Die Doktorandin Elisabeth Scheiner vom Deutschen Primatenzentrum bat 19 Eltern, mit Mikrofon und Aufnahmegerät die Neugeborenen ein Jahr lang bei allen Gelegenheiten aufzuzeichnen. Ob sich der Nachwuchs bei den einzelnen Aufnahmen wohl gefühlt hat, ob Freude, Zufriedenheit, Interesse, Ärger oder Unbehagen im Spiel waren, sollten Mama und Papa akribisch notieren. Die physikalischen Eigenschaften der Töne hat Elisabeth Scheiner dann mit einem Lautanalyseprogramm untersucht, und sie fand tatsächlich Unterschiede: "Die negativen Laute haben mehr Energien in oberen Frequenzbereichen. Nicht die Tonhöhe an sich, die Grundfrequenz ist höher. Ein Ton ist immer aufgebaut aus einer Grundfrequenz und den Obertönen darüber. Diese Obertöne sind bei negativen Emotionen stärker betont. Das heißt, der Laut klingt höher, und das Timbre ist irgendwie schriller." Damit lassen sich zwar positive Lautäußerungen von negativen unterscheiden, weiter gehende Differenzierungen in so genannte Einzelemotionen wie Ärger, Unbehagen oder Schmerz lässt das Lautanalyseprogramm allerdings nicht zu. Ein Teil der Schwierigkeiten, so Elisabeth Scheiner, läge vielleicht daran, dass Eltern bestimmte Situationen unterschiedlich gewichten: "Die eine Mutter sagt, das Kind freue sich, während die andere sagt, das sei längst noch keine Freude, das sei Zufriedenheit."
Babyschreie sind allerdings auch sehr variabel: Freude zum Beispiel kann sich in tiefen Frequenzen von 2000 Hertz, aber auch in den höchsten Tönen von 6000 Hertz äußern. Die große Variabilität könnte verhindern, dass Eltern sich an bestimmte Laute gewöhnen. Mit ständigen Änderungen im Klang können Baby stets die ganze Aufmerksamkeit erheischen.
Die handlichen Geräte, die versprechen, das komplexe Gefühlsleben von Babys zu übersetzen, sind angesichts der Studienergebnisse zweifelhafte Produkte. Elisabeth Scheiner:
"Es wäre fantastisch, aber ich glaube nicht, dass es funktioniert. Schon einen Laut aufzunehmen, ihn zu analysieren, in seine Einzelfrequenzen zu zerlegen und dann ein Ergebnis auszuspucken, das braucht ziemlich viel Rechnerleistung. Das heißt, man hätte das Ergebnis außer mit einem Hochleistungsgerät erst nach fünf Minuten. Über einen Einzellaut kann man schlecht eine Aussage machen. Man braucht eine gewisse Menge, um statistisch zu sagen, was sie alle gemeinsam haben."
Verlässlicher sind so genannte Kontextinformationen wie der Gesichtsausdruck, das Schlafpensum oder der Zustand der Windeln. Wer sich allein auf die Akustik verlässt, ist schnell verlassen. Schwerhörige Babys klingen übrigens genauso wie ihre hörenden Zeitgenossen. Zwölf der 19 untersuchten Kinder waren taub geboren." Was noch erstaunlicher ist: Die Laute treten bei Schwerhörigen auch zum gleichen Zeitpunkt auf wie bei den Hörenden", berichtet die Wissenschaftlerin.
[Quelle: Michael Engel]