Gerd Breker: Trotz positiver Stimmung der Wirtschaft liegt Deutschland in einem Vergleich der 21 führenden Industrienationen durch die Bertelsmann-Stiftung bei Wirtschaftswachstum und Beschäftigung weiterhin auf dem letzten Platz. Gleichzeitig sei in Deutschland die Erwerbsbeteiligung, Menschen also, die einen Job haben oder Arbeit suchen, mit 44,2 Prozent extrem gering. Wenig Perspektive also.
Um den deutschen Arbeitsmarkt im Lichte der Globalisierung kümmert sich derzeit auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung in Berlin. Wir wollen dies ebenfalls tun im Gespräch mit dem Wirtschaftswissenschaftler und Experten in Sachen Automobilindustrie, mit Ferdinand Dudenhöffer. Guten Tag Herr Dudenhöffer!
Ferdinand Dudenhöffer: Schönen guten Tag Herr Breker!
Breker: Herr Dudenhöffer, was ist los in diesem Land? Gelingt der Wandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft nicht?
Dudenhöffer: Genau das sind unsere Probleme. Wir reden zwar schon seit Jahren von Reformen und machen die Schritte in diese Reformen Millimeterweise. Wir haben in Deutschland immer noch Lohnkosten-Niveaus, die Weltspitze sind. Wir haben extrem hohe Lohnnebenkosten. Wir leisten uns den Luxus der 35-Stunden-Woche, bei VW sogar 28,8-Stunden-Woche, die ja dann ebenfalls bezahlt werden müssen. Wir haben bei den Unternehmenssteuern die Steuersysteme in die Richtung ausgeprägt, dass wir mit an der Spitze der höchsten Unternehmensbesteuerungen liegen. Das heißt der Standort Deutschland hat extreme Nachteile im internationalen Konzert der Standorte, und Osteuropa ist dabei, die Butter vom deutschen Brot zu ziehen.
Breker: Und diese Nachteile werden jetzt im Lichte der Globalisierung so richtig deutlich. Aber ist denn die Globalisierung, dieses vermeintliche Phänomen, so überraschend gekommen?
Dudenhöffer: Sie ist nicht überraschend gekommen. Wir sehen diese Entwicklung seit 20 Jahren. Die großen Unternehmen haben sich schon lange darauf eingestellt. Allein wir in Deutschland haben zu lange die Augen verschlossen, haben zu lange verteilt, was eigentlich nicht zu verteilen geht, genauso wie es die IG Metall jetzt ja auch wieder versucht, Erdölpreiserhöhungen zu verteilen bei den Lohnverhandlungen. Das sind einfach Sachen, die gehen nicht. Wir haben wie gesagt unsere Kostenstrukturen für den Standort Deutschland nicht in Ordnung gebracht, obwohl das Umfeld um uns herum von den Kostenbedingungen sehr, sehr attraktiv ist. Das heißt die Unternehmen ziehen die Konsequenzen und gehen dorthin, wo sie eben die besten Wettbewerbsbedingungen haben. Das ist unser Problem in Deutschland.
Breker: Müssen wir darauf warten, dass in den derzeitigen so genannten Billiglohnländern die Sozialkosten von alleine ansteigen, die Ansprüche der Arbeitnehmer dort angemeldet werden, bis dass es bei uns besser wird? Wir können doch nicht tatenlos zugucken?
Dudenhöffer: Ich denke das wäre der falsche Weg, denn wenn wir darauf warten, dann müssen wir sehr lange warten, denn es gibt immer wieder neue, die dort einsteigen, wie jetzt China oder Indien. Dieses Spiel würden wir ganz, ganz klar verlieren. Es muss also darum gehen, Deutschland zukunftsfähig zu machen. In Wolfsburg verhandelt man derzeit ein großes Paket, um den wichtigen Automobilhersteller zukunftsfähig zu machen. Das heißt wir müssen uns einfach mit unseren Bedingungen, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, neu auseinandersetzen. Ein großer Schritt wäre weg von dieser 35-Stunden-Woche, ohne Lohnausgleich in die 40-Stunden-Woche zu gehen. Das tut niemand weh, aber das hilft der Wettbewerbsfähigkeit enorm. Wenn man sieht, wie lange man im öffentlichen Dienst gestreikt hat wegen 18 Minuten, dann muss man sich wirklich fragen, weiß jeder Bescheid, wo wir in Deutschland stehen, oder träumen wir noch von Bedingungen, die es schon lange nicht mehr gibt?
Breker: Sie haben die Automobilindustrie angesprochen, Herr Dudenhöffer. Die Automobilindustrie war ja insbesondere nach dem Kriege sozusagen der Motor unseres konjunkturellen Aufschwungs und damit auch unseres Wohlstands. Wird das so bleiben? Kann das so bleiben?
Dudenhöffer: Die Automobilindustrie ist enorm wichtig. Wir haben über 760.000 Arbeitsplätze heute in der Automobilindustrie und wir haben zwei Arten von Automobilherstellern und natürlich auch Zulieferern. Zum einen die Premiumhersteller, BMW, Porsche, Mercedes, Audi. Dort läuft das Geschäft sehr, sehr gut rund, von kleinen Ausnahmen abgesehen. Dann haben wir die Volumenhersteller. Dort kämpft man extrem im Markt gegen die Toyotas, gegen die Hyundais, gegen die Peugeots, gegen die Renaults dieser Welt. Die haben sich dort aufgestellt, wo man mit wesentlichen besseren Kostenstrukturen unterwegs ist, und genau das ist ja das Problem von VW, dass man mit überhöhten Kosten einfach nicht zukunftsfähig wird mit seinen Standorten in Deutschland. Auf der einen Seite also bei den Volumenherstellern große Probleme, die zu lösen sind, und dort müssen wir uns neu orientieren. Bei den Premiumherstellern hat man es durch Innovationen geschafft, sich dort eine Position aufzubauen, die uns in den Weltmärkten einigermaßen Sicherheit gibt, die uns Vorsprung gibt, aber auch die dürfen wir nicht verspielen.
Breker: Sie sprechen die Volumenhersteller an. Das sind sozusagen die Hersteller von Massenprodukten, also von oft gekauften Autos der Mittelklasse. Diese Autos bei uns herzustellen, macht das überhaupt noch Sinn? Wäre es nicht klüger, die gleich in Billiglohnländern produzieren zu lassen?
Dudenhöffer: Man kann sagen ab einem bestimmten Preisniveau ist es nicht mehr möglich, die Fahrzeuge in Deutschland zu produzieren, also etwa Kleinstwagen, die dann im Bereich unter 10.000 Euro liegen. Dann kommt die wichtige Kompaktklasse. Dort brauchen wir Ansätze, um die wieder in Deutschland stärker favorisieren zu können. Diese Ansätze lauten natürlich in diese Richtung, dass die Automobilhersteller bei diesen Fahrzeugen sehr stark Fertigungszeiten beachten, die Fertigungszeit erhöhen. Das heißt man muss komplett zugelieferte Module von den Automobilzulieferern sehr schnell in die Autos einbauen können, so dass die Lohnkosten- oder Arbeitskostennachteile einigermaßen ausgeglichen werden. Das ist eine Möglichkeit, aber dazu muss immer dann auch die Bewegung bei den Arbeitskosten kommen.
Wenn man beides zusammenpackt, dann haben wir schon die Chance, den Automobilstandort Deutschland weiterzuentwickeln. Allerdings nach unserer Einschätzung werden trotz alledem in den nächsten zehn Jahren gut 100.000 Arbeitsplätze verloren gehen, einfach deshalb, weil die wichtigen Zulieferer und die Automobilhersteller derzeit mit Kostensituationen in Deutschland befrachtet werden, die nicht zukunftsfähig sind und die sich sicherlich in den nächsten drei, vier Jahren nach all dem, was wir in der Vergangenheit über Reformschritte gesehen haben, nicht ändern werden.
Breker: 100.000 Stellen weniger, Herr Dudenhöffer, welch eine Perspektive. Aber nehmen wir mal den Problemfall VW. Da haben wir ja mit dem Modell Marakech eine Entwicklung, die vielleicht in die Zukunft weisen würde. Dort wurden die Verträge für dieses Modell gemacht. Ist das die Zukunft? Wird das zukünftig so aussehen?
Dudenhöffer: Genau in diese Richtung muss es gehen, dass wir mehr Flexibilität zeigen und auch Anpassungsmöglichkeiten zeigen, dass wir wieder bereit sind, zu anderen Arbeitskosten unsere Arbeit zu verrichten, das heißt genau dort mehr arbeiten zu dem gleichen Lohn. Das bringt niemand um, aber das sichert Arbeitsplätze und das ist eigentlich der Weg mit den Spezialmodellen wie diesem 5.000 x 5.000 Modell, was man ja dann auch angewandt hat auf den Marakech. Es erlaubt, die Produkte und die Produktionen zum Teil in Deutschland zu behalten. Nur das kann der Weg sein, dass wir mehr Flexibilität in diesen wichtigen Punkt der Arbeitskosten bei den Automobilherstellern und bei den Zulieferern hineinlegen.
Breker: Das war in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk der Wirtschaftswissenschaftler und Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Herr Dudenhöffer, danke für dieses Gespräch!
Dudenhöffer: Ich bedanke mich!
Um den deutschen Arbeitsmarkt im Lichte der Globalisierung kümmert sich derzeit auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung in Berlin. Wir wollen dies ebenfalls tun im Gespräch mit dem Wirtschaftswissenschaftler und Experten in Sachen Automobilindustrie, mit Ferdinand Dudenhöffer. Guten Tag Herr Dudenhöffer!
Ferdinand Dudenhöffer: Schönen guten Tag Herr Breker!
Breker: Herr Dudenhöffer, was ist los in diesem Land? Gelingt der Wandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft nicht?
Dudenhöffer: Genau das sind unsere Probleme. Wir reden zwar schon seit Jahren von Reformen und machen die Schritte in diese Reformen Millimeterweise. Wir haben in Deutschland immer noch Lohnkosten-Niveaus, die Weltspitze sind. Wir haben extrem hohe Lohnnebenkosten. Wir leisten uns den Luxus der 35-Stunden-Woche, bei VW sogar 28,8-Stunden-Woche, die ja dann ebenfalls bezahlt werden müssen. Wir haben bei den Unternehmenssteuern die Steuersysteme in die Richtung ausgeprägt, dass wir mit an der Spitze der höchsten Unternehmensbesteuerungen liegen. Das heißt der Standort Deutschland hat extreme Nachteile im internationalen Konzert der Standorte, und Osteuropa ist dabei, die Butter vom deutschen Brot zu ziehen.
Breker: Und diese Nachteile werden jetzt im Lichte der Globalisierung so richtig deutlich. Aber ist denn die Globalisierung, dieses vermeintliche Phänomen, so überraschend gekommen?
Dudenhöffer: Sie ist nicht überraschend gekommen. Wir sehen diese Entwicklung seit 20 Jahren. Die großen Unternehmen haben sich schon lange darauf eingestellt. Allein wir in Deutschland haben zu lange die Augen verschlossen, haben zu lange verteilt, was eigentlich nicht zu verteilen geht, genauso wie es die IG Metall jetzt ja auch wieder versucht, Erdölpreiserhöhungen zu verteilen bei den Lohnverhandlungen. Das sind einfach Sachen, die gehen nicht. Wir haben wie gesagt unsere Kostenstrukturen für den Standort Deutschland nicht in Ordnung gebracht, obwohl das Umfeld um uns herum von den Kostenbedingungen sehr, sehr attraktiv ist. Das heißt die Unternehmen ziehen die Konsequenzen und gehen dorthin, wo sie eben die besten Wettbewerbsbedingungen haben. Das ist unser Problem in Deutschland.
Breker: Müssen wir darauf warten, dass in den derzeitigen so genannten Billiglohnländern die Sozialkosten von alleine ansteigen, die Ansprüche der Arbeitnehmer dort angemeldet werden, bis dass es bei uns besser wird? Wir können doch nicht tatenlos zugucken?
Dudenhöffer: Ich denke das wäre der falsche Weg, denn wenn wir darauf warten, dann müssen wir sehr lange warten, denn es gibt immer wieder neue, die dort einsteigen, wie jetzt China oder Indien. Dieses Spiel würden wir ganz, ganz klar verlieren. Es muss also darum gehen, Deutschland zukunftsfähig zu machen. In Wolfsburg verhandelt man derzeit ein großes Paket, um den wichtigen Automobilhersteller zukunftsfähig zu machen. Das heißt wir müssen uns einfach mit unseren Bedingungen, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, neu auseinandersetzen. Ein großer Schritt wäre weg von dieser 35-Stunden-Woche, ohne Lohnausgleich in die 40-Stunden-Woche zu gehen. Das tut niemand weh, aber das hilft der Wettbewerbsfähigkeit enorm. Wenn man sieht, wie lange man im öffentlichen Dienst gestreikt hat wegen 18 Minuten, dann muss man sich wirklich fragen, weiß jeder Bescheid, wo wir in Deutschland stehen, oder träumen wir noch von Bedingungen, die es schon lange nicht mehr gibt?
Breker: Sie haben die Automobilindustrie angesprochen, Herr Dudenhöffer. Die Automobilindustrie war ja insbesondere nach dem Kriege sozusagen der Motor unseres konjunkturellen Aufschwungs und damit auch unseres Wohlstands. Wird das so bleiben? Kann das so bleiben?
Dudenhöffer: Die Automobilindustrie ist enorm wichtig. Wir haben über 760.000 Arbeitsplätze heute in der Automobilindustrie und wir haben zwei Arten von Automobilherstellern und natürlich auch Zulieferern. Zum einen die Premiumhersteller, BMW, Porsche, Mercedes, Audi. Dort läuft das Geschäft sehr, sehr gut rund, von kleinen Ausnahmen abgesehen. Dann haben wir die Volumenhersteller. Dort kämpft man extrem im Markt gegen die Toyotas, gegen die Hyundais, gegen die Peugeots, gegen die Renaults dieser Welt. Die haben sich dort aufgestellt, wo man mit wesentlichen besseren Kostenstrukturen unterwegs ist, und genau das ist ja das Problem von VW, dass man mit überhöhten Kosten einfach nicht zukunftsfähig wird mit seinen Standorten in Deutschland. Auf der einen Seite also bei den Volumenherstellern große Probleme, die zu lösen sind, und dort müssen wir uns neu orientieren. Bei den Premiumherstellern hat man es durch Innovationen geschafft, sich dort eine Position aufzubauen, die uns in den Weltmärkten einigermaßen Sicherheit gibt, die uns Vorsprung gibt, aber auch die dürfen wir nicht verspielen.
Breker: Sie sprechen die Volumenhersteller an. Das sind sozusagen die Hersteller von Massenprodukten, also von oft gekauften Autos der Mittelklasse. Diese Autos bei uns herzustellen, macht das überhaupt noch Sinn? Wäre es nicht klüger, die gleich in Billiglohnländern produzieren zu lassen?
Dudenhöffer: Man kann sagen ab einem bestimmten Preisniveau ist es nicht mehr möglich, die Fahrzeuge in Deutschland zu produzieren, also etwa Kleinstwagen, die dann im Bereich unter 10.000 Euro liegen. Dann kommt die wichtige Kompaktklasse. Dort brauchen wir Ansätze, um die wieder in Deutschland stärker favorisieren zu können. Diese Ansätze lauten natürlich in diese Richtung, dass die Automobilhersteller bei diesen Fahrzeugen sehr stark Fertigungszeiten beachten, die Fertigungszeit erhöhen. Das heißt man muss komplett zugelieferte Module von den Automobilzulieferern sehr schnell in die Autos einbauen können, so dass die Lohnkosten- oder Arbeitskostennachteile einigermaßen ausgeglichen werden. Das ist eine Möglichkeit, aber dazu muss immer dann auch die Bewegung bei den Arbeitskosten kommen.
Wenn man beides zusammenpackt, dann haben wir schon die Chance, den Automobilstandort Deutschland weiterzuentwickeln. Allerdings nach unserer Einschätzung werden trotz alledem in den nächsten zehn Jahren gut 100.000 Arbeitsplätze verloren gehen, einfach deshalb, weil die wichtigen Zulieferer und die Automobilhersteller derzeit mit Kostensituationen in Deutschland befrachtet werden, die nicht zukunftsfähig sind und die sich sicherlich in den nächsten drei, vier Jahren nach all dem, was wir in der Vergangenheit über Reformschritte gesehen haben, nicht ändern werden.
Breker: 100.000 Stellen weniger, Herr Dudenhöffer, welch eine Perspektive. Aber nehmen wir mal den Problemfall VW. Da haben wir ja mit dem Modell Marakech eine Entwicklung, die vielleicht in die Zukunft weisen würde. Dort wurden die Verträge für dieses Modell gemacht. Ist das die Zukunft? Wird das zukünftig so aussehen?
Dudenhöffer: Genau in diese Richtung muss es gehen, dass wir mehr Flexibilität zeigen und auch Anpassungsmöglichkeiten zeigen, dass wir wieder bereit sind, zu anderen Arbeitskosten unsere Arbeit zu verrichten, das heißt genau dort mehr arbeiten zu dem gleichen Lohn. Das bringt niemand um, aber das sichert Arbeitsplätze und das ist eigentlich der Weg mit den Spezialmodellen wie diesem 5.000 x 5.000 Modell, was man ja dann auch angewandt hat auf den Marakech. Es erlaubt, die Produkte und die Produktionen zum Teil in Deutschland zu behalten. Nur das kann der Weg sein, dass wir mehr Flexibilität in diesen wichtigen Punkt der Arbeitskosten bei den Automobilherstellern und bei den Zulieferern hineinlegen.
Breker: Das war in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk der Wirtschaftswissenschaftler und Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Herr Dudenhöffer, danke für dieses Gespräch!
Dudenhöffer: Ich bedanke mich!
