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Wissen durch Messen

Ist der Patient narkotisiert, kann er nicht mehr sagen, ob es ihm gut geht oder schlecht. Um trotzdem möglichst viel über den Zustand des Patienten zu erfahren, wird er an zahlreiche Überwachungsgeräte angeschlossen.

Von Martin Winkelheide | 15.06.2010
    Astrid: Also, ich vertraue da auch den Ärzten hier. Hier wird man ganz gut versorgt und beraten, und von daher habe ich nicht so große Angst vor der OP. Ich habe jetzt gerade ein Beruhigungsmittel genommen, und werde gleich in den OP geführt, und dann geht es los.

    Prof. Fritz Fiedler: Der Kollege wird Sie jetzt an unsere Überwachungsgeräte nehmen: EKG, Puls, Blutdruckmessung, und ich würde gerne Ihren linken Arm haben, damit ich eine Zugang legen kann. Mein Name ist Fritz Fiedler, ich bin Anästhesist, seit fünf Jahren Chefarzt für Anästhesie hier am Sankt Elisabeth-Krankenhaus in Köln-Hohenlind. Wenn Sie mir jetzt noch einmal aus Ihrer Sicht sagen, welche Seite operiert wird.

    Astrid: Rechts.

    Prof. Fritz Fiedler: Rechts. Dann stimmt es auch mit unserer Sicht überein. Jetzt darf ich Ihren linken Arm haben. Jetzt legen wir einen venösen Zugang, damit wir darüber zum einen ein bisschen Flüssigkeit, zum anderen aber vor allem diese Narkosemedikamente geben können. Das ist für Patienten der unangenehmste Teil, weil es ein bisschen zwickt. Jetzt gibt es einen kleinen unangenehmen Pieks.

    Krankenpfleger: Blutdruck wird jetzt auf der rechten Seite gemessen, das macht die Maschine automatisch alle fünf Minuten.

    Prof. Fritz Fiedler: Jetzt bekommen Sie noch einen Clip an den Finger. Damit kann man die sogenannte Sauerstoffsättigung messen, das heißt den Anteil der roten Blutkörperchen, der mit Sauerstoff beladen ist. Ein ganz wichtiger Parameter, der uns Hinweise darauf gibt, wie gut die Sauerstoffversorgung des Patienten ist, denn, wenn er jetzt schläft, oder, wenn die Patientin schläft, dann kann sie uns ja nicht mehr sagen, ob es ihr gut geht oder schlecht. Da müssen wir andere Parameter finden. Dazu dienen die vielen Geräte, die hier herumstehen, und letztendlich auch der klinische Blick, weil wir die Patientin nicht alleine lassen werden, während dieser Zeit. Es ist nicht so, dass wir, wenn Sie jetzt schlafen, Kaffee trinken gehen. Die ersten Messwerte sind okay. Sie bekommen jetzt ein erstes Medikament, das Ihnen innerhalb von zwei Minuten einen warmen Kopf bescheren wird, das die Augenlider schwer machen. Sie werden vielleicht ein Gefühl haben, so als ob Sie Karussell fahren. All das sind normale Wirkungen des Medikaments.

    Astrid: Ist das ein Medikament oder ein Narkosemittel?

    Prof. Fritz Fiedler: Das ist ein Narkosemittel. Die Narkose besteht ja aus verschiedenen Medikamenten – zwei in diesem Fall. Das ist ein sehr starkes Schmerzmittel, das als Nebenwirkung so ein bisschen einen Rausch vermittelt. Ich werde Ihnen gleich eine Maske vor die Nase halten. Da kommt Sauerstoff heraus. Sie atmen ganz ruhig ein und aus, denken vielleicht an was Schönes, suchen sich einen schönen Traum aus, das funktioniert manchmal sogar ganz gut. Sommer, Sonne, Sonnenschein, was immer Sie wollen, steht auf Ihrem Programm. Sie merken es langsam, dass der Kopf warm wird, die Augenlider schwer werden.

    Astrid: Ja, ich fahre Achterbahn.
    Prof. Fritz Fiedler: Dann atmen Sie noch Mal tief ein und aus. 120 Milligramm Propofol. Propofol ist derzeit das Standrad-Medikament, denke ich, in ganz Deutschland und Europa zur Einleitung, weil es als einzige unangenehme Wirkung für den Patienten wirklich nur das Gefühl vermittelt, dass es brennt im Arm für kurze Zeit. Ansonsten schlafen die Patienten sehr sanft damit ein. Die Halbwertzeit ist so kurz, dass sie hinterher sehr angenehm auch wieder aufwachen, und manchmal träumen die auch ganz gut davon. Das kann jetzt ein Wärmegefühl im linken Arm machen. Das ist aber nichts, was Schaden hinterlässt und lässt auch gleich wieder nach. Sie werden darüber sehr müde werden und tief und fest einschlafen. Und wir passen gut auf Sie auf. Noch mal tief Luft holen. Jetzt überprüfen wir den Lidschlagreflex, der ist ausgefallen, damit kann man davon ausgehen, das sie ganz tief und fest schläft. Atmung ist eingestellt. Jetzt wird eine Maskenbeatmung durchgeführt, weil die Patientin jetzt vergisst, selbst zu atmen. Die Maskenbeatmung funktioniert sehr gut. Und jetzt wird der Atemweg gesichert, weil man irgendwann die Hände frei haben will. Deshalb führen wir eine spezielle Larynxmaske in den Mund ein. Auch das geht problemlos. Jetzt geht es in den OP. Mal gucken, ob da drin schon frei ist, dann fahren wir los.