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"Wir wollen doch keinen Rassisten ehren"

Seit Jahren wird an der Universität Greifswald über den Namenspatron der Universität, Ernst Moritz Arndt, gestritten. Arndt gilt als Kämpfer gegen die Leibeigenschaft, er hat Gedichte geschrieben. Allerdings stoßen viele seiner Hassreden gegen Napoleon und die Franzosen heute auf heftige Kritik - der Namenspatron soll weg.

Von Nikolaus Möbius | 11.12.2009
    Die Aula im Hauptgebäude war zwar nicht restlos gefüllt. Dennoch haben viele Dozenten und Studierende den Weg zur Versammlung der Senatskommission gefunden, um das Thema nun ein für alle Mal auszudiskutieren. Die Presse war vorsorglich ausgeladen. Zu groß war zunächst die Befürchtung, dass es zu medienträchtigen Tumulten kommen könnte. Denn die Diskussion um den Namenspatron Ernst Moritz Arndt erhitzt schon seit Jahren die Gemüter und hat schon einmal fast die Ablösung des Universitätsnamens zur Folge gehabt. Diesmal soll es nun klappen. Politikstudent Sebastian Jabbusch ist sicher, Ernst Moritz Arndt hat als Namensstifter ausgedient.

    "Weil wir Studierenden einen Namen haben wollen, mit dem wir uns identifizieren können, der ein Vorbild sein kann für die Universität. Und Ernst Moritz Arndt vertritt halt ganz stark in seinen politischen Schriften Rassismus, völkischen Nationalismus und Antisemitismus. Und auch ganz einfach den Volkshass gegen Frankreich und andere Minderheiten."

    Wer sich mit dem Werk Arndts beschäftigt, kommt nicht an seinen patriotischen und emotionsgeladenen Hasspredigten vorbei. Diese wenden sich zum einen gegen Juden und Franzosen. Auf der anderen Seite heroisiert Arndt das Germanentum, was auch von den Nationalsozialisten eifrig für ihre Propaganda missbraucht wurde. Die heftigen Reden seien aber nicht, wie oft versucht werde, mit dem allgemeinen Zeitgeist zu entschuldigen, sagt Jabbusch.

    "Richtig ist, dass es damals durchaus im Zeitgeist war, es gab aber auch damals, das ist immer ganz wichtig, Leute, die gesagt haben, Antisemitismus: Das ist schlimm. Selbst wenn damals Antisemitismus und Nationalismus völlig in Ordnung gewesen wäre und kein anderer Mensch was dagegen hätte. Heute wissen wir, dass wir das nicht gut finden. Dass Hass gegen andere, niemals eine Lösung sein kann. Und deshalb müssen wir uns heute die Frage stellen. Können wir damit leben? Denn der Namen einer Universität ist immer eine Ehrung und wir wollen doch keinen Rassisten ehren."

    Ernst Moritz Arndt gilt allerdings auch als Kämpfer gegen die Leibeigenschaft. Auf der Insel Rügen geboren wächst er als Sohn eines Freigekauften auf. Sein Vater konnte sich für 80 Taler aus der Leibeigenschaft lösen. Ernst Moritz Arndt ist also selbst frei geboren. Ein wichtiges Leitmotiv sagt Irmfried Garbe, Dozent am Institut für Kirchengeschichte.

    "Arndt muss kritisch gelesen werden. Grundsätzlich. Wie alle historischen Stoffe kritisch zu lesen sind. Wer sich aber mit Arndt beschäftigt, muss die Fairness aufwenden, ihn von seinem zentralen Gedanken her zu verstehen. Arndt hat einen zentralen Gedanken und das ist die Freiheitssicherung. Das ist für ihn sein Motiv gewesen, sich in der Welt zu bewegen."

    Und deshalb sei er auch als Namenspatron, trotz seiner Hetzreden, für Garbe weiterhin tragbar - gerade durch seinen streitbaren Charakter sei Arndt eine interessante Persönlichkeit. Sebastian Jabbusch, der selbst im Senat sitzt, und für eine Ablegung des Namens ist, wittert in der heutigen Anhörung ein Ablenkungsmanöver.

    "Wir befürchten, dass die Senatsanhörung vor allem dazu dient, warum die Universität den Namen doch behalten kann. Weil ne Universität ja doch immer ne träge Institution ist und sehr müde ist, den Namen zu ändern. Wir hoffen natürlich, dass viele Professoren sagen, genau das was wir eben denken, dass es nicht mehr möglich ist, so einen Namen zu tragen heutzutage, der uns ja 1933 von Hermann Göring verliehen wurde, was immer viele vergessen."

    Die Universitätsleitung wollte sich zu dem Namensstreit erst einmal nicht äußern. Doch eines scheint schon jetzt klar: Jede Entscheidung wird Probleme mit sich bringen. Bleibt der Name, übergeht die Hochschule drei eindeutige Abstimmungen der Studierenden-Vollversammlung. Das wird nicht ohne Proteste bleiben. Kritik an der ganzen Diskussion gibt es aber vor allem von vielen älteren Dozenten und ehemaligen Universitätsangehörigen. Der Name "Ernst Moritz Arndt" ist für viele schlichtweg Tradition.