
Mobiles Arbeiten biete den Mitarbeitenden eine große Autonomie, sie könnten sich ihre Zeit selber einteilen und eigenständig entscheiden, wann sie welche Aufgaben erledigten und wie sie zwischen Berufs- und Privatleben hin- und herwechseln wollten, sagte Kunze im Deutschlandfunk. Dies alles sei ein hoher Motivationsfaktor. Deshalb sei es der komplett falsche Weg, das jetzt pauschal zurückzudrehen, wie etwa die Deutsche Bank es plane. Dies führe bei der Belegschaft zu Frustration und mache es für Großkonzerne mittelfristig schwer, gute Leute zu halten und neue anzuwerben. Denn für die Mehrheit von Bewerberinnen und Bewerbern sei die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, mittlerweile ein zentraler Faktor, wenn es um die Entscheidung für einen neuen Job gehe. Mit strikten Vorgaben zur Präsenzpflicht schössen sich die Konzerne deshalb ein Eigentor - gerade auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels, betonte Kunze.
Angst vor Kontrollverlust
Der Experte sieht den aktuellen Trend zu einer strengeren Präsenzpflicht in dem Wunsch vieler Führungskräfte begründet, wieder mehr Kontrolle über die Belegschaft zu gewinnen. So sei die Gleichsetzung von Präsenz und Produktivität in der deutschen Arbeitskultur traditionell sehr stark verankert. Daran habe auch die Pandemie nichts geändert. Dabei zeigten Studien, dass die Arbeit im Homeoffice in der Regel keinerlei Produktivitätsverlust bedeute. Der aktuelle Versuch, das mobile Arbeiten wieder zurückzufahren zeige, dass sich die Arbeitskultur in Deutschland noch nicht so stark gewandelt habe, wie es eigentlich nötig wäre.
Die Deutsche Bank hatte kürzlich angekündigt, die Mitarbeitenden wieder zu mehr Arbeit im Büro zu verpflichten. Demnach sollen ab Juni Führungskräfte an mindestens vier Tagen pro Woche Präsenz zeigen, alle anderen an mindestens drei Tagen. Bei der Belegschaft hatte die Ankündigung für Protest gesorgt. Kunze zufolge könnte der Schritt auch bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen dazu führen, wieder mehr Präsenz-Arbeit einzufordern.
Homeoffice-Anteil deutlich höher als vor der Pandemie
Der Arbeitsmarkt-Experte Philipp Grunau vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht trotz solcher Beispiele keinen deutlichen Trend zu weniger Homeoffice. Demnach verbringen Beschäftigte nach wie vor deutlich mehr Zeit im Homeoffice als vor der Pandemie. Auch Simon Krause vom Münchner Ifo-Institut beobachtet seit eineinhalb Jahren eine stabile Entwicklung mit Blick auf den Homeoffice-Anteil der Beschäftigten in Deutschland. Er liege im Schnitt bei 25 Prozent. Bei einer Umfrage des Münchner Instituts im Herbst 2023 gaben zudem 84 Prozent von rund 9.000 befragten Unternehmen an, dass sie ihre Homeoffice-Regelungen beibehalten wollen.
Viele Konzerne halten an mobilem Arbeiten fest
Das legt auch eine aktuelle Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei mehr als einem Dutzend großer Firmen nahe. So planen etwa Mercedes Benz, die Versicherungskonzerne Allianz und Hannover Re, der Versandhändler Otto, Vodafone, Continental, das Reiseunternehmen Tui, Bayer, Siemens und der Konsumgüterkonzern Henkel derzeit keine strengeren Homeoffice-Vorgaben. Die Unternehmen begründen dies unter anderem mit der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, einer größeren Flexibilität und dass sie durch die Homeoffice-Möglichkeit als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen würden.
Diese Nachricht wurde am 29.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.