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Wirtschaftliche Folgen der Coronakrise
Zahl der Minijobs geht zurück

Kellnern, putzen oder Karten abreißen - in vielen Branchen arbeiten geringfügig Beschäftigte. In der Coronakrise sind sie nun jedoch die ersten, die entlassen werden. Bis Ende März sind die Minijob-Zahlen so deutlich gesunken wie noch nie.

Von Sina Fröhndrich | 12.05.2020
Bochum: Die Barhocker stehen umgedreht auf einer Theke der Kneipe Flashbacks im beliebten Ausgehviertel Bermuda3Eck.
Im Gastgewerbe gibt es besonders viele geringfügig Beschäftigte - dort ist der Rückgang nun am deutlichsten zu spüren (aroline Seidel/dpa)
Mit diesem Rückgang hat auch Wolfgang Buschfort nicht gerechnet. Er arbeitet für die Minijobzentrale – sie ist die wesentliche Anlaufstelle für die fast 6,7 Millionen geringfügig Beschäftigten und deren ArbeitgeberInnen.

"Die Minijobzahlen im März sind so dermaßen gesunken, wie sie früher noch nie gesunken sind. Selbst bei der Finanzkrise 2009/2010 haben wir das in dieser Form nicht erlebt. Wir haben knapp eine Viertel Million weniger Minijobber als noch im Quartal zuvor, also im Dezember letzten Jahres."
Dass der Rückgang so deutlich sei, habe ihn überrascht, sagt Pressesprecher Buschfort, denn auch bei Minijobs gelten Kündigungsfristen. Dass schon bis Ende März so vielen Personen gekündigt wurde, sei rätselhaft:

"Der Arbeitgeber muss eigentlich vier Wochen, sechs Wochen warten mindestens, bis er jemanden auf die Straße setzen kann. Und diese Frist ist hier sicherlich nicht erfüllt worden."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Märzzahlen sind wohl erst die Spitze des Eisbergs
Besonders deutlich ist der Rückgang im Gastgewerbe, in Bars, Restaurants, Imbissen - hier gab es elf Prozent weniger Beschäftigte auf 450-Euro-Basis. Ein leichter Anstieg dagegen wurde auf dem Bau und in der Land- und Forstwirtschaft registriert – allerdings habe das saisonale Gründe. Eigentlich war die Minijobzentrale davon ausgegangen, dass wegen der Coronakrise auch in anderen Bereichen mehr geringfügig Beschäftigte eingesetzt würden – etwa in Supermärkten. Doch das lasse sich zumindest für den März nicht beobachten, sagt Wolfgang Buschfort. Auch der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell ist überrascht von den Zahlen – und spricht von einem gewaltigen Einbruch. Der aber nur die Spitze des Eisbergs sei.
"Weil: Viele Arbeitgeber lassen sich teilweise Monate Zeit mit der Abmeldung von Minijobbern. Und der ganze April, da wo gerade in der Gastronomie alles still lag, der ist noch gar nicht in den Zahlen drin – das heißt, das ist die erste Welle an freigesetzten Minijobbern – wir werden leider wohl damit rechnen müssen, dass da noch eine ordentliche Größenordnung rauf kommt."
Eine Lupe fokussiert Grafik mit stark fallendem Börsenkurs.
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Damit rechnet auch die Minijobzentrale. Wolfgang Buschfort: "Wir haben bis jetzt 100.000 Fälle gehabt, wo Arbeitnehmer, die Minijobber beschäftigten, und nicht nur vielleicht einen sondern zehn, 20, oder 50 Minijobber, bei uns darum gebeten haben, dass wir die Sozialversicherungsbeiträge stunden – das heißt, sie können letztendlich die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr bezahlen. Und da kann man damit rechnen, dass es erheblich mehr Personen dann auch geben wird, die schlicht arbeitslos werden."
Sozialwissenschaftler: Minijob hat Schattenseiten und die zeigen sich jetzt
Anspruch auf Arbeitslosengeld haben die Betroffenen dann nicht. Und vom Kurzarbeitergeld sind sie auch ausgenommen und genau deswegen seien MinijobberInnen jetzt die ersten, die gehen müssten, sagt Sozialwissenschaftler Sell. Die Krise zeige, welche Schattenseiten der Minijob habe. Man müsse diese Beschäftigungsform grundsätzlich in Frage stellen.

"Wir müssen dieses Sonderarbeitsverhältnis, das müssen wir beenden. Es liegen schon seit längerem Vorschläge vor, dass man das in normale Beschäftigung überführt, die auch sozial versicherungspflichtig ist, das sollten wir jetzt lernen, weil die Minijobber, die Vorteile, die sie meinten wahrnehmen zu können, brutto für netto, und so weiter, dass das sich gegen sie kehrt. Sie sind die ersten, die als Krisenopfer zu verbuchen sind."
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Betroffen sind Beschäftigte in allen Altersgruppen, von Studierenden bis zu RentnerInnen. Manchmal ist es tatsächlich nur ein Zuverdienst, der Verlust des Minijobs mag da weniger weh tun. Manchmal seien die Menschen aber auch auf das Geld angewiesen, sagt Wolfgang Buschfort von der Minjobzentrale.

"Man kann immer schön sagen, das ist ein Zusatzverdienst, aber wenn man darauf angewiesen ist, und sich darauf eingestellt hat mit Ratenzahlungen, ist das schon ein Riesenproblem."

Doch in der Krise könnte auch eine Chance stecken: Noch überwiege die Sicht, dass ein Minijob ein Zuverdienst sei, der nicht abgesichert werden müsse – ob das nach der Coronakrise auch noch gelte, das bezweifelt Buschfort.