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Wirbel um einen Test

Bei Frauen, die nach dem 35. Lebensjahr schwanger werden, erhöht sich das Risiko, ein krankes Kind zur Welt zu bringen. Deswegen lassen viele dieser Frauen während der Schwangerschaft untersuchen, ob bei dem Fötus eine Trisomie 21 vorliegt. Nun soll ein einfacher Bluttest ab kommendem Jahr die bisher aufwendigen Verfahren ablösen.

Von Carsten Schroeder | 06.12.2011
    Selten hat ein scheinbar einfacher Bluttest für soviel ethischen Zündstoff bei Ärzten und Behindertenverbänden gesorgt, wie der jetzt vorgestellte, neue Bluttest auf Trisomie 21. Seit Oktober ist der Test in den USA auf dem Markt, in Deutschland könnte er bereits ab Januar oder Februar erhältlich sein.

    Anders als bei den bisherigen Untersuchungsmethoden ist er einfach und ungefährlich, es genügt eine Blutprobe aus der Vene der Mutter. Was sich so einfach anhört, ist aus medizinischer Sicht aber kompliziert, weil die Blutkreisläufe von Mutter und Kind eigentlich streng getrennt sind, sogar getrennt sein müssen, wie Prof. Klaus Vetter, Präsident des Kongresses für Perinatale Medizin erläutert:

    "Mutter und Kind sind immunologisch getrennt, im Kind ist der Vater drin, und das muss getrennt werden. Es gibt eine Grenzschicht zwischen Mutter und Kind."

    Dennoch: Ein Bereich, in dem in beschränktem Maß ein Austausch von dem Blut der Mutter mit dem Blut des Fötus, stattfindet – ist die Plazenta, der Mutterkuchen. Dieses Gebilde besteht sowohl aus Gewebe der Mutter wie auch des Kindes und ist nicht nur für die Versorgung mit Nährstoffen zuständig, sondern auch für deren Entsorgung. Darum kommen Bestandteile aus dem Blut des Embryos in kleinen Stücken, wie durch einen Schredder, zum Abtransport in das Blut der Mutter.

    "Im Blut der Mutter fliegen alle Bruchstücke von Zellen, die abgebaut wurden, herum. Auf dem Weg zum Ausscheiden kommen sie auch an den Venen, am Arm vorbei. Diese Bruchstücke sind überhaupt nur 15 Minuten vorhanden im Kreislauf, dann sind sie weg."

    Auch Chromosomen-Bruchstücke, also genetisches Material des Kindes, werden im Blut der Mutter mitgespült. Mit einem neuen aufwendigen, statistischen Verfahren lassen sich diese Fetzen mit genetischen Informationen wieder wie ein Puzzle zusammensetzen.

    Die ethische Brisanz des neuen Bluttests liegt nicht nur darin, dass mit der frühen, einfachen und ungefährlichen Diagnose möglicherweise die Bereitschaft zur Abtreibung eines so nicht gewünschten Kindes steigen könnte, sondern auch darin, dass der Test auf Trisomie 21 nur der Einstieg in eine breite genetische Analyse von Embryonen sein könnte.

    "Wir wissen heute schon, dass man aus diesen Teilen, wie aus einem Papier-Schredder, wenn man Sherlock Holmes spielen will, das ganze Papier oder das ganze Genom wieder zusammensetzen kann. Methodisch ist es möglich, es ist nur viel zu teuer, sich das anzutun."

    Aber, darin waren sich die Mediziner in Berlin einig, die Preise werden mit dem technischen Fortschritt sinken, sodass es bereits in einigen Jahren möglich sein könnte, vollständige Genomanalysen für einen Bruchteil des Preises zu erhalten. Dann werden sich vermutlich sehr viel mehr frühzeitige Gen-Diagnosen als die auf Trisomie 21 treffen lassen. Eine Vorstellung, vor denen nicht nur Vertretern der Behindertenverbände graut.