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"Wir sind natürlich bereit, Verantwortung zu übernehmen"

22 Milliarden Euro der Finanzhilfe, die Griechenland insgesamt bekommen soll, werden voraussichtlich von Deutschland gestellt. Kurt Beck (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, sagt, er sei nicht sicher, ob es tatsächlich bei dieser Summe bleiben werde.

Kurt Beck im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 03.05.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Vor wenigen Tagen noch hatte es geheißen, die Euro-Länder hätten sich grundsätzlich auf ein Hilfspaket für Griechenland geeinigt, nur um im Fall der Fälle schnell handeln zu können und für Beruhigung auf den Märkten zu sorgen. Der CDU-Politiker und Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte hier im Deutschlandfunk betont, Griechenland habe ja gar keine Probleme, an Kredite auf dem freien Markt heranzukommen, doch das ist längst Makulatur. Die griechische Regierung beschloss gestern ein milliardenschweres Sparpaket; im Gegenzug sollen in den kommenden drei Jahren 110 Milliarden Euro an Krediten fließen, 22 Milliarden allein aus Deutschland. Allerdings steht davor die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, die im Eilverfahren erfolgen soll.
    Telefonisch zugeschaltet ist uns jetzt Kurt Beck von der SPD, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Guten Morgen, Herr Beck.

    Kurt Beck: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Beck, die Zahlen liegen jetzt auf dem Tisch: Es geht um 22 Milliarden Euro allein aus Deutschland. Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, der hat gestern eine Zustimmung der SPD offen gelassen. Stiehlt sich die SPD also aus der Verantwortung?

    Beck: Nein, keinesfalls. Erstens: Wir sind natürlich bereit, Verantwortung zu übernehmen, und die Interessen Deutschlands, Europas und des Euro stehen im Vordergrund. Zum zweiten: Wir werden auch diesen engen Zeitplan mitmachen, das ist gar keine Frage, aber wir haben eine Reihe inhaltlicher Vorgaben, die noch nicht beantwortet sind, angemeldet.

    Heckmann: Nämlich?

    Beck: Dazu gehört insbesondere, dass wir auf den Boden des ganzen Problems schauen wollen. Ich bin mir nicht sicher, auch vor dem Hintergrund der Zahlen, die Mitglieder der Bundesregierung genannt haben, ob diese 22 Milliarden wirklich das letzte Wort sein werden. Und zum zweiten: Es müssen Antworten auf den Tisch, wie die Spekulation unterbunden wird. Die Bundesregierung muss ein Konzept vorlegen, wie sie in der Staatengemeinschaft agieren will.

    Heckmann: Die SPD hat eine Beteiligung der Banken auch zur Bedingung für eine Zustimmung gemacht. Weshalb eigentlich? Was können die Banken für die Finanzlage in Griechenland?

    Beck: Es ist insgesamt so, dass spekuliert worden ist. Es ist insgesamt so, dass natürlich auch Geld verdient worden ist an den Kreditaufnahmen der Griechen, und insoweit: Wir schaffen jetzt so etwas wie ein Beispiel für eine solche Krise in der Eurozone und die Banken haben ihren Anteil. Wenn eine private Firma in Schwierigkeiten kommt, müssen sie sich auch beteiligen, und sie müssen sich auch an dieser Stelle beteiligen, denn insgesamt ist auch viel über Spekulation an Schaden angerichtet worden.

    Heckmann: Es scheint ja jetzt um einen verhältnismäßig geringen Milliardenbetrag zu gehen, den Deutsche-Bank-Chef Ackermann eingesammelt hat bei Banken, aber auch bei Industrievertretern. Sigmar Gabriel, der SPD-Chef, sprach von einer Beruhigungspille. Eine Beruhigungspille, die am Ende auch die SPD schluckt?

    Beck: Das wird noch zu prüfen sein, ob sie groß genug, wirkungsvoll genug ist, und vor allen Dingen wird zu prüfen sein, ob das jetzt sozusagen so etwas wie freikaufen mit wenigen Beträgen ist, oder ob man bei zukünftigen Fällen die Verantwortung auch der Finanzwirtschaft einfordern kann.

    Heckmann: Wie hoch müsste die Beteiligung der Banken denn sein, Herr Beck?

    Beck: Ich glaube nicht, dass es jetzt Sinn macht, einen Betrag zu nennen, denn wir müssen zuerst mal von der Bundesregierung wissen, was die internationalen Prüfungen ergeben haben, wie tief das Loch denn in Griechenland ist. Herr Brüderle hat von 135 Milliarden beispielsweise gesprochen. Dann sieht das schon wieder anders aus. Also insoweit: es muss sich an der Größe des Schadens orientieren, der dort zu begleichen ist, und daran gemessen müssen dann auch die Bankenbeteiligungen orientiert sein.

    Heckmann: Die SPD, Herr Beck, hat kritisiert, Bundeskanzlerin Merkel habe die Hilfe verzögert, auch vor dem Hintergrund der Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Dann wiederum wurde ihr vorgehalten, vorschnell Zusagen gemacht zu haben gegenüber Athen. Das passt doch nicht zusammen, oder?

    Beck: Das passt wohl zusammen, denn vor zweieinhalb Wochen hat Frau Merkel die eiserne Kanzlerin gespielt, und daraufhin ist die Spekulationswelle erst richtig los gegangen. Es gibt ja Leute, die sagen, der Schaden, der zwischenzeitlich spekulativ eingetreten ist, der geht zu ihren Lasten. Insoweit: man hätte zu diesem Zeitpunkt sich um eine Vereinbarung bemühen müssen, auf europäischer Ebene und auf deutscher Ebene, dann wären wir ein ganzes Stück weiter. Insoweit passt das sehr wohl zusammen.

    Heckmann: Aber man kann doch Angela Merkel im Prinzip nur dankbar sein, dass sie darauf gepocht hat, dass es Hilfen nur geben werde, wenn es ein massives Sparpaket in Griechenland gibt.

    Beck: Das war doch eine Selbstverständlichkeit. Nein, sie hat dazu beigetragen durch ihre Haltung, dass zwischenzeitlich zweieinhalb Wochen spekuliert werden konnte. Wahrscheinlich ist die erste Rate, die wir jetzt als Deutsche, als Steuerzahler zu zahlen haben, dieser Spekulationsphase geschuldet und wird einfach dadurch geschluckt, dass die Zinsen hochgeschaukelt worden sind für die griechischen Kredite.

    Heckmann: Erst hatte es ja geheißen, dass die grundsätzliche Einigung auf das Hilfspaket der Beruhigung der Märkte dienen soll. Sie sollte dazu dienen, dass die Mittel gar nicht fließen müssen. Jetzt hat sich das Gegenteil herausgestellt. Hat die Bundesregierung also den Menschen Sand in die Augen gestreut?

    Beck: Auf jeden Fall hat sie durch das Nichtvorhandensein eines Konzepts und dem Mitwirken an einem europäischen Konzept, denn Deutschland hat ja dort blockiert vor zweieinhalb Wochen statt mitgewirkt, dazu beigetragen, dass eben diese Spekulationswelle so weitergehen konnte, dass der Schaden größer statt kleiner geworden ist.

    Heckmann: Jetzt heißt es, es gehe nicht um Steuergelder, sondern der Bund bürge ja nur für Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Auch der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, gab sich gestern optimistisch, dass das Geld nicht verloren sei. Hören wir mal kurz rein, was er gestern gesagt hat.

    O-Ton Jean-Claude Juncker: Ich zweifele nicht daran, dass die Euro-Länder ihr Geld zurückkriegen. Wir schieben ja hier nicht einfach Geld über die Theke, dies sind keine Geschenke und es wird Sache der Griechen sein, relativ schnell deutlich zu machen, dass sie ihr Programm voll umfänglich durchziehen und dass sie dann auch wieder zahlungsfähig werden.

    Heckmann: So weit der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker. – Herr Beck, sind Sie auch so sicher, dass das Geld wieder zurückfließt?

    Beck: Wir hoffen es natürlich alle, denn das Hilfspaket dient ja dazu, dass Griechenland eben nicht wirtschaftlich und finanziell zusammenbricht, und insoweit ist das eine Hoffnung, an die muss man glauben, wenn man so viel Bürgschaft gibt. Aber das Risiko ist natürlich da, und vor allen Dingen muss jetzt so gehandelt werden, dass die internationalen Finanzspekulanten sich, wenn Griechenland jetzt mit viel Steuergeld abgesichert ist, nicht den nächsten herausgreifen im südeuropäischen Raum und auch dort wieder den Druck so erhöhen, dass die Staatengemeinschaft wieder eingreifen muss. Also das Risiko ist ohne Zweifel da, auch wenn wir hoffen, dass es beherrschbar bleibt.

    Heckmann: Und wird klein geredet von Berlin?

    Beck: Das wollen wir jetzt mal abwarten, wenn das Kabinett heute getagt hat. Auf jeden Fall ist bisher nicht klar genug gemacht worden, wie geht man damit um, klare Kannte, klare Vorgaben, so weit gehen wir mit und das sind die Grenzen und das sind die Bedingungen, und dass man der internationalen Finanzspekulation mit den USA zusammen, wo sich Obama ja bemüht um Lösungen, den Briten, den Franzosen, den anderen Europäern zusammen einen Weg zu finden zu sagen, wir lassen uns diese Art Spekuliererei nicht mehr gefallen. In Deutschland wäre es jetzt an der Zeit, eine Spekulationssteuer endlich zu schaffen und sie nicht scheitern zu lassen an diesem Streit innerhalb der FDP-CDU/CSU-Koalition.

    Heckmann: Erst, Herr Beck, wurde die Regel außer Kraft gesetzt, dass die Defizite nicht über drei Prozent der Wirtschaftsleistung der einzelnen Länder steigen dürfen. Jetzt wurde die Regel über Bord geworfen, dass sich die Länder, die Euro-Länder nicht gegenseitig helfen dürfen. Erste Verfassungsbeschwerden wurden schon angekündigt. Denken Sie denn, dass das Vorgehen, das jetzt beschlossen wurde, Bestand haben wird?

    Beck: Ich glaube, dass die Frage, die Drei-Prozent-Regel temporär zu durchbrechen, vor dem Hintergrund der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise durchaus verantwortbar war. Allerdings muss so etwas temporär begrenzt sein, und auf diese neuen Herausforderungen müsste mit einem Gesamtkonzept geantwortet werden und nicht wieder nur mit einem einzelnen Durchbrechen der Regel, weil da erkennt man von außen, da erkennen die, die Währungen angreifen, um spekulativ Gewinne zu machen, natürlich die Schwächen und versuchen, sie zu nutzen.

    Heckmann: Kurt Beck (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Beck: Gerne! Auf Wiederhören.