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Wirbelbrüche

In Deutschland kommt es nach Angaben der Betriebskrankenkassen jährlich zu rund 150 000 Schenkelhalsbrüchen und etwa drei Millionen Wirbelfrakturen. Ursache ist in den meisten Fällen eine Osteoporose.

Gerhard Trey |
    Betroffen sind vor allem Frauen nach der Menopause. Aber auch Männer sind im Alter vor diesem Leiden nicht sicher. Besonders fatal sind die Auswirkungen auf die Wirbelsäule, es kann zu Wirbelbrüchen kommen. An der Heidelberger Universitätsklinik hat jetzt ein Ärzteteam eine neue Operationtechnik für Wirbelfrakturen entwickelt.

    Patientin: Vor der Operation ging es mir sehr schlecht, ich hatte starke Schmerzen und musste aus dem Bett rausgehoben und wieder ins Bett gebracht werden. Im Haus konnte ich mich nur mittels Stock zuletzt sogar mit zwei Stöcken bewegen. An Hausarbeit oder sonst etwas war fast nichts mehr drin.

    An der Heidelberger Uniklinik beschäftigt sich mit dem Fall der 77 Jahre alten Patientin nicht nur der Chirurg, sondern ein Team, bestehend aus einem Unfallchirurgen, einem Radiologen und einem Endokrinologen. Jawohl, ein Endokrinologe ist auch dabei, denn die Osteoporose ist ja zunächst einmal eine Stoffwechselkrankheit des Knochens. Eine Operation ist deshalb immer die Ultima ratio, wenn andere Therapieansätze nicht den gewünschten Erfolg bringen. Dann ist aber auch das ganze Team an der Operation beteiligt, also auch der Endokrinologe operiert. Damit will man eine hochintensive Kommunikation sicherstellen. Bei der Patientin aus dem Stuttgarter Raum soll mit einem Eingriff der durch Osteoporose lädierte Wirbel wieder hergestellt werden. Fachleute sprechen von einer Kyphoplastie. Bei dieser Methode wird eine Art Zement in den betroffenen Wirbelkörper gebracht, um die Wirbelsäulenregion zu stabilisieren. Das Verfahren ist aber nicht nur auf Knochenschäden durch Osteoporose beschränkt. Als Hilfsmittel dabei der Computertomograph, CT. Der Radiologe Professor Gerd Nöldge:

    Aus radiologischer Sicht scheint es mir besonders wichtig zu betonen, dass die Risikominimierung dahingehend gemacht werden kann, dass man zwei bildgebende Verfahren, nämlich die Durchleuchtung und den Computertomographen, gleichzeitig bemüht, um eine sichere Applikation des Knochenzementes zu garantieren. Hier ist wirklich Millimeterarbeit erforderlich, um den Patienten nicht zu schädigen.

    Der operative Aufwand scheint für das bloße Auge gering, schließlich spielt sich alles Wesentliche unter der Hautoberfläche ab. Das eigentliche Operationsinstrument, mit dem der Zugang zur Wirbelsäule geschaffen wird, erinnert, salopp ausgedrückt, an eine Art Korkenzieher. Professor Peter-Jürgen Meeder, Chef der Unfallchirurgie, erklärt während der Operation, was in der ersten Phase geschieht:

    Nachdem im Bildwandler röntgenologisch noch einmal die Eintrittspunkte für die Kanüle bestimmt worden sind, hat man die Haut am Rücken für einen Zentimeter rechts und links der Wirbelsäule eröffnet, dann mit einem spitzen Instrument vorgetastet, bis man zum knöchernen Anteil der Wirbelsäule gekommen ist und hat dann von hier aus die Instrumentarien eingebracht. Durch dieses Hohlnadelsystem wird dann der Ballon vorgeschoben, der dann später den Hohlraum schafft.

    In den Hohlraum, den der Ballon hinterließ, kommt ein Füllmaterial. Bis zu diesem Punkt bewegen sich die Heidelberger Mediziner auf relativ konventionellen Bahnen. Doch der Zement, der jetzt eingefüllt wird, hat es in sich. Er kann weit mehr bewirken als etwa ein normaler Kunststoff. Damit unterscheidet sich die Heidelberger Technik grundsätzlich von anderen. Der Endokrinologe Dr. Christian Kasperk:

    Wir verwenden hier in Heidelberg bei den osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen einen biologisch abbaubaren Knochenzement, der innerhalb von Monaten bis Jahren durch eigenes, ortständiges Knochengewebe neu ersetzt wird und somit im Laufe einiger Jahre der Wirbelkörper wieder durch normales Knochengewebe ausgefüllt ist.

    Leider lässt sich nicht jeder beschädigte Wirbelkörper wieder herstellen. Denn wie jede Technik hat auch die Heidelberger Methode ihre Grenzen:

    Es muss eine Wirbelkörperfraktur sein, die noch einen gewissen Restwirbelkörper erhalten hat, d.h. ein vollkommen, ganz flach zusammengesunkener Wirbelkörper lässt sich leider auch mit dieser Maßnahme nicht mehr aufrichten.

    Stolz ist man in Heidelberg aber nicht nur auf das neue Verfahren, sondern gerade auch auf die erfolgreich praktizierte Teamarbeit. Auf ihr Konto gehen auch die Erfolge, meint das Team, denn die bisherigen Erfahrungen mit der interdisziplinären Zusammenarbeit und der neuen Operationstechnik sind vielversprechend:

    Unsere bisherigen Ergebnisse sind äußerst ermutigend. Wir können sagen, dass bei den hier in Heidelberg behandelten Patienten es innerhalb von Stunden, spätestens am nächsten Tag zu einer deutlichen starken Schmerzreduktion in dem behandelten Bereich gekommen ist und in zwei Fällen mit instabilen Wirbelkörperfrakturen konnte sogar eine vollständige Pflegebedürftigkeit verhindert werden.

    Auch die Patientin ist bereits am nächsten Tag nahezu schmerzfrei:

    Nach der Operation konnte ich mich wieder alleine aus dem Bett bewegen, auch aufrichten. Zuerst mit dem Stock laufen und dann auch kleine Stücke ohne Stock. Es ist ein schönes Gefühl, sich wieder frei zu bewegen ohne fremde Hilfe, und ich bin sehr glücklich, dass diese Operation gelungen ist.

    Für den Unfallchirurgen erklärt sich dies aus der angewendeten Methode. Dr. Joachim Hillmeier, ebenfalls Unfallchirurg an der Heidelberger Uniklinik:

    Bei der Patientin war der Wirbelkörper eingebrochen, daraus resultierte eine starke lokale Instabilität und Schmerzhaftigkeit, mit unserem Verfahren wurde der Wirbel wieder aufgerichtet und der Hohlraum ausgefüllt. Somit wurde eine Stabilität regional hergestellt, was zur Schmerzreduktion oder Schmerzfreiheit führt.

    Beitrag als Real-Audio

    020226-Osteoporose.ram