mit einer anderen gesellschaftlichen Form aussehen kann.

    Schäfer-Noske: Das war Klaus Schrenk, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, zum Streit um die Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" in Peking.