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Wir verlangen Leistung, Initiative, Verantwortung

Die Studienstiftung des deutschen Volkes fördert noch nicht mal ein halbes Prozent aller Studierenden. Sie bekommen Büchergeld oder ein Stipendium und können an Tagungen sowie Sommerakademien teilnehmen. Jedes Jahr werden 6000 junge Menschen für die Stiftung vorgeschlagen, aber nur jeder vierte setzt sich bei den Auswahlseminaren durch. Diese Seminare beginnen Ende Oktober.

von Manuel J. Hartung |
    Wir verlangen Leistung, Initiative und Verantwortung. Leistung bedeutet akademische Exzellenz. Initiative, das heißt Engagement - wir möchten nicht nur den Forscher im Elfenbeinturm fördern. Und Verantwortung bedeutet für uns, dass man die Frage stellt: Können wir uns vorstellen, dass dieser Kandidat später verantwortungsvolle Aufgaben in der Wirtschaft, in der Politik und in der öffentlichen Verwaltung übernimmt.

    Gerhard Teufel ist der Generalsekretär der Studienstiftung des deutschen Volkes. Früher wurde er selbst gefördert, heute wählt er Stipendiaten aus. Die 20 Jahre alte Anna Schwarz scheint eigentlich ganz genau in das vorgegebene Profil zu passen. Ihr Abitur hat sie mit 1,0 bestanden. Nebenher machte sie Musik im Schulorchester, gewann Klavierwettbewerbe und engagierte sich in der Schülervertretung. Ihre Schule hatte Anna darum für die Stiftung vorgeschlagen. Im ersten Semester ist die Jurastudentin aus Passau dann auf ein Auswahlseminar gefahren - zusammen mit fünfzig weiteren Studienanfängern. Mit fünf Mitbewerbern kam sie zu einer Gruppendiskussion zusammen. Jeder musste einen kurzen Vortrag halten, danach sollten die anderen darüber debattieren. Anna Schwarz:

    Das war ein Schock, weil der erste in meiner Gruppe, der einen Vortrag gehalten hat, über die Brennstoffzelle erzählt hat, über die chemische und physikalische Zusammensetzung. Das war ein bisschen schwierig, danach zu diskutieren.

    Gerhard Teufel schaut hier darauf, wie sich ein Bewerber gegenüber den anderen verhält.

    Es gibt vielleicht einzelne Kandidaten, die in der Diskussion arrogant, herrschsüchtig, überheblich gegenüber Kollegen sind. Das würden wir nicht schätzen.

    Auf der anderen Seite: Wenn jemand nur still und leise da sitzt, wird er auch nicht punkten können. Außerdem ging Anna in Einzelgespräche mit einer Professorin und einer Doktorandin. Da sollte sie berichten, wie ein Musikwettbewerb läuft, sollte bestimmen, wer ein Flugblatt aus der Nazi-Zeit verfasst hat und erklären, gegen welchen Grundsatz ein Türsteher verstößt, der einen Ausländer nicht in die Disko lässt. Ein richtiges Erfolgskonzept für diese Gespräche, meint Anna, gibt es nicht.

    Ich meine, das hängt auch von Deiner Tagesform ab. Aber ich glaube, dass nicht unbedingt die Streber aufgenommen werden, sondern die, die sich nebenher engagieren, die viel neben dem Studium machen und nicht nur in eine Richtung gucken, sondern nach allen Seiten offen sind.

    Gerhard Teufel findet in diesen Gesprächen Bewerber beeindruckend, die aus einem, wie er sagt, bildungsfernen Elternhaus stammen. Das kann ein Pluspunkt sein, wenn er sich zwischen zwei Kandidaten entscheiden muss.

    Beide haben vielleicht am Ende 1,2 in der Abiturnote, aber der eine hat sich das mühsam erkämpft gegen die Eltern oder ohne die Eltern, der andere hat es vielleicht sehr leicht gehabt. Dann kann es mal sein, dass im Abwägungsprozess der schwierigere Lebensweg stärker zählt.

    Für Anna Schwarz jedoch hat es nicht gereicht: Sie zog nach dem Auswahlseminar einen Umschlag mit einer Absage aus dem Briefkasten.

    Also, ich wusste das eigentlich schon, als ich den Brief gesehen habe, weil das ist so eine Zweiteilung: Wenn Du genommen wirst, bekommst Du einen DIN A4-Brief mit allen Unterlagen, wenn Du abgelehnt wirst, bekommst Du einen kleinen, ganz normalen Brief. Sicherlich ist man ein bisschen enttäuscht, dass es nicht geklappt hat, aber die Studienstiftung ist ja nicht die einzige Stiftung, es gibt auch noch andere - gut!

    Anna Schwarz hat mittlerweile ein anderes Stipendium. Denn Geld und Ehre gibt es nicht allein von der Studienstiftung. Stipendien vergeben etwa auch Förderwerke, die Parteien oder Kirchen nahe stehen. Im Gegensatz zur Studienstiftung kann man sich bei denen auch selbst bewerben. Der Generalsekretär der Studienstiftung findet, dass eine Ablehnung sogar ein Ansporn sein kann. Gerhard Teufel:

    Ich würde jedem raten, daraus künftige Erfolge zu gestalten. Man muss lernen, glaube ich, auch mit Rückschlägen, auch wenn man hochbegabt ist, zu Rande zu kommen. Man kann auch zu späteren Zeiten noch in die Studienstiftung aufgenommen werden und sehr viele sind beim zweiten Mal erfolgreich.


    Links zum Thema
    Studienstiftung des deutschen Volkes
    Seite von br-online mit Förderungsmöglichkeiten für Studierende