Dienstag, 23. April 2024

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Wir sind nicht allein: Vom Menschen und seinen Bewohnern

Der menschliche Körper besteht aus ungefähr 10 Milliarden Zellen und es leben schätzungsweise zehnmal mehr Bakterien auf und im Menschen. Wir sind nicht allein – soviel ist sicher. Denn nicht nur Bakterien haben im "Lebensraum Mensch" eine gemütliche Heimstatt gefunden. In unserem Mundraum vergnügen sich winzige Amöben und Viren lassen sich in unserem Blut oder Körperzellen nachweisen. Spinnentierchen bevölkern die Poren unserer Haut. Die seltsamsten Würmer und Egel verstecken sich in den verschiedenartigsten Organen - und das nicht nur in den Tropen. Auch hierzulande erlebt der Fuchsbandwurm ein Comeback im Menschen. Ungefähr die Hälfte aller Deutschen trägt sogar in ihrem Gehirn eine Mikrobe: den winzige Einzeller "Toxoplasma". Er bevorzugt Nervenzellen als Schlafzimmer.

Von Kristin Raabe | 12.04.2004
    Die meisten unserer Besiedler sind harmlose Gesellen – im Laufe von Millionen von Jahren haben sie sich an uns und wir uns an sie gewöhnt. Viele sind sogar nützlich. Ohne unsere Darmbakterien wäre unsere Versorgung mit Vitamin K kaum gesichert und mit der Verdauung mancher Zucker hätten wir Probleme. Wenn uns Mikroben oder Parasiten tatsächlich krank machen – so ist das nichts weiter als ein Begleitsymptom einer unvollständigen Anpassung des Parasiten an seinen Lebensraum: den Menschen. Egal ob SARS, Malaria, Elefantiasis oder Tuberkulose - der Parasit ob Virus, Einzeller, Wurm oder Bakterium hat kein Interesse seinen Wirt zu töten. Denn ohne den Menschen kann er nicht. Aber auch der Mensch würde ohne seine vielen - größtenteils harmlosen - Bewohner ein trostloses Dasein fristen.

    Sprecher Christian Gottfried Ehrenberg:
    Und nun, meine Herrschaften möchte ich am Ende meines Vortrags einige Zeichnungen herumreichen. Sie zeigen die winzigen Lebewesen, welche ich in einem Wassertropfen fand. Es ist meine innerste Überzeugung: Diese Infusionsthierchen sind vollkommene Organismen. Sie ermöglichen uns einen Blick in das tiefere Leben der organischen Natur.

    Goethe:
    Hochverehrter Herr Professor Ehrenberg, haben sie vielen herzlichen Dank. Sehr schön und tröstlich für denjenigen, der im Allgemeinen einen ewigen Zusammenhang zu finden glaubt, ist die Bemerkung, dass in dem Wasser unter allen Himmelsstrichen sich gleiche einfache Gestalten hervorthun, die sich denn hernach durch Entwicklung und Assimilation, als den Haupt-Wirksamkeiten des Lebendigen, auf das wunderbarste vermannichfaltigen mögen. Haben Sie Dank für die Facilität, wie wir uns diese Geschöpfe näher gebracht sehen.

    Der begeisterte Zuhörer war niemand geringerer als Geheimrat Goethe höchstpersönlich. Ihm und einem kleinen Kreis von Zuhörern hatte der Naturforscher Christian Gottfried Ehrenberg dargeboten, welche Wunder er in einem Wassertropfen entdeckt hatte. "Infusorien", "Infusionsthierchen" oder einfach "Aufgusstierchen" wurden die winzigen Einzeller damals genannt. Christian Gottfried Ehrenberg hat mehr als 723 Kleinstlebewesen entdeckt, beobachtet und unter dem Mikroskop gezeichnet. Er verbrachte schließlich soviel Zeit vor dem Mikroskop, dass seine Augen darunter litten und er beinah erblindete. Aber die Mühe lohnte sich, denn Christian Gottfried Ehrenberg haben wir eine wichtige Erkenntnis zu verdanken:

    Diese Infusionsthierchen sind vollkommene Organismen.

    Und das – obwohl der rührige Wissenschaftler noch nichts von der Theorie der Zelle gehört hatte. Aber er war sich trotzdem sicher: Die Lebewesen, die er in einem Heuaufguß fand, fraßen, vermehrten und lebten nicht viel anders, als andere Lebewesen auch. Einzeller haben alles, was sie zum Leben brauchen, in einer Zelle. Betrachten wir einmal ihre wichtigsten Merkmale:

    Die Einzeller - auch Protozoen oder Protisten genannt

    Aussehen:
    Die Vielfalt ist beinah unbegrenzt. Es gibt sternförmige, spiralige, ovale, zackige, runde, spitze und amorphe Formen.

    Größe:
    Ein vierzigstel bis ein Viertel eines Millimeters. In der Welt der Winzlinge also ein Riese. Manche Exemplare sind tausendmal größer als ein Bakterium und zehnmal größer als eine menschliche Eizelle.

    Kleidung:
    Alle Protisten hüllen sich in eine Membran - genau wie die menschliche Zelle auch. Besonders extravagante Exemplare umgeben sich zusätzlich mit einer Hülle aus Kieselsäure oder Kalk.

    Vermehrung:
    In der Regel durch Zweiteilung: Einzeller sind aber auch zu geschlechtlicher Fortpflanzung fähig. Dazu bilden sie Geschlechtszellen aus. Manchmal vereinigen sich die Partner auch direkt – ohne Zwischenstadium.

    Essgewohnheiten:
    Die meisten haben eine Vorliebe für Bakterien und Algen.

    Lebensraum:
    Die Wüste und das Eis der Arktis sind genauso beliebt wie die Menschliche Mundhöhle.

    Besondere Merkmale:
    Ein Zellkern – manchmal sogar zwei. Beide Kerne enthalten das Erbmaterial – die DNS. Der Kleine Kern spielt vor allem bei der geschlechtlichen Fortpflanzung eine wichtige Rolle.

    Einzeller haben also Sex. Im Laufe ihres Lebenszyklus bilden sie manchmal geschlechtliche Zellen aus. Die männlichen Zellen verschmelzen dann mit den weiblichen Zellen. Daneben betreiben viele Einzeller zusätzlich noch die Zweiteilung als simple aber effektive Fortpflanzungsmethode. Und das alles geschieht täglich sogar in und auf uns. Trichomonas Vaginalis beispielsweise hat die weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen zu seinem Lebensraum gewählt. Nur ein Drittel der Infizierten leidet dabei unter einem lästigen Juckreiz. Für die meisten ist der Einzeller aus der Gruppe der Geißeltierchen ein harmloser bakterienvertilgender Besiedler.

    In unserem Darm vergnügen sich mindestens fünf verschiedene Amöbenarten. Dort ist es schön warm, feucht und das Nahrungsangebot ist unermesslich. Entamoeba coli beispielsweise, ernährt sich von den Escherichia coli-Bakterien in unseren Eingeweiden. Amoeben vergnügen sich auch in unserer Mundhöhle. Entamoeba gingivalis schiebt ihre Scheinfüßchen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 2,5 Zentimeter in der Stunde vorwärts. Sie frisst Bakterien, in dem sie sie einfach umfließt. Sicherlich ist auch mal der ein oder andere Schädling dabei. Gelegentlich finden sich Amöben auch in der Nasenschleimhaut. Andere Einzeller haben es sogar bis in unser Steuerzentrale geschafft: Fast die Hälfte aller Deutschen trägt in ihrem Gehirn den Einzeller Toxoplasma – genau wie die Wissenschaftlerin Ingrid Reiter-Owona vom Institut für Parasitologie der Universität Bonn:

    Ja ich bin schon viele Jahre positiv und bei mir ist es genauso wie bei vielen anderen Menschen hier in der Bundesrepublik oder in Mitteleuropa, ich weiß überhaupt nicht wie ich mich infiziert habe, weil bei den meisten so eine Infektion ohne Krankheitserscheinungen verläuft. Ich habe mich zum ersten Mal vor 15 oder vor 20 Jahren testen lassen und war schon positiv. Wir hatten keine Katzen zu Hause, aber ich komme aus einer ländlichen Gegend und in ländlichen Gegenden sind die Menschen meist in einem höheren Prozentsatz durchseucht.

    Toxoplasma Gondii gehört zur Familie der Sporentierchen. Diese Einzeller leben alle als Parasiten. Der Mensch ist für Toxoplasma allerdings eine Sackgasse. Richtig wohl fühlt sich dieser einzellige Parasit nur in der Katze. In ihrem Darm kann er seine geschlechtlichen Stadien ausbilden und sich vermehren. Die Katze scheidet in ihrem Kot die so genannten Oozysten aus. Nach zwei Tagen bilden sich aus diesen Oozysten Sporen. Nur sie sind Infektiös. In diesem Dauerstadium kann Toxoplasma lange warten – darauf, das ein neuer Wirt vorbeikommt. Der Katzenkot ist schon längst vergangen, da sitzen die Sporen von Toxoplasma noch im Staub oder auf einem Grashalm. Eine Maus, ein Schwein, ein Schaf oder auch der Mensch können die Sporen so aufnehmen.

    Es gibt dann die zweite Möglichkeit der Infektion für Fleischfressende Wesen auf dieser Erde...dadurch, dass sich zum Beispiel Menschen durch Fleisch ernähren, ganz besonders durch Fleisch was nicht gekocht ist. Also hier im Rheinland, dieser Hackepeter oder Mettwürste, die nicht ausreichend gekocht oder geräuchert sind, kann sich der Mensch durch Zystenhaltiges Fleisch....kann er sich infizieren und es kommt auf diese Weg auch zu Ausbildung von Zysten in den Organen.

    Über die Darmwand dringen die Toxoplasma-Sporen dann in die Blutbahn oder das Lymphsystem ein, von dort geht es weiter in die Muskeln und das zentrale Nervensystem.

    Wir gehen davon aus, dass gerade die Neuronen, das sind Zellen, die sich später nach Ausreifung des Gehirns nicht mehr teilen, das ideale Schlafzimmer für diese Parasiten darstellen, weil sie durch keine Zellteilung des Parasiten mehr gestört werden.

    Und dort schlummert Toxoplasma - jahrelang. Ein Leben lang, wenn nötig.

    Er wartet so lange darauf, ganz lange darauf und ganz ohne Überreaktion darauf bis er von demnächsten Endwirt, also von einer Katze oder einem katzenähnlichen, was beim Menschen ja nicht stattfindet, aber bei Nagetieren, bei Schafen, bei infizierten Schweinen und so weiter, wenn Fleisch oder Fleischabfälle verfüttert werden, dann kommt es da wieder zu einer Reaktivierung des Zyklus und zu einer Ausbreitung des Erregers in die Umwelt.

    In Nagetieren kann Toxoplasma im Gehirn beinah die Kontrolle übernehmen. Infizierte Ratten und Mäuse verlieren ihre Angst vor Katzengeruch. Das nutzt letztlich dem Parasiten. Denn so werden die Nager eher Opfer einer Katze. Und da will Toxoplasma schließlich hin. Im Menschen führt Toxoplasma ein eher unscheinbares Dasein, eingezwängt in enge Zysten in den Nervenzellen, lässt das Immunsystem dem Parasiten keine Chance. Wehe, aber wenn die Abwehr nachlässt: Bei Menschen deren Immunsystem unterdrückt ist, Aidspatienten oder Organtransplantierten, kann der Parasit regelrechte Löcher ins Gehirn fressen. Gefährdet sind auch ungeborene Kinder: Wenn eine Frau sich während der Schwangerschaft frisch mit Toxoplasma infiziert hat, dann können die Sporen über die Plazenta in den Fötus einwandern und sein Gehirn zerstören. Trägt die Mutter schon lange vor der Schwangerschaft den Parasiten in sich, besteht für das Ungeborene keine Gefahr. Angesichts seiner enormen Verbreitung ist Toxoplasma ein wirklich harmloser Einzeller. Kaum ein anderer Parasit kann so viele unterschiedliche, Wirtsorganismen infizieren und dabei völlig ungefährlich bleiben. Forscher schließen daraus eins: Toxoplasma ist uralt und lebt wahrscheinlich schon seit Urzeiten mit den Menschen und anderen Tieren. Wahrscheinlich ist Toxoplasma der erfolgreichste Parasit überhaupt:

    Es gibt keinen anderen Parasiten der so unabhängig von klimatischen Regionen weltweit so eine Verbreitung gefunden hat wie Toxoplasma.

    Die meisten parasitischen Einzeller brauchen sicherlich noch einige Jahrtausende, bis sie ähnlich gut an Mensch und Tier angepasst sind wie Toxoplasma. Dass Einzeller krank machen können, fiel im 17. Jahrhundert dem Tuchhändler und Forscher Antonie van Leeuwenhoek auf:

    Antonie van Leeuwenhoek:
    Maria, Maria ich hab’s.

    Maria:
    Vater, Ihr wißt ich schätze und verehre euch nicht nur als Tochter. Vorallem bewundere ich euren brillianten Geist.
    Aber es nützt alles nichts, Ihr seit krank und gehört ins Bett. Also weg mit dem verdammten Mikroskopiergerät.


    Leeuwenhoek:
    Ach lasst mich, lasst mich. Krank oder nicht krank. Das liegt doch alles nur an diesen Animalcula, diese kleinen Bestien sind schuld. Ich hab sie gesehen, ich habe sie gesehen in einem kleinen Pröbchen von meinem ähm, na in..

    Maria:
    Das ist doch nicht die Möglichkeit: In eurem eigenen Dünnschiß habt hier herumgewühlt und das ganze auch noch unter euer wertvolles Mikroskop gelegt. Seid ihr denn noch zu retten?

    Leeuwenhoek:
    Ja durchaus. Ich bin sicherlich noch zu retten – mit der Unordnung in meinem Gedärm wäre es vorbei, wenn ich diese kleine Biester unter den Animalcula nur los werden könnte.

    Uff, mir wird dann ganz schwindelig. Maria hilf mir, ich muss wieder auf mein Lager.

    Für das, was Antony van Leuwenhoek Anfang des 18 Jahrhunderts in seinem Stuhl fand, hatte nur eine unklare Bezeichnung: Er sprach von Animalkula, Miasmen oder einfach "diesen Bestien". Die Zeichnung, die er anfertigen ließ, zeigt allerdings deutlich das Geißeltier Gardia Lamblia. Der Darmbewohner war der erste Mikrooraganismus, der mit einer Krankheit in Verbindung gebracht wurde. Antony van Leeuwenhoek schließlich starb 1723 nach einer langen Krankheit, deren Symptome er selbst als schwere Verdauungsstörungen und quälende Krämpfe des Zwerchfells beschrieb. Ursache dafür war vermutlich nicht Gardia Lamblia. Das Geißeltier verursacht nur bei wenigen Infizierten einen leichten Durchfall. Es vermehrt sich vermutlich eher als Folge einer anderen Verdauungsstörung. Und für die könnten andere Einzeller verantwortlich gewesen sein. Die Amöbenruhr war zu Leeuwenhoeks Zeiten auch in den Niederlanden verbreitet. Heutzutage kommt die Amöbenruhr nur noch in den Tropen vor. Egbert Tannich hat diese Krankheit bei Patienten am Bernhard-Noch-Institut in Hamburg studiert.

    Ich habe hier als Arzt angefangen im Krankenhaus und habe hier solche Patienten kennengelernt, die solch eine Erkrankung hatten. Ich habe auf der anderen Seite aber auch Patienten kennengelernt, die solch eine Infektion hatten, aber gar nichts von der Infektion wussten. Also dieser Zwiespalt zwischen Infektion und Erkrankung und Infektion und nichts wissen von seiner Infektion, hat mich interessiert. Ich wollte einfach wissen, warum einige Personen erkranken und andere nicht. Als ich vor zehn Jahren angefangen habe gab es verschiedene Theorien. Die eine Theorie besagte, die Amöben verhalten sich mal so und mal so. Die können mal pathogen werden und dann invasiv, oder sie verhalten sich als harmlose Kommensalen als Symbionten in unserem Darm. Eine andere Theorie besagte, es gibt zwei Arten von Amöben eine Krankmachende und eine nicht krankmachende. Und es hat mich interessiert welche Theorie denn nun stimmt.

    Im Tierhaus des Bernhard-Nocht Instituts befinden sich auch die Amoeben, deren Geheimnis der Forscher enträtselt hat.

    So also hier werden dann die Amöben gezüchtet. Entamöba histolitica, das ist der Erreger. Und wächst in solchen Kulturflaschen und wie sie schon sehen, die Flasche muss ganz gefüllt sein, da darf kein Sauerstoff drin sein, ...die Amöben sind anaerob, die mögen kein Sauerstoff.
    Wenn man die kultiviert in der Anwesenheit von Sauerstoff dann gehen die ein.


    So und unter dem Mikroskop kann man die jetzt schön beobachten. .....

    Tatsächlich: Der Name Wechseltierchen ist passend für die Amöben. Immer wieder ändern sie ihre Form und nutzen das zur Fortbewegung und zum Fressen, indem sie ihre Opfer, meistens sind es Bakterien, einfach umschlingen.

    Das ist jetzt eine Amöbe, die theoretisch krank machen kann.

    So und jetzt haben wir noch diese andere Art. Entamöba dispa. Die hat man bis vor zehn Jahren noch mit diesen gleichgesetzt, weil die mikroskopisch genau gleich aussehen, auch wenn man die aus dem Stuhl des Menschen sich anguckt. Man wusste nicht, dass das zwei verschiedene Arten sind. In beiden Fällen hat man die Leute früher behandelt, wenn sie aber diese Art hatten, Entamöba dispa braucht man sie nicht behandeln, das weiß man heute. Und die Mehrzahl der Menschen, die sich in den Tropen infizieren, infizieren sich mit dieser Form, das heißt viele von denen, die man früher behandelt hat, braucht man gar nicht mehr behandeln, wenn man weiß um welche Amöbe es sich handelt.

    Es sind also tatsächlich zwei verschiedene Amöben. Entamoeba histolitica macht den schlimmen Durchfall und den gefährlichen Leberabzess. Entamoeba dispa ist ein völlig harmloser Verwandter. Alle Rätsel der Amöben hat Egbert Tannich damit aber noch nicht gelöst. Warum erkranken manche Menschen erst so spät, monate, ja sogar Jahre nach der Infektion? Und warum bekommen einige der Erkrankten einen Gefährlichen Leberabszess? Wie schafft es die Amöbe überhaupt in der Leber zu überleben? In dem stoffwechselaktiven Organ ist es 40 Grad heiß. Viel zu warm für eine gewöhnliche Amöbe. Was die Amöbe in die Leber treibt, das würde der Forscher gerne noch herausfinden.

    Ich glaube zwei Dinge. Erstmal gibt es Unterschiede unter den Menschen. Es gibt offensichtlich Menschen, die infiziert werden und die wahrscheinlich gar nicht erkranken. Und es gibt Menschen, die infiziert werden und nach einer bestimmten Zeit erkranken. Es gibt also genetische Varianten unter den Menschen, die primär geschützt sind. Das sieht man auch schon an der Verteilung unter Männern und Frauen. Frauen kriegen ganz ganz selten einen Leberabszess, fast nur erwachsene Männer zwischen 30 un 50 Jahren. Also es gibt einen genetischen Unterschied zwischen Männern und Frauen und der macht sich bemerkbar in der Empfänglichkeit für Amöbenleberabzsess. Und so wird es unter den Männern auch noch weitere Unterschiede geben, die dazu beitragen, das manche Männer gar nicht erkranken und andere ein erhöhtes Risiko haben zu erkranken. ...Und der zweite Faktor denke ich ist der, dass die Amöben sich im Laufe der Infektion tatsächlich verändern, das sie eine Eigenschaft erwerben, die es ihnen erlaubt,,,diese Erkrankung hervorzurufen. Amöben, die wir normalerweise im Darm haben, können unter diesen Bedingungen, wie wir sie in der Leber herrschen eigentlich nicht überleben. ...Die Amöben die das schaffen in die Leber zu überleben, die müssen eine besondere Eigentschaft erworben haben, die es ihnen erlaubt in der Leber zu überleben.

    Egbert Tannich arbeitet mit anderen Forschern daran das Genom der Entamoeba histolitica zu entziffern. Wenn das gelungen ist, dann will er auch endlich den Faktor finden, der es dieser Amoebe ermöglicht in der Leber des Menschen soviel Schaden anzurichten.

    Karl May:
    Wir selbst befanden uns alle wohl, mit Ausnahme eines Einzigen. Dies war Sir David, welcher unter einem großen Ärger zu leiden hatte. Er war nämlich vor einigen Tagen von einem Fieber befallen worden, welches ungefähr vierundzwanzig Stunden lang anhielt. Dann war es wieder verschwunden, aber mit diesem Verschwinden hatte sich bei ihm jenes schaudervolle Geschenk des Orientes entwickelt, welches der Lateiner Febris Aleppensis, der Franzose aber Mal d'Aleppo oder Bouton d'Alep nennt. Diese 'Aleppobeule', welche nicht nur Menschen, sondern auch gewisse Thiere z.B. Hunde und Katzen heimsucht, wird stets von einem kurzen Fieber eingeleitet, nach welchem sich entweder im Gesicht oder auch auf der Brust, an den Armen und Beinen eine große Beule bildet, welche unter Aussickern einer Feuchtigkeit fast ein ganzes Jahr steht und beim Verschwinden eine tiefe, nie wieder verschwindende Narbe hinterläßt. Der Name dieser Beule ist übrigens nicht zutreffend, da die Krankheit nicht nur in Aleppo, sondern auch in der Gegend von Antiochia, Mossul, Diarbekr, Bagdad und in einigen Gegenden Persiens auftritt. Ich hatte diese verunstaltende Beule schon öfters gesehen, noch niemals aber in der ungewöhnlichen Größe, wie bei unserm guten Master Lindsay. Nicht genug, dass bei ihm die außerordentliche Anschwellung im dunkelsten Roth erglänzte, war sie auch noch so impertinent gewesen, sich just die Nase zu ihrem Sitze auszuwählen - diese arme Nase, welche so schon an einer ganz abnormen Dimension zu leiden hatte. ......."
    ( Karl May: "Von Bagdad nach Stambul")

    Die Ursache der "Aleppobeule" oder "Orientbeule" sind wieder winzige Einzeller, diesmal aus der Familie der Geißeltiere. Charakteristisches Merkmal dieser Gruppe sind eine oder mehrere Geißeln. Leishmania können nicht nur unangenehme Beulen in der Haut verursachen, manchmal befallen die Parasiten auch Organe. Diese Form der Erkankung wird auch als Kala-Azar oder Dumdum-Fieber bezeichnet. Sie endet oft tödlich. Welche Form von Leishmaniose ausbricht hängt von dem Erreger ab, der im Mittelmeerraum, in Afrika, in Asien und in Südamerika in verschiedenen Varianten vorkommt. Dabei ist er abhhängig vom Vorkommen einer bestimmten Mückenart, wie Martin Wiese vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg weiß.

    Die Infektion verläuft über den Biss der so genannten Sandmücken, das sind kleine Fliegen. Blutsaugende Insekten, die die Parasiten tragen und sie übertragen, bei der Blutmahlzeit.

    Einmal im Menschen geschieht etwas schier unglaubliches: Die einzelligen Leishmanien schwimmen mit ihren Geißeln im Blut herum, bis eine Fresszellen des Immunsystems sie frisst – aber nicht verdaut. Anstatt sich in sämtliche Bestandteile aufzulösen, machen es sich die Leishmanien in den Immunzellen so richtig gemütlich. Sie verlieren ihre Geißel und vermehren sich durch Zweitteilung. Das geht solange bis die Fresszelle platzt. Sie setzt jede Menge unbegeißelte Leishmanien frei, die können von einer blutsaugenden Mücke aufgenommen werden oder einfach noch mehr Fresszellen infizieren. Wie die Leishmanien erkennen, dass sie sich verändern müssen, um den Wechsel von Mücke zu Mensch erfolgreich zu überstehen – das würde Martin Wiese gerne herausfinden. Sicher weiß er im Moment nur, dass der Temperaturwechsel und die Änderung des Ph-Wertes dabei eine Rolle spielen. Leider rücken die Einzeller nicht so ohne weiteres mit ihrem Geheimnissen heraus.

    Dann gucken wir uns die mal an.....Wir können jetzt mal so eine dichte Kultur hier hinten raus nehmen. Die sieht jetzt schon ein bisschen trübe aus. Das wäre eine von unseren Mutanten. Die können wir uns mal am Mikroskop anschauen.

    Von denen sollte man sich also lieber fernhalten.

    So sehen die aus, wenn die im Überträger im Insekt sind. Und dann werden die so, von dem Insekt sozusagen hochgewürgt und in die Bissstelle übertragen, es ist ja hier so, dass die Sandmücken nicht stechen, sondern ...die beißen eine kleine Öffnung in die Haut, so dass sich eine Art Pool bildet in der Haut und darin gelangen dann die Erreger.

    Die Leishmanien kann, man ohne Mikroskop sowieso nicht erkennen. Wer die Leishmaniose vermeiden will, der sollte sich vor ihrem Überträger - der Sandmücke – schützen.

    Ich kann ihnen eine zeigen. Die habe ich selbst gefangen und zwar im Mittelmeerraum in Ligurien.

    Die Größe das sind so ein bis zwei Millimeter und die verursachen kleine sehr stark juckende Stiche.

    In dem Ferienhaus in dem wir da waren, saßen die überall an der Decke. Also diese hier habe ich mit Haarspray direkt fixiert und konserviert.


    Was haben wir heutzutage nicht alles für nützliche Hilfsmittel – neben dem Haarspray auch das Telefon. Damit können wir beispielsweise den Arzt um Rat fragen, wenn es uns schlecht geht. Albrecht Dürer musste noch auf die Postkutsche warten, als er bei einem längeren Arbeitsaufenthalt in den Niederlanden plötzlich erkrankte. Er schriebe einen langen Brief an seinen Arzt, in dem er seine Symptome schildert. Außerdem legte er eine Zeichnung bei, mit einem schriftlichen Vermerk.

    Albrecht Dürer:
    Do der gelbe fleck ist und mit dem finger drauff deut, do ist mir we.

    Der gelbe Fleck wies vermutlich auf die geschwollene Milz hin. Der große Meister hatte sich in den Niederlanden nämlich eine Malaria zugezogen. Damals lebten die Überträger der einzelligen Malariaparasiten - die Anopheles Mücken - vor allem in den Schweineställen. Diese Mücken mögen es warm und feucht. Die wenigen verbliebenen Rheinauen zählen heute noch zu ihren Heimstätten. In Rheinland Pfalz haben sie zudem einen neuen Lebensraum für sich entdeckt: Güllegruben.

    Außer an diesen ausgefallen Orten findet sich die Malariamücke auch noch im Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Volker Heussler braucht sie für seine Malariaforschung:

    Hier kommen wir ins tropische Klima – da sind eben unsere Anopheles mücken. Was sie hier sehen ist Anopheles stephensi ein Überträger der Mäusemalaria, mit der wir arbeiten, aber auch der humanen Malaria.

    Da sind die Mückenlarven. Das fängt an mit Eiern, die werden von den erwachsenen Mücken abgelegt. Das sieht man hier in diesen Kästen, sind kleine Wasserreservoirs, darin legen Mücken ihre Eier ab und bringen die in die Container da drüben und dann entwickeln sich die Larven innerhalb von 14 Tagen zu erwachsenen Mücken. Bevor die Schlüpfen müssen wir die Absaugen. Ist ja klar, sonst wäre der Raum hier ja voller Mücken. Jeden Tag im Prinzip muss hier jemand sein und muss die Mücken absammeln. Also hier zum Beispiel ist ein Kasten wo die Mücken schon relativ weit sind. Die sind gar nicht so unterschiedlich aber man entwickelt mit der Zeit ein Auge dafür und die müssen wie gesagt jeden Tag abgesammelt werden und in diese Entwicklungskästen überführt werden. Und da drin sind Männchen und Weibchen, die können sich dann wieder begatten und Eier legen, so wird der Zyklus dann wieder geschlossen.

    Was wir aber nur brauchen sind die Weibchen, weil nur die Weibchen Blut saugen. Die Männchen saugen hier an der Zuckerwatte, die wir hier reinstellen in die Kästen, sieht man da unten, so ein Wattebausch, der ist gefüllt mit Zuckerwasser und daran saugen beide, die Männchen und die Weibchen, aber die Weibchen brauchen eben eine Blutmahlzeit, um ablegen zu können.


    Einige Etagen tiefer geht es dann richtig zur Sache. Erst hier werden aus den Anophelesmoskitos echte Malariamücken.

    Wenn wir die Mücken infizieren wollen, dann müssen wir die eben in eine etwas tiefere Temperatur bringen. Oben waren es 28 Grad und eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit, hier haben wir 21 Grad und da kommen die Mücken rein. Und im Prinzip in den so genannten Infektionskäfigen, da sausen die dann rum. Da bekommen die einen Zuckerball, der Zuckerball wird rausgenommen für einen Tag und dann dürfen die an einer infizierten Maus saugen und dadurch werden die selbst infiziert und wir haben dann etwa 14 Tage später unsere infizierten Moskitos.

    Sind die Moskitos einmal infiziert, dann muss Volker Heussler erst einmal an die Malariaparasiten heran – und das ist gar nicht so einfach. Die Malariaerreger sitzen nämlich in winzigen Sporen in den Specheldrüsen der Insekten. Aber die Mühe lohnt sich: Denn Malaria steht – laut einer Statistik der Weltgesundheitsorganisation – an Platz 8 unter den 10 größten Killern weltweit. Insgesamt sterben schätzungsweise zwei bis drei Millionen Menschen an der Tropenkrankheit. In Afrika ist sie sogar die dritthäufigste Todesursache. Dort ist der Erreger oft noch deutlich aggressiver als in Asien oder Südamerika.

    In Afrika habe ich selbst schon erlebt, dass das ganz dramatische Krankheitsbilder macht. Also die Leute sind an einem Tag noch völlig normal und innerhalb von wenigen Stunden können sie sich nicht mehr bewegen. Bei einem Freund von mir war das so schlimm, dass er es gerade noch geschafft hat zur Tür seines Hotelzimmers zu gehen und die aufzumachen, dann ist er zusammengebrochen und wenn ihn niemand da gefunden hätte, wäre er ein paar Stunden später tot gewesen, also damit sollte man absolut nicht spaßen.

    Der einzellige Malariaparasit gehört zur Gruppe der Sporentierchen. Es ist verblüffend, wie effizient die Sporen - die so genannten Sporozoiten - sich im menschlichen Körper ausbreiten.

    Die infizierte Mücke sticht und durch den Stick kommen eben hochvirulente Sporozoiten in die Blutbahn des Wirtes und mit dem Blutstrom kommen die sehr schnell zur Leber. Egal an welcher Stelle des Körpers die Mücke sticht wird der Parasit innerhalb einer halben Stunde zur Leber kommen. Und dort geht er dann aus der Blutbahn heraus und geht in die Leberzellen hineine, bohrt sich regelrecht in die Leberzellen hinein und dort geht die Entwicklung weiter, das ist eine relativ dramatische Entwicklung. Es wird aus einem einzigen Sporozoiten im Fall der humankrankmachenden Malaria, werden bis zu 50.000 Sporozoiten. Das heißt selbst wenn der infizierte Mosquito nur eine Sporozoiten und es sind an sich nicht sehr viele , normalerweise nur eine Handvoll von Sporozoiten, selbst wenn nur eine in die Leberzelle kommt, das reicht um eine Malaria zu bekommen.

    Wenn die Sporen sich in den Leberzellen vermehrt haben, dann entern sie die roten Blutkörperchen, dort vermehren sie sich weiter bis das Blutkörperchen platzt. Der Körper des infizierten wird mit den Überresten der zerstörten Blutzellen und den Stoffwechselprodukten der Malariaparasiten regelrecht überschwemmt. Er reagiert mit hohen Fieber. Weil sich der Vorgang nach der Infektion immer wieder wiederholt leiden Malariapatienten alle drei bis vier Tage an hohem Fieber. Wenn es gelänge die tückischen Einzeller zu bekämpfen solange sie in der Leber sitzen, dann bliebe den Malariakranken das hohe Fieber erspart. Volker Heussler untersucht, warum die infizierten Zellen eigentlich keinen Selbstmord begehen – denn das tun Körperzellen normalerweise, wenn sie von einem Eindringling besetzt sind.

    Wenn die Zelle stirbt, dann wird der Parasit auch nicht überleben, weil die Zelle die stirbt, zeigt das ihrer Umgebung an und sofort kommen dann so genannte Fresszellen und nehmen diese Zellen auf und verdauen die sehr effizient.

    Im Grunde haben Malariaparasiten nur zwei Möglichkeiten. Sie müssen sich tarnen oder die Zelle manipulieren. Dass die Leberzelle gar nicht merkt, dass ein gut getarnter Parasit sie besetzt hat, ist kaum vorstellbar: Denn die Leberzellen sind so ausgefüllt mit den sich vermehrenden Parasiten, dass sie das drei bis vierfache ihrer normalen Größe annehmen. Also müssen die Malariaerreger geschickte Manipulatoren sein. Und genau das hat Volker Heussler in seinem Labor nachgewiesen.

    Der Parasit liegt ja nicht direkt in der Zelle vor, sondern er ist umgeben von einer Vakuole und er sezerniert offensichtlich gezielt Proteine, das heißt er bringt Proteine von sich in diese Vakuolenmembran, die dann natürlich direkten Kontakt mit der Leberzelle, mit dem inneren der Leberzelle hat.

    Diese Proteine sind hochaktiv und verhindern anscheinend, dass die Zelle Selbstmord begehen. Die malariainfizierten Leberzellen sind sogar immun gegen Substanzen, die selbst bei völlig gesunden Zellen sofort den kontrollierten Zelltod auslösen.

    Deswegen erklären eigentlich unsere Ergebnisse schon ganz gut, warum diese Impfstrategien, die man verwendet gegen das Leberstadium noch nicht sonderlich erfolgreich waren.

    Die Leberzellen werden so stark von den Parasiten manipuliert, dass sie nach außen hin gar nicht anzeigen, dass sie befallen sind. Das Immunsystem kann gar nicht auf die infizierten Zellen aufmerksam werden und folglich auch nicht eingreifen. Einzellige Parasiten verstehen von der menschlichen oder tierischen Zelle eben viel mehr als jeder noch so geniale Molekularbiologe. Und das hat auch Christian Gottfried Ehrenberg schon geahnt, wie heute noch auf dem Grabstein des brillianten Mikrobiologen zu lesen ist.

    Der Welten Kleines auch ist wunderbar und groß, Und aus dem Kleinen bauen sich die Welten.