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Wirtschaftlich eng verbandelt

Italiens Banken und Konzerne sind wirtschaftlich stark verflochten mit dem libyschen Regime. Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges fürchten sie um ihr Geld, ihr Öl und ihre Aufträge.

Von Kirstin Hausen |
    Der Mailänder Börsenplatz. Hier kreuzen sich die Wege von Anlageberatern, Analysten und Finanzexperten. Seit Tagen ist die Krise in Libyen und ihre Konsequenzen für die italienische Wirtschaft Thema ihrer Gespräche. Und seit die Debatte um eine Flugverbotszone über Libyen durch die jüngsten Entscheidungen der arabischen Liga an Fahrt aufgenommen hat, wächst nicht zuletzt in Italien die Beunruhigung:

    "Italien hängt tief drin in Libyen und die aktuelle Situation wirkt sich sehr negativ auf unseren Börsenindex aus"

    "Beunruhigend ist das"

    "Und die Zeichen, die die Regierung gibt, sind alles andere als klar."

    Italiens Regierung fährt einen Schlingerkurs. Das liegt nicht nur an der Freundschaft zwischen Berlusconi und Ghaddafi, sondern auch an den wirtschaftlichen Interessen, die beide Länder verbinden. Nicht erst seit Berlusconi regiert, sondern seit langer Zeit, betont die Professorin für Internationales Wirtschaftsrecht an der staatlichen Universität Mailand Angela Lupone.

    "Diese Beziehungen zwischen Italien und Libyen laufen seit 1911 als Italien das Land, das nicht Libyen hieß, besetzt hat und das dauerte bis zu den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts und deshalb ist jetzt die Bindung sehr eng: historisch, politisch und wirtschaftlich. Was die heutigen wirtschaftlichen Aspekte betrifft, sollte man sich auf drei Dinge konzentrieren: die Beteiligung Libyens an Unternehmen in Italien, dann haben wir das Problem der Direktinvestitionen von italienischen Unternehmen in Libyen. Italien hat an verschiedene Ausschreibungen teilgenommen und auch so Aufträge bekommen in Libyen was Transportwesen betrifft, Straßen, Eisenbahnen und dann die Sache mit dem Erdöl und Gas."

    Ein Zehntel des italienischen Gasverbrauchs wird mit der Einfuhr aus Libyen gedeckt, beim Erdöl liegt der Anteil sogar bei einem Viertel am Gesamtverbrauch.

    "Das Problem ist, dass das libysche Erdöl sehr gutes Erdöl ist und es ist nicht so austauschbar, und die Preise steigen ganz bestimmt, es sollte nicht in den nächsten Monaten zu einem Engpass kommen, aber Konsequenzen hat das, auf dem Arbeitsmarkt, auf andere Märkte. Was wird das kosten, wie werden die Banken darunter leiden, was passiert jetzt?"

    Das fragen sich nicht nur die italienischen Bürger, sondern auch die betroffenen Unternehmen und die italienischen Kontrollbehörden für den Finanzmarkt. Der Europäische Rat hat eine Liste mit libyschen Gesellschaften veröffentlicht, deren Beteiligungen in Italien eingefroren werden müssen. Das bedeutet, die Aktien, die Libyen zu 7,6 Prozent an der Bank Unicredit und zu zwei Prozent am Rüstungskonzern Finmeccanica beteiligen, können bis auf weiteres nicht verkauft werden.

    "Der internationale Zweck des Einfrierens ist, dass Ghaddafi kein Geld zukommt, wobei Ghaddafi sehr viel Liquidität hat, er braucht dieses Geld nicht, aber es ist gut, wir verhindern, dass er Waffen bekommt, was für Italien ein großer Verlust ist, und dass er Geld bekommt. Wer übt jetzt die Rechte aus, die in den Aktien einkooperiert sind? Das ist jetzt die Frage."

    Unicredit hat die Stimmrechte ihrer libyschen Anteilseigner ebenfalls auf Eis gelegt und wird dem libyschen Staatsfonds LIA und der libyschen Zentralbank auch keine Dividende mehr auszahlen. Aber die Libyer stecken auch noch in vielen anderen italienischen Unternehmen mit drin, angefangen bei Italiens Energieriesen ENI und dem Autobauer FIAT über Finmeccanica, das Textilunternehmen Olcese, den kleinen Telekommunikationsanbieter RETELIT bis zum Fussballverein Juventus Turin. Und das sind nur die meldepflichtigen Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen. Wahrscheinlich mischt der Gaddaficlan bei noch mehr Firmen in Italien mit.

    "Libyen investiert sehr viel in den Immobilienmarkt und in Banken und kauft normalerweise Aktien, die billig sind, weil Unternehmen in der Krise sind, aber immer nur, wo es strategisch sehr sinnvoll ist, für Italien in der Tourismusbranche, er besitzt, also Libyen besitzt auch SPA und Wellnesscenter in Mittel- und Süditalien."

    Davon ist in der italienischen Öffentlichkeit aber nicht die Rede. Und auch die gemeinsame Beteiligung von Gaddafis Finanzgesellschaft Lafitrade und Berlusconis Medienholding Fininvest an einer Filmproduktions- und Vertriebsgesellschaft des französisch-algerischen Finanziers Tarak Ben Ammar ist in Italien kein großes Thema. Dass der italienische Ministerpräsident mit dem libyschen Diktator nicht nur im Namen seines Landes Verträge geschlossen hat, sondern auch private Geschäfte gemacht hat, stört die Anlageberaterin Ima El-Raschid sehr. Sie ist Tochter einer Italienerin und eines Ägypters und in Mailand aufgewachsen.

    "Aus moralischer Sicht hätte es diese Freundschaft zu Ghaddafi gar nicht geben dürfen, aber wir hier in Italien sind wirtschaftlich sehr eng verflochten mit dem Regime, und das bringt uns ein schlechtes Image im Ausland ein."