Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, heute Mittag vor den Berliner Hauptstadtjournalisten: Die Emissionsziele der Bundesregierung sind mehr als ehrgeizig - zumal ein großer Teil der jetzt schon erreichten Senkung des CO2-Ausstoßes in Deutschland erwiesenermaßen auf den Zusammenbruch der Industrie des zweiten deutschen Staates, der DDR, zurückzuführen ist. Kurz nach der Einführung der D-Mark im Sommer 1990 konnten viele Betriebe nicht mehr rentabel produzieren und mussten schließen - was für manchen Industriearbeiter der DDR einen Knick in der Biographie bedeutete, hat zumindest fürs Klima auch eine positive Wirkung gehabt. Und das Deutschland heute im internationalen Vergleich als Reduktions-Musterland dasteht, ist letztlich auf diesen historisch einmaligen Strukturwandel zurückzuführen.
Da ein vergleichbarer Vorgang in den noch verbleibenden zwölf Jahren bis 2020 nicht zu erwarten ist, sind Zweifel daran berechtigt, dass diese vom Bundesumweltminister vollmundig verkündeten Ziele überhaupt zu erreichen sind - und zu welchen Kosten. Die Bundesregierung rechnet selbst vor, dass das heute vorgestellte Klimaschutzprogramm 36 Prozentpunkte bringt - die fehlenden vier Prozent werden in den kommenden Jahren durch andere Faktoren noch hinzukommen, fügt Sigmar Gabriel eilig hinzu: Bei diesem Programm geht es auch um Glaubwürdigkeit - vor allem den Entwicklungs- und Schwellenländern gegenüber.
"Wir haben glaube ich damit den Ansprüchen Deutschlands, zu zeigen, dass ein wirtschaftlich entwickeltes Land Wachstum, Beschäftigung, soziale Sicherheit mit Klimaschutz vereinbaren kann. Verbunden ist das mit der Erhöhung der Haushaltsmittel für den Klimaschutz auf mehr als 2,6 Milliarden Euro mit dem Haushalt 2008. Wir kommen von 875 Millionen Euro an Klimaschutzmitteln im Jahr 2005 und haben jetzt mit dem nächsten Bundeshaushalt eine Steigerungsrate von 200 Prozent in den Klimaschutzausgaben des Bundes erreicht."
Ohne Zweifel ist das Paket ein Signal an die Klimaschutz-Konferenz im indonesischen Bali: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel soll, wie es heißt, mit leichtem Gepäck dort hinreisen und nicht die Last der anderen Industrieländer tragen. Die werden von Entwicklungs- und Schwellenländern immer wieder - und nicht zu Unrecht - ermahnt, dass sie doch zunächst vor der eigenen Tür kehren sollen, bevor sie von anderen Staaten CO2-Reduktionen verlangen, die letztlich das Wirtschaftswachstum gerade der aufstrebenden Tigerstaaten bremsen würden. Es gilt also wieder einmal, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Das Klimaschutzpaket besteht aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen, die erstens Bürger und Wirtschaft zum Energiesparen bewegen und zweitens dafür sorgen sollen, dass fossile Energieträger, Kohle, Gas und Erdöl nach und nach durch Erneuerbare Energien aus Sonne, Wasser, Windkraft, Geothermie und Biomasse ersetzt werden. Denn nur fossile Brennstoffe, deren Kohlendioxid vor Jahrmillionen aus der Atmosphäre gezogen wurde, sorgen für den Treibhauseffekt. Erneuerbare Energien dagegen produzieren entweder kein CO2 oder aber entziehen es - wie Pflanzen dies tun - zuvor der Luft. Die Bilanz bleibt ausgeglichen. Das Herz der Reformen ist die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Schon seit dem Jahr 2000 sorgt es dafür, dass Anlagen für die Erzeugung von Strom und Wärme aus diesen Energieträgern gefördert werden - und dass der so gewonnene Strom in die Netze eingespeist werden kann - so, dass sich das für die meist kleinen und dezentral agierenden Stromerzeuger lohnt, und ohne die Gefahr, von den vier, den deutschen Markt dominierenden Stromriesen diskriminiert zu werden. Auf lange Sicht, da ist sich Bundesumweltminister Gabriel sicher, wird die Beförderung Erneuerbarer Energien die Marktmacht der Stromkonzerne brechen, denn sie erzeugen Strom hauptsächlich aus Kohle und Kernkraft. Weshalb die Gesetzes-Novelle den Anteil der Erneuerbaren Energien noch mehr erhöhen wird, als dies ohnehin geplant war.
"Da bauen wir unsere ursprünglichen Ziele, bis 2020 20 Prozent zu erreichen auf 25 bis 30 Prozent aus. 30 Prozent ist sozusagen das maximale das wir glauben durch engagiertes Arbeiten in dem Bereich bis 2020 schaffen können."
Während es beim so genannten Wärme-Gesetz zwischen Union und SPD bis zur letzten Minute Nachverhandlungen gegeben hatte, weil sie CDU und CSU nicht mit dem Gedanken vertraut machen konnten, dass Besitzer von Altbauten zu klimabewusstem Sanieren verpflichtet werden können, ist die Einigkeit beim Erneuerbare-Energien-Gesetz so groß wie bei kaum einer anderen der heute beschlossenen Maßnahmen. Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos - der sich nicht selten als Antagonist des medienbewussten Umweltministers versteht - begrüßt es, und zwar aus ökonomischen Gründen.
"Wir müssen schauen, dass wir Schritt für Schritt unsere Abhängigkeit und auch unsere Importabhängigkeit von teuren Energien abbauen. Und dazu dienen die Maßnahmen."
Zu den neuen Regelungen gehört die finanzintensive Förderung von Off-Shore-Windanlagen. Weit vor der Küste der Nordsee, vom Strand aus kaum erkennbar, entstehen riesige Wind-Parks - damit entgegnet man der zunehmenden Kritik an der so genannten Verspargelung der Landschaft durch Windräder. Diese werden deshalb konsequenterweise im Gegenzug weniger gefördert. Außerdem wird die Netzintegration verbessert: Windräder ebenso wie Sonnenkollektoren haben das Problem, dass sie vom Wetter abhängig sind und nicht gleichmäßig Strom erzeugen können, was in Einzelfällen dazu führt, dass Netze instabil werden. So genannte virtuelle Kraftwerke, die aus verschiedenen Quellen gespeist werden, könnten dieses Problem lösen. Ihre Förderung ist in der Novelle vorgesehen, was auch Kritiker von Bundesumweltminister Gabriel im Unionslager begrüßen - dem energiepolitischen Koordinator der Unionsparteien im Bundestag, Joachim Pfeiffer, geht die Novelle hier aber nicht weit genug.
"Derjenige, der in der Lage ist, Grundlaststrom zu liefern, der muss besser gestellt werden als derjenige, der nur den Strom abliefert, wenn er ihn gerade produziert. Das ist mein großes Interesse: Hier diese nachfrageorientierte Stromeinspeisung bei den Erneuerbaren Energien nach vorne zu bringen, indem man beispielsweise virtuelle Kraftwerke fördert, das heißt, wenn Biomasse, Photovoltaik und Wind in Kombination in der Lage sind, Grundlaststrom zu liefern, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Das muss jetzt in das Erneuerbare-Energien-Gesetz integriert werden, dann sind wir auf dem richtigen Weg."
Trotz der heute demonstrativ gezeigten Einigkeit zwischen Union und SPD in der Klimafrage gibt es also nach wie vor Stimmen in der Union, die insbesondere Sigmar Gabriels angeblich wirtschaftsfeindliche Haltung für falsch erachten: Da ist es ein gefundenes Fressen für Unionspolitiker wie Joachim Pfeiffer, dass die Novelle seiner Ansicht nach auch die Produzenten von Solarstrom benachteiligt.
"Die Photovoltaik ist heute in einem technologischen Niveau, wo wir das noch unter Technologieförderung eigentlich sehen müssen. Die Photovoltaik ist in Deutschland nicht in der Lage, einen nennenswerten Beitrag zu leisten. Während Wind quasi heute schon das Gros leistet, ist Photovoltaik beim Stromanteil noch unter einem Prozent."
Pfeiffers Rezept: Mehr Förderung aus dem Staatssäckel für Solarstrom. Gelegenheit, nachzujustieren, gäbe es: Nach dem Kabinett muss auch der Bundestag zustimmen, den - dem so genannten Struckschen Gesetz zufolge - kein Entwurf ohne Veränderung verlässt. Und auch die Gesetzmäßigkeiten sollen bei der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Wasser besser als bisher wirken dürfen - so die Forderung von konservativen Energiepolitikern wie Joachim Pfeiffer.
"Mein Ziel ist es, Stromeinspeisung langfristig über die Börse zu bringen, damit Transparenz zu schaffen und ihn damit in den Markt vollkommen zu integrieren. Deshalb muss hier die Flexibilität für diejenigen, die bereit sind, das über die Börse zu machen, deutlich erhöht werden."
Eine weitere Maßnahme des Klimapaketes ist die verstärkte Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Neuartige Kraftwerke erlauben es, nicht nur Strom oder Wärme, sondern beides gleichzeitig zu erzeugen und damit den Nutzungsgrad erheblich zu erhöhen: Bis zu neunzig Grad kann er erreichen, davon können die Betreiber konventioneller Kraftwerke nur träumen. Die Wärme kann dann etwa als Wasserdampf in einem Fernwärmenetz zum Heizen von Häusern verwendet werden. Bisher aber schien die Industrie und die Stromkonzerne wenig geneigt zu sein, von alleine in diese Technik zu investieren, wie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel betont.
"Wir haben hier eine Zusage gehabt der Deutschen Wirtschaft zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, der effizientesten Form, bei der wir Strom und Wärme erzeugen und die wird nicht eingehalten. Und deswegen sagen wir, müssen wir das zuständige Gesetz novellieren, um diese freiwillige Zusage, die die Industrie ja selbst gegeben hat, dann auch, wenn sie sie nicht selber einhält, per Gesetz durchzusetzen."
Auch hier gibt es Zielmarken, die man erreichen will: Der Anteil von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung soll bis 2020 auf etwa 25 Prozent verdoppelt werden. Neuanlagen können staatlich bezuschusst werden genauso wie Wärmenetze - Bundeswirtschaftsminister Glos weist aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einführung dieser Techniken nicht zu Lasten der Verbraucher gehen dürfe - denn die Fördergelder speisen sich aus den Einnahmen der Stromsteuer.
"Wir haben die Kraft-Wärme-Kopplung noch mal verbessert, wir bieten selbst Anreize für Industrieanlagen, die sich eigentlich ohnedies rechnen müssten, weil wir uns da möglichst rasch eine Reduzierung der CO2-Emissionen. Wir haben allerdings das Ganze auf 750 Millionen Euro gedeckelt in der Förderung, weil natürlich alles Geld, was dafür ausgegeben wird, wieder im Umlageverfahren von dem ohnedies gebeutelten Stromsteuerzahler zurückgeholt werden muss."
Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung hat geteilte Reaktionen ausgelöst. Wirtschaftsverbände wie der Zentralverband des Handwerks zeigt sich nicht unzufrieden, sind doch die Chancen für die mittelständischen Betriebe kaum zu übersehen. Harsche Kritik dagegen kommt von den Grünen - die sich ihre einstige Vorreiterrolle in Sachen Ökologie nur ungern nehmen lassen - ihr Parteichef Reinhard Bütikofer sprach von Etikettenschwindel. Die Reduktionsziele würde so auf keinen Fall erreicht werden. Und das wirklich heiße Eisen der Energiepolitik, die Zukunft der Kohle, werde gar nicht erst angefasst. Ein anderer Punkt sorgt für viel Kritik und wurde auch zwischen den Koalitionspartnern noch bis kurz vor Schluss verhandelt. Es geht um das so genannte "Wärme Gesetz". 53 Milliarden Euro an Heizkosten könnten die Deutschen bis zum Jahr 2020 sparen, wenn sie sich mustergültig verhielten. Das heißt, wenn sie endlich den Renovierungsstau in deutschen Heimen auflösten. Die heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Fördermillionen sollen dabei helfen. Bislang jedoch zögern die Deutschen. Ihre Renovierungsfreude, das hat das Fraunhofer Institut herausgefunden, hält sich in engen Grenzen. Nicht einmal 30 Prozent der 39 Millionen Häuser und Wohnungen in Deutschland sind demnach saniert. Hierzulande, so die Forscher, würden die Kosten für energetische Sanierungen in aller Regel überschätzt und das Einsparpotential von Dämmmaßnahmen und neuen Heizsystemen unterschätzt. Eine Erfahrung, die auch die Wohnungswirtschaft macht. Reinhold Jäger, Präsident der WOGE, der Wohnungsgesellschaft Saarland mbH.
"Es gibt viel Unsicherheit. Und ich befürchte, wenn man ordnungspolitisch ganz stringent mit dem Zeigefinger kommt, dass dann einige Leute auch zumachen, die vielleicht, wenn sie mit Argumenten überzeugt würden, mitmachen würden."
Diesen Bedenken der Wohnungswirtschaft hat die Bundesregierung heute Rechnung getragen. Sie hat die Besitzer von Altbauten von der Pflicht entbunden, den Wärmebedarf anteilig über Erneuerbare Energien zu decken. Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf vor, dass ab 2009 nicht nur Neubauten ihren Wärmebedarf teilweise über regenerative Energien decken müssen, sondern dass auch bei Altbauten, die saniert werden, auf solarthermische Anlagen, Biomasse oder Kraft-Wärme-Kopplung zurückgegriffen werden muss. In den Augen der Wohnungswirtschaft sind solche Zwangsmaßnahmen unnötig. Der Markt werde künftig ohnehin keine Objekte mit miserabler Energie-Bilanz mehr akzeptieren. Reinhold Jäger.
"Es wird sicher einen Wettbewerb geben, zwischen denjenigen Wohnungsunternehmen, die sagen ich habe eine Niedrigenergiehaus-Standard mit der entsprechenden Miete. Und denjenigen Wohnungsunternehmen, die nichts tun. Das wird auch bei privaten Hausbesitzern so sein. Irgendwann greift die Systematik von Angebot und Nachfrage."
Experten zweifeln daran, ob es gelingen kann, in den kommenden zwölf Jahren die energiepolitischen Zielsetzungen zu erreichen, wenn die Altbauten außen vor bleiben. Schließlich sollen bis zum Jahr 2020 mindestens 14 Prozent der Heizwärme aus regenerativen Energiequellen gewonnen werden. Augenblicklich sind es gerade einmal sechs Prozent. Professor Uwe Leprich vom Institut für Zukunfts-Energiesysteme in Saarbrücken.
"Man ist gestartet als Tiger, man wollte einen richtigen Durchbruch bei Erneuerbaren Energien im Wärmebereich, und wenn man jetzt noch die Altbauten raus nimmt, dann kann man es im Grunde fast vergessen, weil, die Neubauentwicklung in Deutschland ist sehr gering. Wir haben Bevölkerungsrückgang, zumindest in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten, es wird nicht mehr viele Neubauten geben, und wenn der Altbau vollständig ausgeklammert ist, dann ist das Gesetz eigentlich Makulatur."
Auch der deutsche Mieterbund hätte sich klare gesetzliche Vorgaben gewünscht, die insbesondere für den Wohnungsbestand Verbesserungen mit sich bringen.
Dem Mieterbund schwebt eine Lösung vor, die für beide Seiten von Vorteil ist, sagt Ropertz. Jahr für Jahr klagen die Mieter darüber, dass die Energiekosten in die Höhe schnellen. Wirksam dagegen einschreiten kann aber nur, wer die Energieeffizienz dauerhaft erhöht. Das aber ist nun einmal mit zusätzlichen Kosten und Mieterhöhungen verbunden. Auf der anderen Seite verspricht sich der Mieterbund, dass durch umfangreiche Sanierungen im Wohnungsbestand die Nebenkosten erheblich sinken. Denn vor allem die steigenden Preise für Strom, Öl oder Gas, belasten das Portemonnaie der Mieter. Ulrich Ropertz.
"Wenn man aus dieser Preisspirale herausfinden will, muss man in die Energieeffizienz investieren, da führt kein Weg daran vorbei. Und wenn man den Umfang der Kosten, die auf den Mieter zukommt begrenzt, dann dadurch, dass der Staat Förderprogramme auflegt."
Und das macht der Staat. Gemäß Kabinettsbeschluss sollen im kommenden Jahr insgesamt 350 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Ab 2009 sollen die Zuschüsse dann auf 500 Millionen Euro jährlich aufgestockt werden. Der Deutsche Mieterbund hofft, dass Haus- und Grundbesitzer in Zukunft alle verfügbaren Zuschüsse, die für die Sanierung von Altbauten aus verschiedenen Fördertöpfen bereit gestellt werden, auch abrufen werden - auch ohne gesetzliche Verpflichtung.
Private Hausbesitzer werden sich aber wohl bei der Renovierung ihrer Immobilien darauf konzentrieren, Fenster und Wände zu dämmen, nachdem die Nutzungspflicht regenerativer Wärme für den Häuser- und Wohnungsbestand entfällt. Denn bevor der Privathausbesitzer Sonnenkollektoren aufs Dach schraubt, seine in die Jahre gekommene Ölheizung durch eine Pellet-Heizung ersetzt oder sich an ein Fernwärme-Netz anschließen lässt, versucht er es mit umfangreichen Dämmaßnahmen, argumentiert die saarländische Architektenkammer. Dagegen sei im Grundsatz auch nichts einzuwenden. Nur leider hätten Baumarkt-erfahrene Do-it-yourself-Heimwerker vielfach die Qual der Wahl. Herbert Kiefer, Präsident der saarländischen Architekten-Kammer.
"Wir erleben ein Überangebot an Wärmedämmmaßnahmen auch an Heizungssystemen, die im Langzeitverhalten ihre Wirtschaftlichkeit noch nicht dokumentiert haben. Es sind Systeme, die recht jung auf dem Markt sind, vielleicht fünf bis zehn Jahre, und das ist für den Hausbau eine geringe Zeit, auch, was die Dämmmaterialien anlangt."
Kritik am Gesetzentwurf kommt auch von Industrie und Handwerk. Zufrieden sind Solarindustrie, Pellet-Branche und Heizungsinstallateure, damit, dass zumindest für Neubauten verbindliche Umweltstandards gesetzt worden sind. Damit steige die Chance, dass Bauherren auf Solaranlagen, Erdwärme oder Biomasse zurückgreifen werden, um ihren Wärmebedarf zu decken. Unzufrieden ist die Branche jedoch darüber, dass der Gesetzgeber dem Bauherrn die Wahl lässt. Wer mit alternativen Maßnahmen die geltenden Standards der Energieeinsparverordnung geringfügig unterschreitet, müsse nicht auf Biowärme zurückgreifen, klagt der Bundesverband der Deutschen Solarwirtschaft BSW. Das sei eindeutig das falsche Signal. Martin Bentele vom deutschen Energie-Pelletverband.
"Momentan ist der Standard, wie man sich mit einer Energie-Effizienz-Maßnahme im Bereich der Dämmung freikaufen kann viel zu niedrig. Hier muss im Gesetz nachgebessert werden. Ansonsten wird Energieeffizienz und erneuerbare Wärme gegeneinander aufgerechnet und substituiert, und das sollte in einem Gesetz nicht sein, das Erneuerbare Energien-Gesetz heißt."
Handwerk, Handel, Produzenten. Alle hatten sich vom Wärmegesetz einen Nachfrageschub nach alternativen Heizsystemen erhofft. Doch der wird nun wahrscheinlich ausbleiben, da die eigentlichen Potenziale im Bereich der Altbauten steckten, glauben die Experten. Es überwiegt die Skepsis, dass die millionenschweren Förderprogramme den fehlenden Zwang sanieren zu müssen, ausgleichen können.
Da ein vergleichbarer Vorgang in den noch verbleibenden zwölf Jahren bis 2020 nicht zu erwarten ist, sind Zweifel daran berechtigt, dass diese vom Bundesumweltminister vollmundig verkündeten Ziele überhaupt zu erreichen sind - und zu welchen Kosten. Die Bundesregierung rechnet selbst vor, dass das heute vorgestellte Klimaschutzprogramm 36 Prozentpunkte bringt - die fehlenden vier Prozent werden in den kommenden Jahren durch andere Faktoren noch hinzukommen, fügt Sigmar Gabriel eilig hinzu: Bei diesem Programm geht es auch um Glaubwürdigkeit - vor allem den Entwicklungs- und Schwellenländern gegenüber.
"Wir haben glaube ich damit den Ansprüchen Deutschlands, zu zeigen, dass ein wirtschaftlich entwickeltes Land Wachstum, Beschäftigung, soziale Sicherheit mit Klimaschutz vereinbaren kann. Verbunden ist das mit der Erhöhung der Haushaltsmittel für den Klimaschutz auf mehr als 2,6 Milliarden Euro mit dem Haushalt 2008. Wir kommen von 875 Millionen Euro an Klimaschutzmitteln im Jahr 2005 und haben jetzt mit dem nächsten Bundeshaushalt eine Steigerungsrate von 200 Prozent in den Klimaschutzausgaben des Bundes erreicht."
Ohne Zweifel ist das Paket ein Signal an die Klimaschutz-Konferenz im indonesischen Bali: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel soll, wie es heißt, mit leichtem Gepäck dort hinreisen und nicht die Last der anderen Industrieländer tragen. Die werden von Entwicklungs- und Schwellenländern immer wieder - und nicht zu Unrecht - ermahnt, dass sie doch zunächst vor der eigenen Tür kehren sollen, bevor sie von anderen Staaten CO2-Reduktionen verlangen, die letztlich das Wirtschaftswachstum gerade der aufstrebenden Tigerstaaten bremsen würden. Es gilt also wieder einmal, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Das Klimaschutzpaket besteht aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen, die erstens Bürger und Wirtschaft zum Energiesparen bewegen und zweitens dafür sorgen sollen, dass fossile Energieträger, Kohle, Gas und Erdöl nach und nach durch Erneuerbare Energien aus Sonne, Wasser, Windkraft, Geothermie und Biomasse ersetzt werden. Denn nur fossile Brennstoffe, deren Kohlendioxid vor Jahrmillionen aus der Atmosphäre gezogen wurde, sorgen für den Treibhauseffekt. Erneuerbare Energien dagegen produzieren entweder kein CO2 oder aber entziehen es - wie Pflanzen dies tun - zuvor der Luft. Die Bilanz bleibt ausgeglichen. Das Herz der Reformen ist die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Schon seit dem Jahr 2000 sorgt es dafür, dass Anlagen für die Erzeugung von Strom und Wärme aus diesen Energieträgern gefördert werden - und dass der so gewonnene Strom in die Netze eingespeist werden kann - so, dass sich das für die meist kleinen und dezentral agierenden Stromerzeuger lohnt, und ohne die Gefahr, von den vier, den deutschen Markt dominierenden Stromriesen diskriminiert zu werden. Auf lange Sicht, da ist sich Bundesumweltminister Gabriel sicher, wird die Beförderung Erneuerbarer Energien die Marktmacht der Stromkonzerne brechen, denn sie erzeugen Strom hauptsächlich aus Kohle und Kernkraft. Weshalb die Gesetzes-Novelle den Anteil der Erneuerbaren Energien noch mehr erhöhen wird, als dies ohnehin geplant war.
"Da bauen wir unsere ursprünglichen Ziele, bis 2020 20 Prozent zu erreichen auf 25 bis 30 Prozent aus. 30 Prozent ist sozusagen das maximale das wir glauben durch engagiertes Arbeiten in dem Bereich bis 2020 schaffen können."
Während es beim so genannten Wärme-Gesetz zwischen Union und SPD bis zur letzten Minute Nachverhandlungen gegeben hatte, weil sie CDU und CSU nicht mit dem Gedanken vertraut machen konnten, dass Besitzer von Altbauten zu klimabewusstem Sanieren verpflichtet werden können, ist die Einigkeit beim Erneuerbare-Energien-Gesetz so groß wie bei kaum einer anderen der heute beschlossenen Maßnahmen. Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos - der sich nicht selten als Antagonist des medienbewussten Umweltministers versteht - begrüßt es, und zwar aus ökonomischen Gründen.
"Wir müssen schauen, dass wir Schritt für Schritt unsere Abhängigkeit und auch unsere Importabhängigkeit von teuren Energien abbauen. Und dazu dienen die Maßnahmen."
Zu den neuen Regelungen gehört die finanzintensive Förderung von Off-Shore-Windanlagen. Weit vor der Küste der Nordsee, vom Strand aus kaum erkennbar, entstehen riesige Wind-Parks - damit entgegnet man der zunehmenden Kritik an der so genannten Verspargelung der Landschaft durch Windräder. Diese werden deshalb konsequenterweise im Gegenzug weniger gefördert. Außerdem wird die Netzintegration verbessert: Windräder ebenso wie Sonnenkollektoren haben das Problem, dass sie vom Wetter abhängig sind und nicht gleichmäßig Strom erzeugen können, was in Einzelfällen dazu führt, dass Netze instabil werden. So genannte virtuelle Kraftwerke, die aus verschiedenen Quellen gespeist werden, könnten dieses Problem lösen. Ihre Förderung ist in der Novelle vorgesehen, was auch Kritiker von Bundesumweltminister Gabriel im Unionslager begrüßen - dem energiepolitischen Koordinator der Unionsparteien im Bundestag, Joachim Pfeiffer, geht die Novelle hier aber nicht weit genug.
"Derjenige, der in der Lage ist, Grundlaststrom zu liefern, der muss besser gestellt werden als derjenige, der nur den Strom abliefert, wenn er ihn gerade produziert. Das ist mein großes Interesse: Hier diese nachfrageorientierte Stromeinspeisung bei den Erneuerbaren Energien nach vorne zu bringen, indem man beispielsweise virtuelle Kraftwerke fördert, das heißt, wenn Biomasse, Photovoltaik und Wind in Kombination in der Lage sind, Grundlaststrom zu liefern, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Das muss jetzt in das Erneuerbare-Energien-Gesetz integriert werden, dann sind wir auf dem richtigen Weg."
Trotz der heute demonstrativ gezeigten Einigkeit zwischen Union und SPD in der Klimafrage gibt es also nach wie vor Stimmen in der Union, die insbesondere Sigmar Gabriels angeblich wirtschaftsfeindliche Haltung für falsch erachten: Da ist es ein gefundenes Fressen für Unionspolitiker wie Joachim Pfeiffer, dass die Novelle seiner Ansicht nach auch die Produzenten von Solarstrom benachteiligt.
"Die Photovoltaik ist heute in einem technologischen Niveau, wo wir das noch unter Technologieförderung eigentlich sehen müssen. Die Photovoltaik ist in Deutschland nicht in der Lage, einen nennenswerten Beitrag zu leisten. Während Wind quasi heute schon das Gros leistet, ist Photovoltaik beim Stromanteil noch unter einem Prozent."
Pfeiffers Rezept: Mehr Förderung aus dem Staatssäckel für Solarstrom. Gelegenheit, nachzujustieren, gäbe es: Nach dem Kabinett muss auch der Bundestag zustimmen, den - dem so genannten Struckschen Gesetz zufolge - kein Entwurf ohne Veränderung verlässt. Und auch die Gesetzmäßigkeiten sollen bei der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Wasser besser als bisher wirken dürfen - so die Forderung von konservativen Energiepolitikern wie Joachim Pfeiffer.
"Mein Ziel ist es, Stromeinspeisung langfristig über die Börse zu bringen, damit Transparenz zu schaffen und ihn damit in den Markt vollkommen zu integrieren. Deshalb muss hier die Flexibilität für diejenigen, die bereit sind, das über die Börse zu machen, deutlich erhöht werden."
Eine weitere Maßnahme des Klimapaketes ist die verstärkte Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Neuartige Kraftwerke erlauben es, nicht nur Strom oder Wärme, sondern beides gleichzeitig zu erzeugen und damit den Nutzungsgrad erheblich zu erhöhen: Bis zu neunzig Grad kann er erreichen, davon können die Betreiber konventioneller Kraftwerke nur träumen. Die Wärme kann dann etwa als Wasserdampf in einem Fernwärmenetz zum Heizen von Häusern verwendet werden. Bisher aber schien die Industrie und die Stromkonzerne wenig geneigt zu sein, von alleine in diese Technik zu investieren, wie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel betont.
"Wir haben hier eine Zusage gehabt der Deutschen Wirtschaft zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, der effizientesten Form, bei der wir Strom und Wärme erzeugen und die wird nicht eingehalten. Und deswegen sagen wir, müssen wir das zuständige Gesetz novellieren, um diese freiwillige Zusage, die die Industrie ja selbst gegeben hat, dann auch, wenn sie sie nicht selber einhält, per Gesetz durchzusetzen."
Auch hier gibt es Zielmarken, die man erreichen will: Der Anteil von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung soll bis 2020 auf etwa 25 Prozent verdoppelt werden. Neuanlagen können staatlich bezuschusst werden genauso wie Wärmenetze - Bundeswirtschaftsminister Glos weist aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einführung dieser Techniken nicht zu Lasten der Verbraucher gehen dürfe - denn die Fördergelder speisen sich aus den Einnahmen der Stromsteuer.
"Wir haben die Kraft-Wärme-Kopplung noch mal verbessert, wir bieten selbst Anreize für Industrieanlagen, die sich eigentlich ohnedies rechnen müssten, weil wir uns da möglichst rasch eine Reduzierung der CO2-Emissionen. Wir haben allerdings das Ganze auf 750 Millionen Euro gedeckelt in der Förderung, weil natürlich alles Geld, was dafür ausgegeben wird, wieder im Umlageverfahren von dem ohnedies gebeutelten Stromsteuerzahler zurückgeholt werden muss."
Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung hat geteilte Reaktionen ausgelöst. Wirtschaftsverbände wie der Zentralverband des Handwerks zeigt sich nicht unzufrieden, sind doch die Chancen für die mittelständischen Betriebe kaum zu übersehen. Harsche Kritik dagegen kommt von den Grünen - die sich ihre einstige Vorreiterrolle in Sachen Ökologie nur ungern nehmen lassen - ihr Parteichef Reinhard Bütikofer sprach von Etikettenschwindel. Die Reduktionsziele würde so auf keinen Fall erreicht werden. Und das wirklich heiße Eisen der Energiepolitik, die Zukunft der Kohle, werde gar nicht erst angefasst. Ein anderer Punkt sorgt für viel Kritik und wurde auch zwischen den Koalitionspartnern noch bis kurz vor Schluss verhandelt. Es geht um das so genannte "Wärme Gesetz". 53 Milliarden Euro an Heizkosten könnten die Deutschen bis zum Jahr 2020 sparen, wenn sie sich mustergültig verhielten. Das heißt, wenn sie endlich den Renovierungsstau in deutschen Heimen auflösten. Die heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Fördermillionen sollen dabei helfen. Bislang jedoch zögern die Deutschen. Ihre Renovierungsfreude, das hat das Fraunhofer Institut herausgefunden, hält sich in engen Grenzen. Nicht einmal 30 Prozent der 39 Millionen Häuser und Wohnungen in Deutschland sind demnach saniert. Hierzulande, so die Forscher, würden die Kosten für energetische Sanierungen in aller Regel überschätzt und das Einsparpotential von Dämmmaßnahmen und neuen Heizsystemen unterschätzt. Eine Erfahrung, die auch die Wohnungswirtschaft macht. Reinhold Jäger, Präsident der WOGE, der Wohnungsgesellschaft Saarland mbH.
"Es gibt viel Unsicherheit. Und ich befürchte, wenn man ordnungspolitisch ganz stringent mit dem Zeigefinger kommt, dass dann einige Leute auch zumachen, die vielleicht, wenn sie mit Argumenten überzeugt würden, mitmachen würden."
Diesen Bedenken der Wohnungswirtschaft hat die Bundesregierung heute Rechnung getragen. Sie hat die Besitzer von Altbauten von der Pflicht entbunden, den Wärmebedarf anteilig über Erneuerbare Energien zu decken. Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf vor, dass ab 2009 nicht nur Neubauten ihren Wärmebedarf teilweise über regenerative Energien decken müssen, sondern dass auch bei Altbauten, die saniert werden, auf solarthermische Anlagen, Biomasse oder Kraft-Wärme-Kopplung zurückgegriffen werden muss. In den Augen der Wohnungswirtschaft sind solche Zwangsmaßnahmen unnötig. Der Markt werde künftig ohnehin keine Objekte mit miserabler Energie-Bilanz mehr akzeptieren. Reinhold Jäger.
"Es wird sicher einen Wettbewerb geben, zwischen denjenigen Wohnungsunternehmen, die sagen ich habe eine Niedrigenergiehaus-Standard mit der entsprechenden Miete. Und denjenigen Wohnungsunternehmen, die nichts tun. Das wird auch bei privaten Hausbesitzern so sein. Irgendwann greift die Systematik von Angebot und Nachfrage."
Experten zweifeln daran, ob es gelingen kann, in den kommenden zwölf Jahren die energiepolitischen Zielsetzungen zu erreichen, wenn die Altbauten außen vor bleiben. Schließlich sollen bis zum Jahr 2020 mindestens 14 Prozent der Heizwärme aus regenerativen Energiequellen gewonnen werden. Augenblicklich sind es gerade einmal sechs Prozent. Professor Uwe Leprich vom Institut für Zukunfts-Energiesysteme in Saarbrücken.
"Man ist gestartet als Tiger, man wollte einen richtigen Durchbruch bei Erneuerbaren Energien im Wärmebereich, und wenn man jetzt noch die Altbauten raus nimmt, dann kann man es im Grunde fast vergessen, weil, die Neubauentwicklung in Deutschland ist sehr gering. Wir haben Bevölkerungsrückgang, zumindest in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten, es wird nicht mehr viele Neubauten geben, und wenn der Altbau vollständig ausgeklammert ist, dann ist das Gesetz eigentlich Makulatur."
Auch der deutsche Mieterbund hätte sich klare gesetzliche Vorgaben gewünscht, die insbesondere für den Wohnungsbestand Verbesserungen mit sich bringen.
Dem Mieterbund schwebt eine Lösung vor, die für beide Seiten von Vorteil ist, sagt Ropertz. Jahr für Jahr klagen die Mieter darüber, dass die Energiekosten in die Höhe schnellen. Wirksam dagegen einschreiten kann aber nur, wer die Energieeffizienz dauerhaft erhöht. Das aber ist nun einmal mit zusätzlichen Kosten und Mieterhöhungen verbunden. Auf der anderen Seite verspricht sich der Mieterbund, dass durch umfangreiche Sanierungen im Wohnungsbestand die Nebenkosten erheblich sinken. Denn vor allem die steigenden Preise für Strom, Öl oder Gas, belasten das Portemonnaie der Mieter. Ulrich Ropertz.
"Wenn man aus dieser Preisspirale herausfinden will, muss man in die Energieeffizienz investieren, da führt kein Weg daran vorbei. Und wenn man den Umfang der Kosten, die auf den Mieter zukommt begrenzt, dann dadurch, dass der Staat Förderprogramme auflegt."
Und das macht der Staat. Gemäß Kabinettsbeschluss sollen im kommenden Jahr insgesamt 350 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Ab 2009 sollen die Zuschüsse dann auf 500 Millionen Euro jährlich aufgestockt werden. Der Deutsche Mieterbund hofft, dass Haus- und Grundbesitzer in Zukunft alle verfügbaren Zuschüsse, die für die Sanierung von Altbauten aus verschiedenen Fördertöpfen bereit gestellt werden, auch abrufen werden - auch ohne gesetzliche Verpflichtung.
Private Hausbesitzer werden sich aber wohl bei der Renovierung ihrer Immobilien darauf konzentrieren, Fenster und Wände zu dämmen, nachdem die Nutzungspflicht regenerativer Wärme für den Häuser- und Wohnungsbestand entfällt. Denn bevor der Privathausbesitzer Sonnenkollektoren aufs Dach schraubt, seine in die Jahre gekommene Ölheizung durch eine Pellet-Heizung ersetzt oder sich an ein Fernwärme-Netz anschließen lässt, versucht er es mit umfangreichen Dämmaßnahmen, argumentiert die saarländische Architektenkammer. Dagegen sei im Grundsatz auch nichts einzuwenden. Nur leider hätten Baumarkt-erfahrene Do-it-yourself-Heimwerker vielfach die Qual der Wahl. Herbert Kiefer, Präsident der saarländischen Architekten-Kammer.
"Wir erleben ein Überangebot an Wärmedämmmaßnahmen auch an Heizungssystemen, die im Langzeitverhalten ihre Wirtschaftlichkeit noch nicht dokumentiert haben. Es sind Systeme, die recht jung auf dem Markt sind, vielleicht fünf bis zehn Jahre, und das ist für den Hausbau eine geringe Zeit, auch, was die Dämmmaterialien anlangt."
Kritik am Gesetzentwurf kommt auch von Industrie und Handwerk. Zufrieden sind Solarindustrie, Pellet-Branche und Heizungsinstallateure, damit, dass zumindest für Neubauten verbindliche Umweltstandards gesetzt worden sind. Damit steige die Chance, dass Bauherren auf Solaranlagen, Erdwärme oder Biomasse zurückgreifen werden, um ihren Wärmebedarf zu decken. Unzufrieden ist die Branche jedoch darüber, dass der Gesetzgeber dem Bauherrn die Wahl lässt. Wer mit alternativen Maßnahmen die geltenden Standards der Energieeinsparverordnung geringfügig unterschreitet, müsse nicht auf Biowärme zurückgreifen, klagt der Bundesverband der Deutschen Solarwirtschaft BSW. Das sei eindeutig das falsche Signal. Martin Bentele vom deutschen Energie-Pelletverband.
"Momentan ist der Standard, wie man sich mit einer Energie-Effizienz-Maßnahme im Bereich der Dämmung freikaufen kann viel zu niedrig. Hier muss im Gesetz nachgebessert werden. Ansonsten wird Energieeffizienz und erneuerbare Wärme gegeneinander aufgerechnet und substituiert, und das sollte in einem Gesetz nicht sein, das Erneuerbare Energien-Gesetz heißt."
Handwerk, Handel, Produzenten. Alle hatten sich vom Wärmegesetz einen Nachfrageschub nach alternativen Heizsystemen erhofft. Doch der wird nun wahrscheinlich ausbleiben, da die eigentlichen Potenziale im Bereich der Altbauten steckten, glauben die Experten. Es überwiegt die Skepsis, dass die millionenschweren Förderprogramme den fehlenden Zwang sanieren zu müssen, ausgleichen können.