Auf den ersten Blick ist sie ganz und gar nicht mehr kriegerisch-grimmig: Schröders Ex-Prätorianergarde, einst im erbitterten parteiinternen Kampf um die Agenda 2010. Heute wird kein Hartz-IV-Empfänger spontan vor dem freundlichen 48 Jahre alten Mainzer Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann erschrecken, der rheinhessische Gemütlichkeit ausstrahlt.
"Das Netzwerk ist entstanden, weil junge Abgeordnete, die damals, 1998, nach dem großen Erfolg von Gerhard Schröder in den Deutschen Bundestag kamen, sich weder bei der klassischen parlamentarischen Linken wohlfühlten noch bei den Seeheimern. Man hatte eher kulturelle als politische Schwierigkeiten. Und so traf man sich, man traf sich häufiger, und ganz allmählich ist daraus eine politische Gruppierung geworden, ohne dass das planvoll verfolgt wurde."
"Es ist sicherlich so, weil Sie danach fragten: Gibt es das Netzwerk noch, dass man in der Opposition natürlich etwas schwerer hat, man merkt das in allen drei Flügeln innerhalb der SPD. Man merkt die Seeheimer nicht mehr so, die PL nicht so, das Netzwerk nicht so. Das hängt sicherlich mit der Oppositionsrolle zusammen."
Auch Sabine Bätzing-Lichtenthäler kommt nicht wie jemand daher, die Arbeitslose ärgern will, obwohl sie gerne vom "aktivierenden Sozialstaat" redet: eine jugendlich wirkende, schlanke 36-Jährige mit offenem Gesicht. Bätzing-Lichtenthäler ist SPD-Abgeordnete aus dem Westerwald, 2005 bis 2009 zog sie als Drogenbeauftragte der Bundesregierung in Talkshows gegen das Kampftrinken von Jugendlichen zu Felde. Wenn sie heute in den Bundestags-Sitzungswochen in Berlin lebt, ist das sogenannte "Netzwerktreffen" an den Donnerstagabenden einer ihrer wichtigsten Termine:
"Wir haben Donnerstag abends immer Veranstaltungen, wo wir prominente Gäste einladen und die Möglichkeit geben, mit diesen Prominenten zu diskutieren. Wir hatten jetzt auf der Einladeliste Peter Sloterdijk mit dabei."
In seinem Buch "Du musst Dein Leben ändern" reibt sich der Philosoph Peter Sloterdijk wortgewaltig an der Sozialdemokratie. Die Sozis, so Sloterdijk, stellen sich die Gesellschaft wie ein "Basislager" für Bergsteiger vor. Doch statt die Gipfelstürmer auch wirklich auf die Bergspitze klettern zu lassen, rufen sie die Leute dazu auf, immer nur um das Basislager zu kreisen. Damit will Sloterdijk sagen: Die Sozialdemokraten hindern die Leistungsbereiten in der Gesellschaft mit ihrer Affenliebe zum paternalistischen Sozialstaat an Spitzenleistungen. Für Linke in der SPD ist ein solches Denken Teufelszeug. Für die "Netzwerkerin" Sabine Bätzing-Lichtenthäler ist es zumindest diskussionswürdig:
"Ja, Peter Sloterdijk, wir hatten ihn eingeladen, er hat leider jetzt abgesagt, der Termin kommt jetzt noch. Aber nein, wir wollen uns wirklich damit auseinandersetzen, und es kann auch mal unangenehm sein, dass man sagt: Es geht uns einen Tick zu weit. Aber wir sollten uns darüber austauschen."
Wer will, kann Sloterdijks Absage als Zeichen werten, dass die Netzwerker heute längst nicht mehr die politische Bedeutung haben wie zu Zeiten Gerhard Schröders. Aber das wäre vielleicht etwas voreilig. Denn immerhin gelten gerade die "Stones" Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier als gute Freunde des politischen Kreises:
"Die Diskussion um Steinbrück ist sehr interessiert aufgenommen worden. Peer Steinbrück steht uns nahe, das ist ja bekannt. Wir sind aber nicht diejenigen, die gesagt haben, wir forcieren jetzt diese Kanzlerkandidatendiskussion, damit ist sicherlich niemandem gedient. Aber Peer Steinbrück ist sicherlich jemand, wo man sagen würde: Jawoll, das ist sicherlich ne gute Wahl. Aber Frank-Walter Steinmeier sicherlich genauso. Ich denke, wir haben da genug Potenzial, aus dem man da schöpfen kann."
Der Mainzer Netzwerker Michael Hartmann ist vorerst erst einmal froh, dass die tiefen Gräben, die in der Hochzeit der Hartz IV-Debatte vor allem zur parlamentarischen Linken in der SPD aufgerissen wurden, heute wieder ein wenig zugeschüttet sind. Als Zeichen der Versöhnung haben die Netzwerker ein Zitat von Bert Brecht ganz oben auf ihre Homepage gestellt: Die Zeiten fließen und flössen sie nicht, stände es schlecht um die, die nicht an goldenen Tischen sitzen. Zitat Ende.
"Ich habe als Abgeordneter wahrhaftig darunter gelitten, dass in Zeiten, in denen um Agenda 2010 und andere Reformen gerungen wurde, die Feindschaft innerhalb der Fraktion unerbittlich war. Dahin möchte ich keinesfalls zurückkehren, auch dann nicht, wenn wir hoffentlich bald wieder regieren."
Sein Landesvorsitzender Kurt Beck sei als Vermittler zwischen den Parteiströmungen noch immer ein Vorbild, so Hartmann. Aber er muss zur Kenntnis nehmen, dass sein Ministerpräsident seinen Einfluss in der Bundes-SPD inzwischen weitgehend verloren hat. Die Netzwerker wissen auch: Um ihr Profil nicht vollständig zu verlieren, müssen sie inhaltlich einen gewissen Abstand zu den Parlamentarischen Linken und dem rechten Seeheimer Kreis wahren. Sabine Bätzing-Lichtenthäler:
"Es ist nicht so, dass wir uns die Augen ausstechen zu PL und Seeheimern, aber es ist auch nicht der berühmte Kuschelkurs, den wir fahren. Wir sind nach wie vor aktiv, das ist wirklich ganz wichtig, weil ich erlebe das selber so in der öffentlichen Wahrnehmung, dass man angesprochen wird: Wo seid ihr denn und was ist denn los? Nein wir sind aktiv, und ich lade einfach jeden ein, beim Netzwerk vorbeizuschauen und sich mit uns auseinanderzusetzen. Weil nur dadurch können wir uns weiterentwickeln."
Eins ist klar: Mit einem der "Stones" als nächstem SPD-Kanzlerkandidaten könnten die Netzwerker wieder an Bedeutung gewinnen – nicht nur in der Partei, sondern womöglich auch in der nächsten Bundesregierung.
"Das Netzwerk ist entstanden, weil junge Abgeordnete, die damals, 1998, nach dem großen Erfolg von Gerhard Schröder in den Deutschen Bundestag kamen, sich weder bei der klassischen parlamentarischen Linken wohlfühlten noch bei den Seeheimern. Man hatte eher kulturelle als politische Schwierigkeiten. Und so traf man sich, man traf sich häufiger, und ganz allmählich ist daraus eine politische Gruppierung geworden, ohne dass das planvoll verfolgt wurde."
"Es ist sicherlich so, weil Sie danach fragten: Gibt es das Netzwerk noch, dass man in der Opposition natürlich etwas schwerer hat, man merkt das in allen drei Flügeln innerhalb der SPD. Man merkt die Seeheimer nicht mehr so, die PL nicht so, das Netzwerk nicht so. Das hängt sicherlich mit der Oppositionsrolle zusammen."
Auch Sabine Bätzing-Lichtenthäler kommt nicht wie jemand daher, die Arbeitslose ärgern will, obwohl sie gerne vom "aktivierenden Sozialstaat" redet: eine jugendlich wirkende, schlanke 36-Jährige mit offenem Gesicht. Bätzing-Lichtenthäler ist SPD-Abgeordnete aus dem Westerwald, 2005 bis 2009 zog sie als Drogenbeauftragte der Bundesregierung in Talkshows gegen das Kampftrinken von Jugendlichen zu Felde. Wenn sie heute in den Bundestags-Sitzungswochen in Berlin lebt, ist das sogenannte "Netzwerktreffen" an den Donnerstagabenden einer ihrer wichtigsten Termine:
"Wir haben Donnerstag abends immer Veranstaltungen, wo wir prominente Gäste einladen und die Möglichkeit geben, mit diesen Prominenten zu diskutieren. Wir hatten jetzt auf der Einladeliste Peter Sloterdijk mit dabei."
In seinem Buch "Du musst Dein Leben ändern" reibt sich der Philosoph Peter Sloterdijk wortgewaltig an der Sozialdemokratie. Die Sozis, so Sloterdijk, stellen sich die Gesellschaft wie ein "Basislager" für Bergsteiger vor. Doch statt die Gipfelstürmer auch wirklich auf die Bergspitze klettern zu lassen, rufen sie die Leute dazu auf, immer nur um das Basislager zu kreisen. Damit will Sloterdijk sagen: Die Sozialdemokraten hindern die Leistungsbereiten in der Gesellschaft mit ihrer Affenliebe zum paternalistischen Sozialstaat an Spitzenleistungen. Für Linke in der SPD ist ein solches Denken Teufelszeug. Für die "Netzwerkerin" Sabine Bätzing-Lichtenthäler ist es zumindest diskussionswürdig:
"Ja, Peter Sloterdijk, wir hatten ihn eingeladen, er hat leider jetzt abgesagt, der Termin kommt jetzt noch. Aber nein, wir wollen uns wirklich damit auseinandersetzen, und es kann auch mal unangenehm sein, dass man sagt: Es geht uns einen Tick zu weit. Aber wir sollten uns darüber austauschen."
Wer will, kann Sloterdijks Absage als Zeichen werten, dass die Netzwerker heute längst nicht mehr die politische Bedeutung haben wie zu Zeiten Gerhard Schröders. Aber das wäre vielleicht etwas voreilig. Denn immerhin gelten gerade die "Stones" Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier als gute Freunde des politischen Kreises:
"Die Diskussion um Steinbrück ist sehr interessiert aufgenommen worden. Peer Steinbrück steht uns nahe, das ist ja bekannt. Wir sind aber nicht diejenigen, die gesagt haben, wir forcieren jetzt diese Kanzlerkandidatendiskussion, damit ist sicherlich niemandem gedient. Aber Peer Steinbrück ist sicherlich jemand, wo man sagen würde: Jawoll, das ist sicherlich ne gute Wahl. Aber Frank-Walter Steinmeier sicherlich genauso. Ich denke, wir haben da genug Potenzial, aus dem man da schöpfen kann."
Der Mainzer Netzwerker Michael Hartmann ist vorerst erst einmal froh, dass die tiefen Gräben, die in der Hochzeit der Hartz IV-Debatte vor allem zur parlamentarischen Linken in der SPD aufgerissen wurden, heute wieder ein wenig zugeschüttet sind. Als Zeichen der Versöhnung haben die Netzwerker ein Zitat von Bert Brecht ganz oben auf ihre Homepage gestellt: Die Zeiten fließen und flössen sie nicht, stände es schlecht um die, die nicht an goldenen Tischen sitzen. Zitat Ende.
"Ich habe als Abgeordneter wahrhaftig darunter gelitten, dass in Zeiten, in denen um Agenda 2010 und andere Reformen gerungen wurde, die Feindschaft innerhalb der Fraktion unerbittlich war. Dahin möchte ich keinesfalls zurückkehren, auch dann nicht, wenn wir hoffentlich bald wieder regieren."
Sein Landesvorsitzender Kurt Beck sei als Vermittler zwischen den Parteiströmungen noch immer ein Vorbild, so Hartmann. Aber er muss zur Kenntnis nehmen, dass sein Ministerpräsident seinen Einfluss in der Bundes-SPD inzwischen weitgehend verloren hat. Die Netzwerker wissen auch: Um ihr Profil nicht vollständig zu verlieren, müssen sie inhaltlich einen gewissen Abstand zu den Parlamentarischen Linken und dem rechten Seeheimer Kreis wahren. Sabine Bätzing-Lichtenthäler:
"Es ist nicht so, dass wir uns die Augen ausstechen zu PL und Seeheimern, aber es ist auch nicht der berühmte Kuschelkurs, den wir fahren. Wir sind nach wie vor aktiv, das ist wirklich ganz wichtig, weil ich erlebe das selber so in der öffentlichen Wahrnehmung, dass man angesprochen wird: Wo seid ihr denn und was ist denn los? Nein wir sind aktiv, und ich lade einfach jeden ein, beim Netzwerk vorbeizuschauen und sich mit uns auseinanderzusetzen. Weil nur dadurch können wir uns weiterentwickeln."
Eins ist klar: Mit einem der "Stones" als nächstem SPD-Kanzlerkandidaten könnten die Netzwerker wieder an Bedeutung gewinnen – nicht nur in der Partei, sondern womöglich auch in der nächsten Bundesregierung.