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Wissenschaft und Menschenrechte

Politik. - Wissenschaft, ihre Erkenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten können ein wichtiges Mittel im Kampf um die Ausbreitung der Menschenrechte sein. In Washington hat die US-Wissenschaftsorganisation AAAS gerade eine ins Leben gerufen, die solche Aktionen bündeln soll.

Von Arndt Reuning | 16.01.2009
    Fünfzig wissenschaftliche Verbände und Gesellschaften und gut 100 Einzelpersonen sind zusammen gekommen, um eine "Koalition für Wissenschaft und Menschenrechte" zu gründen. Die meisten dieser Organisationen sind bereits auf diesem Gebiet aktiv, aber seit dieser Woche arbeiten sie gemeinsam an der Aufgabe. Zu den Gästen der Auftaktveranstaltung gehört auch Mary Robinson, die ehemalige irische Staatspräsidentin. Nach einer vierjährigen Amtszeit als UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hatte sie im Jahr 2002 in New York eine eigene Menschenrechtsorganisation gegründet: Realizing Rights The Ethical Globalization Initiative. Was sie von der neuen Koalition erwartet, fasst sie so zusammen:

    "Die Gemeinschaft der Wissenschaftler ist sehr vielfältig – und sie fußt auf harten Fakten. Sie hat uns viel zu geben. Gerade habe ich in New York an einer Veranstaltung von Medizinern für Menschenrechte teilgenommen, die ihren Bericht vorgestellt haben über die katastrophale Gesundheitssituation in Simbabwe. Wesentlich dabei ist, dass sie als Ärzte die Lage medizinisch korrekt bewerten können und sich gleichzeitig für leidenschaftlich für Menschenrechte einsetzen. Und das ist eine sehr mächtige Kombination."

    Dabei muss die Arbeit der engagierten Forscher nicht unbedingt immer so publikumswirksam verlaufen wie zum Beispiel die Identifizierung von Mordopfern des ehemaligen argentinischen Regimes. Robinson:

    "Es geht nicht nur um Bürgerrechte. Bürgerrechte sind ausgesprochen wichtig: Rechtsstaatlichkeit, keine Folter, Rede-, Religions- und Vereinigungsfreiheit. Aber genauso wichtig sind die Rechte auf Nahrung, sauberes Wasser, Gesundheit, Bildung und Obdach. Wissenschaftler können hier von großem Nutzen sein, weil sie mit so vielen verschiedenen Themen zu tun haben. Seien es Geographen, Anthropologen oder Ökonomen mit besonderem Wissen über Landwirtschaft. Gemeinsam können wir Regierungen dazu bewegen, dass sie ihre vertraglichen Verpflichtungen umsetzen. Und wir können darauf drängen, dass die Privatwirtschaft Menschenrechte respektiert."

    Geographen haben beispielsweise schon in Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen ihre Fernaufklärungs-Satelliten auf den Sudan gerichtet, um die Zerstörungen in der Region Darfur zu dokumentieren. Aber auch solche Disziplinen können helfen, von denen man es vielleicht nicht unbedingt erwartet hätte. Robinson:

    "In meiner Funktion als UN-Hochkommissarin für Menschenrechte habe ich eine große internationale Statistik-Konferenz eröffnet – weil wir auf Datenmaterial angewiesen sind. Wir brauchen verlässliche Werkzeuge, um eine Situation einzuschätzen. Wissenschaftler können wichtige Verbündete für uns sein."

    Auf der anderen Seite können Wissenschaftler selbst aufgrund ihrer Arbeit zum Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Der designierte Präsident der AAAS, Chemie-Nobelpreisträger Peter Agre, ging auf den Fall des Mediziners Thomas Butler ein, der im Jahr 2003 gemeldet hatte, dass einige Kulturen von Pestbazillen aus seinem Labor verschwunden waren. Wahrscheinlich waren sie vernichtet worden, ohne dass das notiert worden war – wie eigentlich vorgeschrieben. Butler geriet in die Mühlen der Justiz und wurde persönlich für den Vorfall verantwortlich gemacht. Agre:

    "In meiner Rede heute habe ich über diesen tragischen Fall gesprochen. Tragisch nicht etwa, weil zu Folter oder körperlicher Misshandlung gekommen wäre, sondern weil ein wohlmeinender Mensch von seinem fünfjährigen Sohn weg gebracht wurde und für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt – um zu zeigen, dass unsere Regierung hart durchgreift, wenn es um Bioterror geht oder um die Vorschriften bezüglich Bioterror."

    Mittlerweile blickt Peter Agre aber wieder voller Zuversicht auf sein Land.
    "Wir leben hier in den Vereinigten Staaten in einer neuen Ära. Wir haben einen brauchbaren, fortschrittlichen und weitsichtigen Präsidenten, der kommende Woche ins Amt eingeführt wird. Das ist etwas, worauf viele von uns schon lange gewartet haben. Ich denke, was das Engagement der Vereinigten Staaten für die Menschheitsprobleme angeht, sind wir auf einem guten Weg."