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"Wirtschafts-Nobelpreis" 2020
Wie Paul Milgrom und Robert Wilson Auktionen fairer machten

Der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften geht in diesem Jahr an zwei Auktionsforscher. Was hat es auf sich mit den Erkenntnissen von Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson, und was bedeuten sie in der Praxis? Ein kurzer Überblick.

Von Silke Hahne | 12.10.2020
Symbolbild Auktion in Hongkong, April 2016
Kunstwerke, Zuchtbullen, Mobilfunkfrequenzen: Versteigerungen finden auf vielen Ebenen statt. Manche davon betreffen uns direkt. (imago / Xinhua)
Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten: Der Wirtschaftsnobelpreis geht an Paul Milgrom und Robert Wilson, und zwar für ihre Verbesserungen der Auktionstheorie und die Erfindung neuer Auktionsformate. Beide lehren in Kalifornien an der Elite-Universität Stanford. Was für Forschungen haben die beiden betrieben, und wie sind sie nutzbar zu machen?

In welchen Feldern findet die Milgroms und Wilsons Auktionsforschung Anwendung?

Heutzutage werden viele Lebensbereiche und wirtschaftliche Geschäfte über Auktionen abgewickelt. Einige Beispiele:
  • Strom an der Strombörse
  • Emissionszertifikate zur Verschmutzung der Umwelt mit CO2
  • Mobilfunkfrequenzen
  • Fischereirechte
  • Start- und Landerechte an Flughäfen
Indirekt beeinflusst das unser Leben enorm, etwa
  • als Steuerzahler, wenn es um die Einnahmen des Staates geht,
  • als Verbraucherin, wenn es um die Stromrechnung geht,
  • beim CO2-Zertifikatehandel mit seinen ökologischen und wirtschaftlichen Konsequenzen.
An manchen Auktionen nehmen Privatpersonen direkt teil:
  • auf Aktionsplattformen wie Ebay
  • bei Kunstauktionen
  • als Kleinanleger am Aktienmarkt
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Worin genau besteht Wilsons und Milgroms Verdienst?

Sie haben das Format, das Setting von Auktionen, der Realität angepasst. Seit den 1980er-Jahren befassten sie sich mit der Frage: Was treibt eigentlich Akteurinnen und Akteure einer Auktion an, insbesondere Interessenten? Diese bieten oft weniger, als sie dem Auktionsgegenstand eigentlich an Wert beimessen.
Das passiert vor allem dann, wenn die Informationslage vorab schlecht ist und sie Angst haben müssen, am Ende zu viel zu bezahlen. Das nennt man den "Fluch des Gewinners". Halten sich Bieterinnen und Bieter aber wegen dieses vermeintlichen Fluchs zurück, geht der oder die Verkaufende am Ende vielleicht mit weniger Erlös aus, als das Gut wert gewesen wäre. Wilson und Milgrom haben diese Erkenntnisse in Auktions-Verfahren einfließen lassen, damit diese für alle Beteiligten optimal ablaufen.
Das findet etwa Anwendung bei Telekommunikationsrechten. Die beiden berieten Behörden zunächst in den USA und später weltweit, wie Auktionen in diesem Bereich funktionieren, sodass etwa Unternehmen die Frequenzen nicht für zu wenig Geld bekommen.
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2018 und 2019 wurden Arbeiten zu politisch brisanten Themen ausgezeichnet. Wie politisch relevant sind die Erkenntnisse von Milgron und Wilson?

Versteigerungen sind zu einer Art Allzweckwaffe geworden, was Regulierung angeht, etwa
  • beim Mobilfunkstandard 5G, wo der Staat auch bestimmte Auflagen gemacht hat was die Netzabdeckung angeht,
  • oder beim Klimawandel, bei dessen Eingrenzung immer wieder über das Thema CO2-Preis gesprochen wird, über Emissionszertifikate. Begrenzt man diese CO2-Zertifikate, steigt der Preis für klimaschädliche Güter, wodurch dann eine Lenkungswirkung entsteht.