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"Wir sparen insgesamt wertvolle Lebenszeit für die jungen Menschen ein"

Der Bildungsmonitor des wirtschaftsnahen Instituts der deutschen Wirtschaft ordnet die Bundesländer nach Qualitäten in der Bildung für den Arbeitsmarkt. Einer der Autoren der Studie, Oliver Stettes, sieht die Fortschritte in der Bildungspolitik insbesondere im bewusstem Umgang mit der Bildungszeit. Durch die Einführung der Studiengänge Master und Bachelor seien die Ausbildungszeiten an den Hochschulen in einigen Ländern wesentlich kürzer als zuvor.

Oliver Stettes im gespräch mit Jörg Biesler | 26.08.2008
    Jörg Biesler: Einen Bildungsmonitor gibt die Lobbyorganisation Neue Soziale Marktwirtschaft regelmäßig in Auftrag beim wirtschaftsnahen Institut der Deutschen Wirtschaft. Die Wissenschaftler des Instituts stellen dann Ranglisten auf, in denen die einzelnen Bundesländer nach Kriterien geordnet werden. Solche können zum Beispiel sein die Betreuungssituationen in den Bildungseinrichtungen, die Chancen, Förderung zu erhalten, die Qualität der Schulen oder etwa die Akademikerquote. Doktor Oliver Stettes ist einer der Autoren der Studie. Guten Tag.

    Oliver Stettes: Schönen guten Tag, Herr Biesler.

    Biesler: Rankings sind ja sehr umstritten in letzter Zeit. Bei Ihnen werden jetzt die Bundesländer sozusagen in ein Ranking sortiert, um gute und schlechte Bundesländern voneinander zu unterscheiden. Bei dieser Unterscheidung, die ja dann doch irgendwie vergröbernd und pauschal ist, ist in letzter Zeit sehr heiß diskutiert worden. Sie setzen dennoch darauf. Warum?

    Stettes: Es gibt zwei Gründe. Zum einen ist es so, dass wenn man die Bundesländer miteinander vergleicht, dann möchte man auch wissen, wer macht etwas besonders gut, wer erzielt in welchem Bereich besonders viele Fortschritte und in welchem Land gibt es in welchem Bereich noch besonderen Handlungsbedarf. Und das kann man hervorragend an einem Ranking zeigen, weil es uns dann gleichzeitig zeigt, wie die Bundesländer zu einem bestimmten Zeitpunkt zueinander stehen, aber auch wie sich diese Bundesländer im Zeitablauf entwickeln, weil das ist auch ein Element unseres Bildungsmonitors, dass wir den Zustand heute mit dem Zustand vor vier Jahren vergleichen.

    Biesler: Also, ein bisschen Konkurrenz soll auch bei der ganzen Sache dabei sein?

    Stettes: Richtig. Weil natürlich aus, wir haben einen Bildungsföderalismus, wir haben Bildungskompetenzen, die in den Bundesländern liegen. Und dann ist es auch in der Natur der Sache, dass man auch ein bisschen den Wettbewerb befördern möchte, dass diejenigen, die vielleicht momentan noch ein bisschen hinten dran stehen, dann von denjenigen lernen, die vorne dran stehen.

    Biesler: Es ist ja eine Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Das heißt, was würden Sie eigentlich als gut definieren in so einem Ranking, also welches Bundesland ist besonders gut und warum, und was ist besonders schlecht?

    Stettes: Das hängt natürlich von der Fragestellung ab, die Sie mit einem Ranking verbinden. Und wir haben eine übergeordnete Fragestellung, dass wir sagen, können von dem Bildungswesen in den Bundesländern positive Wachstumsimpulse ausgehen, einerseits. Und zum Zweiten bieten die Bildungssysteme in den Bundesländern gerechte Startchancen, Bildungschancen, damit jeder einzelne später im Berufsleben oder im gesellschaftlichen Leben auch ausreichend teilhaben kann. Und von dieser Fragestellung ausgehend bröseln wir oder teilen wir den Bildungsmonitor in 13 Handlungsbereiche auf, die auch für die Politik so ein bisschen so eine Leitplanke sein kann, wo es besonders gute Fortschritte gegeben hat und wo es auch noch dringenden Handlungsbedarf gibt.

    Biesler: Einen so einen Handlungsbereich habe ich gerade genannt: Die Qualität der Schulen. Also, ich habe noch weitere genannt, aber nehmen wir mal den jetzt. Wie wird die Qualität der Schulen gemessen, wie funktioniert das?

    Stettes: Also, in diesem Fall ist es so, dass bei der Schulqualität wir uns auf die Pisa-Studien zurückziehen, wir diese Daten nehmen entsprechend dann, damit wir sie vergleichbar machen können mit anderen Kennziffern in anderen Handlungsfeldern, werden diese standardisiert. Und dann wird geguckt, wenn jetzt zum Beispiel im kommenden Herbst dann die neuen Pisa-Ergebnisse veröffentlicht werden, würden wir diese benutzen, um dann im kommenden Bildungsmonitor Fortschritte oder sozusagen Rückschritte gegenüber dem Zustand von Pisa 2003 wieder zu dokumentieren.

    Biesler: Einige Ergebnisse sind ja nicht überraschend, was eben auch damit zusammenhängt, dass Sie quasi die Ergebnisse von Studien verwenden, die vorher schon gemacht wurden. Sie haben die Pisa-Studien genannt und dass die Akademikerquote zum Beispiel in Stadtstaaten hoch, aber in Flächenstaaten dann eher niedrig ist, das ist auch erwartbar. Was ist sozusagen der Kern, worauf es Ihnen ankommt, was sind die wichtigsten Ergebnisse?

    Stettes: Also, wir untersuchen 13 Handlungsbereiche unterschiedlichster Fragestellung, von denen wir allesamt ausgehen, dass sie wichtig sind mit Blick auf die Zielfragestellung. Und was uns wichtig ist, ist, zu dokumentieren, was passiert eigentlich im Zeitablauf mit unserem Bildungssystem in den einzelnen Bundesländern? Hat die Politik reagiert und können wir das dann auch widerspiegeln in den Zustand der Bundesländer im Rahmen von statistischen Daten? Weil letzten Endes drücken die im Grunde genommen die Situation aus. Und was wir beobachten können, ist, dass wir Fortschritte erzielt haben, deutliche Fortschritte erzielt haben im bewussteren Umgang zum Beispiel mit der Bildungszeit. Also, wir haben durch die Umstellung auf den Bachelor und Master, die in einigen Ländern schon sehr, sehr weit fortgeschritten ist, werden die Ausbildungszeiten an den Hochschulen kürzer, wir haben ein deutliches stärkeres Bewusstsein, dass das Drehen von Ehrenrunden in den Schulen nicht unbedingt zuträglich ist für den Schulerfolg. Auch dort können wir wertvolle Bildungszeit einsparen. Und was wir auch beobachten können, ist, dass die Zahl und die Quote der vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverträge deutlich gesenkt worden ist. Das heißt, wir sparen insgesamt wertvolle Lebenszeit für die jungen Menschen ein.

    Biesler: Um jetzt noch mal an einem Beispiel es konkreter zu machen: Wenn jemand nicht so lange studiert, ist das gut für die Wirtschaft, weil die Zeit nicht auf der Hochschule verbracht wird, wo sozusagen kein Wert erwirtschaftet wird, sondern schon im Berufsleben. Ist das so die Herangehensweise?

    Stettes: Das ist gut für beide letzten Endes, weil Sie gelangen früher in das Berufsleben, haben dann die Möglichkeit, ihr breites Fachwissen, was Sie an den Universitäten gelernt haben, durch praktisches Erfahrungswissen im Beruf zu erlernen, um daraufhin auch erst mal zu schauen, was gibt es hier für Fortbildungsmöglichkeiten, wenn Sie beispielsweise an einen Bachelor später einen Master anschließen möchten. Zugleich wird dadurch eine besondere Form der Ausbildung und der Hochschulausbildung noch mal attraktiver, und zwar das duale Studium, wo Sie im Grunde genommen eine Berufsausbildung kombinieren mit einem Bachelor-Studiengang, wo Sie beides zur gleichen Zeit haben. Auf der einen Seite schon das anwendungsorientierte Wissen, das praktische Wissen in der Berufsausbildung, angereichert durch das breite Fachwissen im Studium.

    Biesler: Sachsen hat besonders gut abgeschnitten bei Ihnen, ist wieder Spitzenreiter im Bildungsmonitor, wie auch schon im letzten Jahr. Können Sie noch formulieren, wo es noch Handlungsbedarf gibt? Also, wo sind Ihre Sorgenkinder?

    Stettes: Also, unsere Sorgenkinder sind insgesamt in drei Handlungsfeldern. Das betrifft eigentlich viele Bundesländer, wenn man mal Sachsen ausnimmt, wo wir eigentlich wenig Schwächen verzeichnen können. Wir sehen das große Problem insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Wirtschaft, dass gerade Mathematik, Naturwissenschaften und auch technische Studiengänge doch zu wenig ausgeprägt sind, um den großen Bedarf der Wirtschaft zu decken. Das ist das eine. Das Zweite ist zum anderen, dass wir gerade im Vorschulbereich und im Schulbereich einen deutlichen Ausbau der Ganztagsangebote benötigen, um die Lerndefizite und, sagen wir mal, das Manko von denjenigen zu beheben, die nicht das Glück haben, aus einem bildungsnahen Elternhaus zu stammen. Dafür bieten Ganztagsangebote gute Aussichten.

    Biesler: Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft über den heute vorgestellten Bildungsmonitor, der die Systeme der einzelnen Bundesländer aus Sicht der Wirtschaft wertend vergleicht. Vielen Dank.