Sie kommen aus allen Regionen ihres Landes, um - wie vom Gesetz vorgesehen - in Peking persönlich eine Petition einzureichen: als Protest gegen Behördenwillkür zu Hause. "Petition" ist auch der Titel eines Dokumentarfilms, den Regisseur Zhao Liang über das Schicksal dieser aufmüpfigen Unterprivilegierten Chinas gedreht hat. In der Hauptstadt der Volksrepublik müssen sie Monate, ja manchmal sogar jahrelang in menschenunwürdigen Slums darauf warten, bis sie den amtlichen Papierkram erledigt haben - drangsaliert von gedungenen Schlägern: kafkaeske Szenen im Reich der Mitte. Nur ein Beispiel von mehreren, das die Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsfilmfestivals, Andrea Kuhn, jetzt präsentiert.
"Wir wollen engagierte Menschen zusammenbringen, das heißt Filmemacher, Filmemacherinnen, Leute aus der Filmindustrie, aber natürlich auch unser ganz 'normales' - in Anführungszeichen - Publikum genauso wie die NGOs, Menschenrechtsorganisationen, die wir hier vor Ort haben. Und das Ganze aber im Rahmen eines ausgewachsenen Filmfestivals, das heißt im Rahmen von Filmvorstellungen mit internationaler Spitzenware."
Missstände sollen bei diesem ältesten und größten Menschenrechtsfilmfestival Deutschlands angeprangert und Klischees hinterfragt werden. Keineswegs aber will die Veranstaltung nur einen modischen Trend bedienen.
"Es gibt immer so eine Konsenshaltung von: Ja, Menschenrechte sind ganz wichtig, ganz wichtig, ganz wichtig, sind wir dafür. Und dann hören die Auseinandersetzungen damit schnell wieder auf. Viele Menschen haben sogar ein bisschen Angst, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, haben ein bisschen Sorge, wenn sie zu uns kommen, dass sie lauter depressiv machende Filme finden. Nur Mord, Totschlag, Brandschatzung, Verstümmelung. Dem ist zwar nicht so, trotzdem ist es in den Köpfen der Leute sehr stark drinnen. Also, wenn ich ein Modefestival machen wollte, dann wäre es ganz bestimmt nicht zum Thema Menschenrechte."
Filme wie "The Topp Twins - Untouchable Girls" etwa zeigen, dass der Einsatz für Menschenrechte nicht unbedingt immer ideologisch verkrampft und gewalttätig daherkommen muss. In dem Porträt eines furiosen lesbischen Zwillingsduos, das zu den beliebtesten Entertainerinnen Neuseelands gehört, steigen die beiden Frauen locker und unterhaltsam gegen Atomwaffen auf die Barrikaden, singen schräge Folk- und Countrysongs, mimen liebestolle Pferdezüchterinnen, die auch schon mal als Männer auftreten, und setzen sich mit skurrilen Kostümen für die Rechte von Minderheiten ein. Topaktuell und ebenfalls stilistisch herausragend: die Polit-Trash-Collage des Südkoreaners Kim Sun, der damit gegen seinen Präsidenten und die Polizei von Seoul zu Felde zieht. Eine grelle Mixtur aus Puppentrickfilm und TV-Sitcom, aus Anarcho-Sound und diversen Tonschnipseln. Systemkritik einmal anders.
"Das Aktuellste, was wir in diesem Jahr dabei haben, ist natürlich die arabische Revolution. Da haben wir sehr stark versucht, was zu finden. Ich war extra in Kairo, um mit Filmemachern und Filmemacherinnen zu reden. Die gute Nachricht ist: Wir haben einen Film, der direkt am Tahir-Platz gedreht worden ist, in Kairo, und der jetzt schon fertiggestellt ist. Die schlechte Nachricht ist: Die Breite an Filmen - und auch wo man sagt, jetzt wirklich perfekte Filme, also hochqualitative Filme - dafür ist es einfach noch zu früh, die sind noch nicht fertig."
Der Aufbau eines Zivilstaates nach Mubarak fordert eben auch von ägyptischen Cineasten seinen Preis. Filme zu drehen, ist angesichts der gewaltigen Umbrüche am Nil zurzeit eher sekundär.
Das Spektrum in Nürnberg reicht von Zwangsheirat in Indien über die Folgen des Klimawandels bis hin zu einem der Schwerpunkte dieses Festivals: Kolumbien und der dortigen paramilitärischen Gewalt. Zum Beispiel in dem Film "Impunity" des kolumbianischen Fernsehjournalisten Hollman Morris, der gerade mit dem Nürnberger Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Menschenrechtsverletzungen aber, sagt Andrea Kuhn, sind nicht nur in der Dritten Welt gang und gäbe. Die Festivalleiterin verweist zum Beispiel auf verstörende Dokumentaraufnahmen, die einen Minderjährigen beim Verhör in Guantanamo zeigen. Psychoterror pur, der sogar vor 16-Jährigen nicht Halt macht.
"Uns ist es ein ganz wichtiges Anliegen, dass Menschenrechte nicht verstanden werden als Thema, das die anderen etwas angeht, weil wir das irgendwie schon alles bewältigt haben. Ganz im Gegenteil. Es ist ja auch in der Realität nicht so. Insofern haben wir einen Schwerpunkt auch auf Filmen, die sich mit der Situation in Deutschland, in Europa auseinandersetzen. Dazu kommen natürlich die USA, Kanada, also alles eigentlich, was vermeintlich glaubt, mit diesem Thema nichts mehr zu tun zu haben."
Und dass die Menschenrechtsfilme bei Zuschauern durchaus ihre Wirkung nicht verfehlen, dokumentiert das von einer Jugendjury ausgewählte Schulfilmprogramm "Open Eyes." Dieser Programmaspekt entstand nämlich als Reaktion auf ein früheres Festival, bei dem die Schüler so von den präsentierten Filmen berührt waren, dass sie spontan beschlossen, sich künftig selber aktiv für die Menschenrechte einzusetzen.
"Wir wollen engagierte Menschen zusammenbringen, das heißt Filmemacher, Filmemacherinnen, Leute aus der Filmindustrie, aber natürlich auch unser ganz 'normales' - in Anführungszeichen - Publikum genauso wie die NGOs, Menschenrechtsorganisationen, die wir hier vor Ort haben. Und das Ganze aber im Rahmen eines ausgewachsenen Filmfestivals, das heißt im Rahmen von Filmvorstellungen mit internationaler Spitzenware."
Missstände sollen bei diesem ältesten und größten Menschenrechtsfilmfestival Deutschlands angeprangert und Klischees hinterfragt werden. Keineswegs aber will die Veranstaltung nur einen modischen Trend bedienen.
"Es gibt immer so eine Konsenshaltung von: Ja, Menschenrechte sind ganz wichtig, ganz wichtig, ganz wichtig, sind wir dafür. Und dann hören die Auseinandersetzungen damit schnell wieder auf. Viele Menschen haben sogar ein bisschen Angst, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, haben ein bisschen Sorge, wenn sie zu uns kommen, dass sie lauter depressiv machende Filme finden. Nur Mord, Totschlag, Brandschatzung, Verstümmelung. Dem ist zwar nicht so, trotzdem ist es in den Köpfen der Leute sehr stark drinnen. Also, wenn ich ein Modefestival machen wollte, dann wäre es ganz bestimmt nicht zum Thema Menschenrechte."
Filme wie "The Topp Twins - Untouchable Girls" etwa zeigen, dass der Einsatz für Menschenrechte nicht unbedingt immer ideologisch verkrampft und gewalttätig daherkommen muss. In dem Porträt eines furiosen lesbischen Zwillingsduos, das zu den beliebtesten Entertainerinnen Neuseelands gehört, steigen die beiden Frauen locker und unterhaltsam gegen Atomwaffen auf die Barrikaden, singen schräge Folk- und Countrysongs, mimen liebestolle Pferdezüchterinnen, die auch schon mal als Männer auftreten, und setzen sich mit skurrilen Kostümen für die Rechte von Minderheiten ein. Topaktuell und ebenfalls stilistisch herausragend: die Polit-Trash-Collage des Südkoreaners Kim Sun, der damit gegen seinen Präsidenten und die Polizei von Seoul zu Felde zieht. Eine grelle Mixtur aus Puppentrickfilm und TV-Sitcom, aus Anarcho-Sound und diversen Tonschnipseln. Systemkritik einmal anders.
"Das Aktuellste, was wir in diesem Jahr dabei haben, ist natürlich die arabische Revolution. Da haben wir sehr stark versucht, was zu finden. Ich war extra in Kairo, um mit Filmemachern und Filmemacherinnen zu reden. Die gute Nachricht ist: Wir haben einen Film, der direkt am Tahir-Platz gedreht worden ist, in Kairo, und der jetzt schon fertiggestellt ist. Die schlechte Nachricht ist: Die Breite an Filmen - und auch wo man sagt, jetzt wirklich perfekte Filme, also hochqualitative Filme - dafür ist es einfach noch zu früh, die sind noch nicht fertig."
Der Aufbau eines Zivilstaates nach Mubarak fordert eben auch von ägyptischen Cineasten seinen Preis. Filme zu drehen, ist angesichts der gewaltigen Umbrüche am Nil zurzeit eher sekundär.
Das Spektrum in Nürnberg reicht von Zwangsheirat in Indien über die Folgen des Klimawandels bis hin zu einem der Schwerpunkte dieses Festivals: Kolumbien und der dortigen paramilitärischen Gewalt. Zum Beispiel in dem Film "Impunity" des kolumbianischen Fernsehjournalisten Hollman Morris, der gerade mit dem Nürnberger Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Menschenrechtsverletzungen aber, sagt Andrea Kuhn, sind nicht nur in der Dritten Welt gang und gäbe. Die Festivalleiterin verweist zum Beispiel auf verstörende Dokumentaraufnahmen, die einen Minderjährigen beim Verhör in Guantanamo zeigen. Psychoterror pur, der sogar vor 16-Jährigen nicht Halt macht.
"Uns ist es ein ganz wichtiges Anliegen, dass Menschenrechte nicht verstanden werden als Thema, das die anderen etwas angeht, weil wir das irgendwie schon alles bewältigt haben. Ganz im Gegenteil. Es ist ja auch in der Realität nicht so. Insofern haben wir einen Schwerpunkt auch auf Filmen, die sich mit der Situation in Deutschland, in Europa auseinandersetzen. Dazu kommen natürlich die USA, Kanada, also alles eigentlich, was vermeintlich glaubt, mit diesem Thema nichts mehr zu tun zu haben."
Und dass die Menschenrechtsfilme bei Zuschauern durchaus ihre Wirkung nicht verfehlen, dokumentiert das von einer Jugendjury ausgewählte Schulfilmprogramm "Open Eyes." Dieser Programmaspekt entstand nämlich als Reaktion auf ein früheres Festival, bei dem die Schüler so von den präsentierten Filmen berührt waren, dass sie spontan beschlossen, sich künftig selber aktiv für die Menschenrechte einzusetzen.