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Wirtschaftlich angeschlagen, wissenschaftlich wohlauf

Ich würde Ihnen gerne einige Bilder von diesem Umbau zeigen. Hier sehen Sie, dass diese Fakultät vielleicht die modernste ganz Italiens ist. Wir haben das Gebäude ausgehölt und darin etwas Neues geschaffen. Die Architektur spricht für sich.

    Von Thomas Migge

    Renzo Piano stellte vor kurzem in Turin Italiens erste Fakultät für Autoingenieurwissenschaften vor. Im Lingotto. In jenem berühmten Gebäude in Turin, auf dessen Dach sich eine weltweit einmalige Teststrecke für Rennwagen befindet. Das Lingotto ist ein rund 600 Meter langes fünfstöckiges Gebäude. Es beinhaltete bis in die 80er Jahre die erste Fabrik des Turiner Autohauses FIAT. Tempi passati, vergangene Zeiten. Heute werden hier keine PKW und LKW mehr produziert. FIAT-Hauptakttonär Gianni Agnelli ließ das Lingotto von Innen her ganz umbauen. Stararchitekt Piano schuf einen Konzertsaal, ein Luxushotel, ein Museum und jetzt auch eine Ingenieurfakultät. Klar, dass es um Autos geht und klar auch, dass FIAT an der Finanzierung dieser Fakultät mitbeteiligt ist. Man kleckerte nicht sondern klotzte: der Fachbereich der Universität Turin erstrahlt in modernstem Design -ganz cool, wie es typisch ist für die Entwürfe von Renzo Piano. Leiter der neuen Fakultät für Autoingenieurwissenscharten ist Carlo Casella:

    Es handelt sich um einen Diplomstudiengang, bei dem es nur um das Auto geht. Wir orientierten uns an ähnlichen Studiengängen in Europa und in den USA und entschieden uns dann, dass wir neben dem Grundwissen in Autoingenieurwissenschaften unser Hauptaugenmerk auf Zukunftstechnologien legen. Immer in Zusammenarbeit mit dem hiesigen Polytechnikum.

    Jedes Jahr werden nur 120 Studenten zugelassen. Nicht nur Italiener. Der neue Studiengang ist für alle Bürger der EU offen. Voraussetzung ist der Nachweis ausreichender italienischer Sprachkenntnisse und eines Abiturs. Im ganzen können an der Fakultät 400 Studierende pauken. Erstaunlich groß ist das Unterrichtspersonal: ganze 200 Professoren und Assistenten arbeiten in der neuen Fakultät. 110 sind hauptamtlich Lehrende, die übrigen haben Zeitverträge. Sämtlich Aulen der von Piano geschaffenen Struktur verrügen über modernste technische Anlagen. Jedem Studenten steht ein Computer zur Verfügung. Die neue Einrichtung verfügt über vier glaswändige Aulen, die durch ein computergesteuertes Lamellenstystem vom Sonnenlicht geschützt werden. Professor Casella:

    All das konnte natürlich nur realisiert werden mit dem großzügigen Beitrag von Autofirmen. Und da muss besonders die FIAT-Gruppe hervorgehoben werden. Was zunächst als FIAT-eigene Ausbildungsstätte geplant war entwickelte sich schließlich zu einem offiziellen Studiengang.

    Bei dem, das muss deutlich herausgestrichen werden, die Manager von FIAT ihre Finger mit im Spiel haben. Es geht um die Zukunft und um einen Markt, um den immer härter gekämpft wird. Vor allem bei FIAT. Die Aktien des größten italienischen Autohauses sind seit Anfang dieses Jahres um 64 Prozent in ihrem Wert gefallen. Deshalb der bedingungslose Einsatz in das finanzielle Abenteuer der neuen Fakultät. FIAT braucht bahnbrechende Erfindungen und bestens ausgebildete Autoingenieure, mit deren Hilfe es vielleicht gelingen wird, die schwere Krise zu überwinden. Vielleicht mit ganz neuen Autos, hofft Professor Casella:

    Diese Fakultät richtet sich vor allem an jene Studierende, die ganz bewusst an neuen Technologien mitarbeiten wollen. Deshalb geben wir allen Studierenden die Möglichkeit mit Computerprogrammen zu arbeiten, die normalerweise nur fertig ausgebildeten Entwicklungsingenieuren in Autohäusern zur Verfügung stehen.

    Gerade beim Motor und bei der Erfindung von umweltfreundlichen Technologien erhofft sich FIAT von den Studierenden Neuheiten. Neuheiten, mit denen man die Konkurrenz schlagen und die Aktien Wieder in die Höhe treiben kann. Business und Forschung sollen in der neuen Fakultät für Autoingenieurwissenschaften in Turin Hand in Hand gehen. Nach dem Motto: Was gut ist für Studierende, das kann nur gut für FIAT sein.