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'Wir wollen eine vermittelnde Rolle spielen'

Zagatta: Zur Afghanistankonferenz, die morgen auf dem Petersberg bei Bonn beginnen soll. Viele der Teilnehmer sind schon angereist, darunter auch die Delegation des früheren afghanischen Königs, der seit fast 30 Jahren im Exil in Italien lebt. Wir profitieren jetzt davon, dass einer der Beauftragten des Königs in Deutschland studiert und gelebt hat. Am Telefon kann ich nun Amin Farhang begrüßen. Er ist Schwager und Verhandlungsführer des Ex-Königs bei der Bonner Konferenz. Guten Morgen Herr Farhang!

    Farhang: Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Farhang, die USA und die UNO, so hört man, die setzen sehr große Hoffnungen auf den Ex-König, das heißt auf Ihre Delegation. Wie optimistisch sind Sie denn, dass die Konferenz überhaupt ein Erfolg wird?

    Farhang: Das ist so ein gemischtes Gefühl, weil nach so vielen Jahren des Krieges die Afghanen alle irgendwie skeptisch geworden sind. Ich bin aber sicher, wenn wir uns treffen und miteinander reden, dann werden wir bald zu einigen Punkten gelangen, bei denen wir Gemeinsamkeiten finden und vertrauenschaffende Maßnahmen bilden. Da bin ich sicher.

    Zagatta: Glauben Sie, dass Sie sich bei dieser Konferenz schon auf eine Art Übergangsregierung einigen können?

    Farhang: Man darf nicht so viele Erwartungen bei dieser Konferenz haben. Das ist das erste Treffen zwischen den Afghanen. Ich bin aber sicher, dass wir einige Gemeinsamkeiten finden, uns auf einige Punkte einigen Können, die dann eine feste Basis für spätere Gespräche bilden werden.

    Zagatta: Wie sehen Sie denn die Rolle Ihrer Delegation jetzt bei dieser Konferenz? Sehen Sie sich als Vermittler, oder wollen Sie selbst eine aktive Rolle im zukünftigen Afghanistan spielen?

    Farhang: Sowohl als auch. Wir wollen eine vermittelnde Rolle spielen, weil der König als einzige Integrationsfigur gilt und von dieser Eigenschaft Gebrauch machen kann, damit die verschiedenen Gruppen und Fraktionen miteinander reden und die Ethnien in Afghanistan wieder zueinander finden. Da kann er eine entscheidende Rolle spielen, aber auch aktiv, damit viel dazu beigetragen wird, dass für Afghanistan eine Regierung aller Parteien zu Stande kommt.

    Zagatta: Ist denn der König nach fast 30 Jahren im Exil überhaupt noch eine Integrationsfigur?

    Farhang: Ja. Darüber kann man viel diskutieren. Es gibt zwei Meinungen dazu: einmal von unseren ausländischen sogenannten Afghanistanexperten, die sehr kurz das Land gesehen haben und wegen der Sprachschwierigkeiten mit dem Volk nicht sprechen konnten und auch nicht wissen, wie die Mentalität der Afghanen ist. Die zweite Gruppe sind die Afghanen selbst, bei denen solche Integrationsfiguren in der Geschichte Afghanistans immer eine entscheidende Rolle gespielt haben. Aber auch in Europa ist es manchmal zu solchen Situationen gekommen, wenn man an de Gaulles denkt, der nach so vielen Jahren noch als alter Mann eine entscheidende Rolle in Frankreich spielte.

    Zagatta: Will denn der König, Ihr Schwager, der mittlerweile 87 Jahre alt ist, überhaupt wieder nach Afghanistan zurückkehren?

    Farhang: Ja, der König wird sofort nach Afghanistan zurückkehren, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind und wenn ein gemeinsamer Konsens vorhanden ist. Aber auch ansonsten möchte der König gerne als ein einfacher Afghane nach Hause fahren.

    Zagatta: Das wird ihm ja wohl nur gelingen, wenn Sie sich jetzt mit der Nordallianz bei dieser Konferenz einigen können. Die Nordallianz gibt ja im Moment in Afghanistan den Ton an, militärisch zumindest. Aber können Sie denn guten Gewissens mit der Nordallianz zusammenarbeiten? Der werden ja auch schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch jetzt wieder.

    Farhang: Ja. Wir haben vor etwa fünf, sechs Wochen mit der Nordallianz, mit den Vertretern der Nordallianz eine Vereinbarung getroffen. Leider hat die Nordallianz diese Vereinbarung nicht eingehalten. Die haben also eigenhändig jetzt gehandelt. Wir fürchten, dass wieder dieselben Dinge wiederholt werden, die 1992 passiert sind. Die Ereignisse waren sehr tragisch und für das afghanische Volk sehr grausam. Damals kam es sehr schnell zu Machtkämpfen in Afghanistan und das Opfer war das afghanische Volk. Deshalb haben wir vor diesen Ereignissen mit der Nordallianz gesprochen und Vereinbarungen getroffen, dass sich diese Dinge nicht wiederholen. Es sieht aber so aus, dass die Nordallianz das alles einigermaßen vergessen hat und versucht, die Macht alleine für sich zu besitzen, was ein großer, großer Fehler ist.

    Zagatta: Wie kann dann dieser Frieden erreicht werden? Heißt das, man kann das Land jetzt nicht der Nordallianz überlassen, sondern es müssten auch für eine Friedenssicherung UNO-Blauhelme oder andere Friedenstruppen ins Land?

    Farhang: Es gibt zwei entscheidende Sachen, die verwirklicht werden müssen, damit es zu einem Frieden in Afghanistan kommt. Einmal muss die Nordallianz sich bereit erklären, die Macht zu teilen. Das ist die eine Voraussetzung. Die zweite ist, dass eine UNO-Sicherheitskraft in Afghanistan eingesetzt wird, damit in Afghanistan eine Situation geschaffen wird, dass dort alle Beteiligten sich zusammentun, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das afghanische Volk sich selbst über seine Zukunft entscheidet. Das kann nur durch die Einberufung einer konstituierenden afghanischen Volksversammlung geschehen, die immer eine entscheidende Rolle in der Geschichte Afghanistans gespielt hat und eine demokratische Basis hat.

    Zagatta: Die Nordallianz hat ja schon angekündigt, dass sie keine ausländischen Soldaten in Afghanistan stationiert haben will. Bestehen Sie auf einer solchen Truppe? Ist das für Sie eine Bedingung bei dieser Konferenz?

    Farhang: Das ist eine Bedingung. Der Weg für die Nordallianz ist durch ausländische Kräfte freigebombt worden. Das ist komisch, dass die Nordallianz das jetzt so interpretiert. Aber ohne eine internationale neutrale Sicherheitskraft kann der Frieden in Afghanistan nur schwer gesichert werden.

    Zagatta: Haben Sie Vorstellungen, wie diese neutrale Sicherheitskraft, wie diese ausländische Truppe aussehen könnte?

    Farhang: Ich glaube es gibt einige Länder, die überhaupt keine Eigeninteressen in Afghanistan haben. Darunter zähle ich auch die Bundesrepublik Deutschland. Deutschland hat jetzt für die Anti-Terror-Koalition etwa fast 4000 Soldaten zur Verfügung gestellt. Es wäre auch sehr, sehr begrüßenswert, wenn die Bundesrepublik Deutschland sich an dieser Kraft beteiligt und Soldaten oder Kräfte nach Afghanistan schickt, die dann für die Friedenssicherung in Afghanistan und für die Versorgung der Millionen Flüchtlinge in Afghanistan eingesetzt werden.

    Zagatta: Sind deutsche Soldaten in Afghanistan, deutsche Blauhelmsoldaten möglicherweise, tatsächlich ein ernsthaftes Thema? Es hieß ja bisher, man sollte eigentlich nur Soldaten aus muslimischen Ländern dort hinschicken.

    Farhang: Das darf nicht so sein, weil wir wissen, dass auch bei den Armeen vieler islamischer Länder extremistische Kräfte vorhanden sind, die dann dieses Gedankengut wieder nach Afghanistan importieren, wenn man an die Ermordung von Sadat denkt, aber auch an andere Länder. Hier spielt die Religion keine große Rolle, sondern die Bereitschaft und die Fähigkeit, den Menschen zu helfen. Ich glaube aufgrund der sehr langen traditionellen und guten Beziehungen zwischen den Afghanen und den Deutschen könnte man auch hier von der Bundesrepublik Deutschland humanitär gesehen viel bekommen und erreichen.

    Zagatta: Haben Sie über einen möglichen Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan auch mit der Bundesregierung schon gesprochen?

    Farhang: Das weiß ich nicht. Wir haben darüber nicht direkt mit der deutschen Regierung gesprochen. Aber ich weiß ganz genau, dass die Deutschen als Blauhelme in Afghanistan willkommen sein werden.

    Zagatta: Was kann denn Deutschland als Gastgeber jetzt zum Gelingen dieser Konferenz beitragen, oder ist das jetzt eine Sache der Afghanen untereinander?

    Farhang: Ich glaube das ist eine Sache der Afghanen, aber es ist immer gut, wenn man bei solchen Gesprächen fühlt, dass man hinter sich Freunde hat, die nicht an eigene Interessen denken, sondern an Frieden und an Sicherheit in Afghanistan und eingesehen haben, dass die Region oder sogar die ganze Welt nicht in Ruhe gelassen wird, wenn Frieden in Afghanistan nicht herrscht, und eingesehen haben, dass Frieden unteilbar ist.

    Zagatta: Amin Farhang, der Schwager des früheren afghanischen Königs und Verhandlungsführer der Afghanistankonferenz auf dem Petersberg bei Bonn. Vielen Dank und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio