"Ich war früher begeisterter Comicleser und ich bin jetzt als Wissenschaftler immer wieder vor die Aufgabe gestellt, schwierige Sachverhalte auch zu vermitteln an Studenten, Kollegen.
Diese Verbindung war für mich offensichtlich, dass man hier Comics nutzen kann. "
An die Umsetzung der Idee ging Prof. Rainer Spanagel – Verhaltensbiologe am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim - vor einigen Monaten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Carles Sanches-Segura wollte er einen wissenschaftlichen Artikel für die Zeitschrift "Addiction Biology" verfassen: einen Artikel, der einen Überblick geben sollte über die derzeitigen Methoden in der Alkoholforschung. Und in diesen Artikel sollten Comics eingebunden sein. Ein Novum. Professionelle farbige Comics in einer wissenschaftlichen Peer-reviewed Zeitschrift. Das gab es noch nie.
"Mir war bewusst von Anfang an, dass das nicht unkritisch ist. Vor zehn Jahren wäre es sogar undenkbar gewesen. Die Zeiten haben sich geändert. Wissenschaftler sind gefordert, sich mehr und mehr an die Öffentlichkeit zu wenden. Der Geldgeber möchte auch, dass die Wissenschaftler ins öffentliche Leben hinein kommunizieren. Und deshalb denke ich: die Zeit ist reif."
Um seine Idee bildliche Wirklichkeit werden zu lassen, hat Rainer Spanagel den Comiczeichner Walter Hollenstein aus der Schweiz beauftragt. Einige intensive Besprechungen waren nötig, um den Künstler in die wissenschaftlichen Ergebnisse so einzuführen, dass dieser sie anschließend auf den knappen Comicpunkt bringen konnte.
"So wie wir die Comics dargestellt haben, können die völlig alleine stehen. Sie sind selbsterklärend. Sie können wirklich die Methode ohne weiteren Text erklären. "
Ein Beispiel:
In der Textversion des wissenschaftlichen Überblicksartikels heißt es:
"Das Tiermodell der Wahl, wenn es um die Untersuchung von Craving geht, ist das so genannte "Reinstatement-Modell". Eine initiale Drogen-Injektion, das priming, setzt das Suchtverhalten von zuvor operant-konditionierten Ratten nach einer Extinktionsphase erneut in Gang, ohne dass die Tiere jedoch eine Belohnung in Form einer reaktionskontingenten Drogendosis erhalten. Dabei können zum Beispiel konditionierte Stimuli wie Geruchsstoffe, Töne oder Lichtsignale, die zuvor mit der Drogengabe assoziiert wurden, als Auslöser fungieren."
Wie war das doch gleich?
Nocheinmal, jetzt als Drei-Bild-Comic:
Bild 1:
Maus steht in geöffneter Zimmertür. Orangenduft strömt aus einem Loch im Fußboden. Denkblase der Maus: "Hmm Orange".
Bild 2:
Die Maus- zu einem Hebel gehastet – drückt selbigen. Denkblase der Maus: Orange = Alkohol. Ein Tuten ertönt aus einem Lautsprecher, aber – anders als sonst bei dem Geräusch- fließt jetzt kein Getränk.
Bild 3:
Maus steht ratlos vor dem leeren Getränkebecher.
Kurz und eindrücklich wird klar, worum es sich beim "Re-instatement-Modell" in der Alkoholfoschung handelt. Zudem haben die farbigen Comicbilder viel Witz – was gemeinhin nicht mit ernsthafter Wissenschaftlichkeit assoziiert wird.
"Das war ein bisschen ein Experiment. Ich habe es auf internationalen Tagungen in den USA, England und national in Deutschland schon im Vorfeld gezeigt. Und ich muss sagen: Die Rückmeldung war überraschend gut. "
Prof. Dusan Bartsch, Molekularbiologe am Zentralinstitut für seelische Gesundheit:
"Ich muss sagen, dass ich ein bisschen überrascht war, als ich das erstmals gesehen habe, aber das ist wirklich ein Ergebnis, was in die Lehrbücher kommen sollte. Ich finde das so klar, dass man sich die Abläufe merken kann. Ich finde das hat Zukunft und es gefällt auch. Bilder sind letztendlich wichtiger als der Text, die Illustrationen sind das, was man sich merkt, was auch die Aufmerksamkeit lenkt, die Bilder sind extrem wichtig. "
Und das gerade heutzutage, wo jede Fachdisziplin ihre eigene Wissenschaftssprache entwickelt hat, es so immens viele Fachausdrücke gibt, die sich nicht ohne weiteres erklären lassen. Das aber soll mit Hilfe von Comics gelöst werden. Reichen zur Illustration von Inhalten aber nicht Grafiken oder Fotos aus?
"Diese Möglichkeiten, die nutzen Kollegen weltweit und das geht auch bis zu einem gewissen Punkt ganz gut. Sie können in einem Foto jedoch wenig oder in einer Skizze oder in einer technischen Zeichnung keine emotionalen Komponenten schaffen. "
Anders im Comic.
"Beim Versuchstier können Ärger, Freude, Witz Lust und alles auf sehr einfache Art und Weise darstellen. So können sie ganz einfache Assoziationen für die Leser schaffen. Sobald emotionale Komponenten dabei sind, lassen sich Inhalte viel leichter lernen. "
Comics einzusetzen, um Wissenschaft verständlicher zu machen, darin spiegelt sich ein verändertes Selbstverständnis der Wissenschaftler wider, wie der Psychotherapeut Prof.. Martin Bohus, ebenfalls vom ZI in Mannheim meint.
"Das Zentralinstitut ist ja ein Paradebeispiel wie Tierforscher, Verhaltensbiologen und Sozialpsychologen aufs engste zusammenarbeiten. Und auch wir haben hier am Institut immer Übersetzungsprobleme. Also ich bin gehalten ziemlich schnell zu verstehen, was die Tierforscher machen, die Tierforscher müssen rasch meine Probleme verstehen, von daher ist die Idee das in Comicform zu transportieren nicht nur ein Weg, das den Laien schnell verständlich zu machen, sondern auch innerhalb der Wissenschaft einfach eine schnell und eingängige plastische Transportform. "
Ganz ohne Kritik bleibt der Versuch, dem babylonischen Sprachgewirr der Wissenschaftler bildlich entgegenzuwirken, natürlich nicht. Insbesondere eine Comic-Seequenz, in der es um die Darstellung von intrakranieller elektrischer Selbststimulation ging - also Mäuse sich selbst kleine Elektroschocks verpassen - wurde kritisch beäugt. Die Tageszeitung FAZ schrieb:
Die Forscher wollen Kommunikationsbarrieren abbauen. Das setzt allerdings Comics voraus, die nicht verharmlosen oder die Versuchstiere entwürdigen.
"Wir wollen das auf gar keinen Fall verharmlosen und das ist nicht Ziel und Zweck so einer Darstellung. Doch kann es sein, das natürlich Leute, die gerade im Bereich Tierexperimente sehr empfindlich reagieren auf so was dann sagen: Das muss nicht sein. Retrospektiv: Da würde ich etwas vorsichtiger mit umgehen. "
Resümiert der kritisierte Rainer Spanagel. Im großen und ganzen aber scheine sich der Comic als geeignete Kommunikationshilfe unter Wissenschaftlern anzubieten. Darüber hinaus gibt es auch andere Interessenten.
"Was mich sehr freut ist, dass ein Verlag, der für Schulen Unterrichtsmaterialien publiziert, angefragt hat, ob nicht die Comics im Unterrichtsmaterial dargestellt werden können, so dass man Lehrern hier in Deutschland diese Möglichkeit bieten kann, damit zu arbeiten. Und ich muss sagen, das würde mich am meisten freuen, wenn hier Schüler auf so eine einfache Art und Weise auch Dinge lernen können, die normalerweise keinen Spaß machen, zumindest nicht Schülern. "
Die Vermittlungskraft eines gut gezeichneten Comics liegt in Bildern, die Sachverhalte nachvollziehbar auf den Punkt bringen ohne zu banalisieren. Insofern hängt das Gelingen eines wissenschaftlichen Comics nicht unwesentlich vom zeichnenden Künstler ab, der es vermag einerseits zu vereinfachen, andererseits assoziativ zu erweitern. Gibt es da möglicherweise doch Grenzen? Sachverhalte, die so komplex sind, dass sie sich nicht im Comic fassen lassen?
"Nein, das glaub ich ehrlich gesagt nicht. Die Vorstellung dass irgendjemand an was arbeitet, was er nicht mehr anderen begreiflich machen kann, macht keinen Sinn. Man sagt immer Physiker, Mathematiker, Biologen, man kann sie nicht verstehen. Wir müssen einen Weg finden uns verständlich zu machen. Ich bin der ganz festen Überzeugung, dass man mit einiger Überlegung selbst die kompliziertesten - auch physikalische Dinge - mit einem Comic umsezten kann. "
Diese Verbindung war für mich offensichtlich, dass man hier Comics nutzen kann. "
An die Umsetzung der Idee ging Prof. Rainer Spanagel – Verhaltensbiologe am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim - vor einigen Monaten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Carles Sanches-Segura wollte er einen wissenschaftlichen Artikel für die Zeitschrift "Addiction Biology" verfassen: einen Artikel, der einen Überblick geben sollte über die derzeitigen Methoden in der Alkoholforschung. Und in diesen Artikel sollten Comics eingebunden sein. Ein Novum. Professionelle farbige Comics in einer wissenschaftlichen Peer-reviewed Zeitschrift. Das gab es noch nie.
"Mir war bewusst von Anfang an, dass das nicht unkritisch ist. Vor zehn Jahren wäre es sogar undenkbar gewesen. Die Zeiten haben sich geändert. Wissenschaftler sind gefordert, sich mehr und mehr an die Öffentlichkeit zu wenden. Der Geldgeber möchte auch, dass die Wissenschaftler ins öffentliche Leben hinein kommunizieren. Und deshalb denke ich: die Zeit ist reif."
Um seine Idee bildliche Wirklichkeit werden zu lassen, hat Rainer Spanagel den Comiczeichner Walter Hollenstein aus der Schweiz beauftragt. Einige intensive Besprechungen waren nötig, um den Künstler in die wissenschaftlichen Ergebnisse so einzuführen, dass dieser sie anschließend auf den knappen Comicpunkt bringen konnte.
"So wie wir die Comics dargestellt haben, können die völlig alleine stehen. Sie sind selbsterklärend. Sie können wirklich die Methode ohne weiteren Text erklären. "
Ein Beispiel:
In der Textversion des wissenschaftlichen Überblicksartikels heißt es:
"Das Tiermodell der Wahl, wenn es um die Untersuchung von Craving geht, ist das so genannte "Reinstatement-Modell". Eine initiale Drogen-Injektion, das priming, setzt das Suchtverhalten von zuvor operant-konditionierten Ratten nach einer Extinktionsphase erneut in Gang, ohne dass die Tiere jedoch eine Belohnung in Form einer reaktionskontingenten Drogendosis erhalten. Dabei können zum Beispiel konditionierte Stimuli wie Geruchsstoffe, Töne oder Lichtsignale, die zuvor mit der Drogengabe assoziiert wurden, als Auslöser fungieren."
Wie war das doch gleich?
Nocheinmal, jetzt als Drei-Bild-Comic:
Bild 1:
Maus steht in geöffneter Zimmertür. Orangenduft strömt aus einem Loch im Fußboden. Denkblase der Maus: "Hmm Orange".
Bild 2:
Die Maus- zu einem Hebel gehastet – drückt selbigen. Denkblase der Maus: Orange = Alkohol. Ein Tuten ertönt aus einem Lautsprecher, aber – anders als sonst bei dem Geräusch- fließt jetzt kein Getränk.
Bild 3:
Maus steht ratlos vor dem leeren Getränkebecher.
Kurz und eindrücklich wird klar, worum es sich beim "Re-instatement-Modell" in der Alkoholfoschung handelt. Zudem haben die farbigen Comicbilder viel Witz – was gemeinhin nicht mit ernsthafter Wissenschaftlichkeit assoziiert wird.
"Das war ein bisschen ein Experiment. Ich habe es auf internationalen Tagungen in den USA, England und national in Deutschland schon im Vorfeld gezeigt. Und ich muss sagen: Die Rückmeldung war überraschend gut. "
Prof. Dusan Bartsch, Molekularbiologe am Zentralinstitut für seelische Gesundheit:
"Ich muss sagen, dass ich ein bisschen überrascht war, als ich das erstmals gesehen habe, aber das ist wirklich ein Ergebnis, was in die Lehrbücher kommen sollte. Ich finde das so klar, dass man sich die Abläufe merken kann. Ich finde das hat Zukunft und es gefällt auch. Bilder sind letztendlich wichtiger als der Text, die Illustrationen sind das, was man sich merkt, was auch die Aufmerksamkeit lenkt, die Bilder sind extrem wichtig. "
Und das gerade heutzutage, wo jede Fachdisziplin ihre eigene Wissenschaftssprache entwickelt hat, es so immens viele Fachausdrücke gibt, die sich nicht ohne weiteres erklären lassen. Das aber soll mit Hilfe von Comics gelöst werden. Reichen zur Illustration von Inhalten aber nicht Grafiken oder Fotos aus?
"Diese Möglichkeiten, die nutzen Kollegen weltweit und das geht auch bis zu einem gewissen Punkt ganz gut. Sie können in einem Foto jedoch wenig oder in einer Skizze oder in einer technischen Zeichnung keine emotionalen Komponenten schaffen. "
Anders im Comic.
"Beim Versuchstier können Ärger, Freude, Witz Lust und alles auf sehr einfache Art und Weise darstellen. So können sie ganz einfache Assoziationen für die Leser schaffen. Sobald emotionale Komponenten dabei sind, lassen sich Inhalte viel leichter lernen. "
Comics einzusetzen, um Wissenschaft verständlicher zu machen, darin spiegelt sich ein verändertes Selbstverständnis der Wissenschaftler wider, wie der Psychotherapeut Prof.. Martin Bohus, ebenfalls vom ZI in Mannheim meint.
"Das Zentralinstitut ist ja ein Paradebeispiel wie Tierforscher, Verhaltensbiologen und Sozialpsychologen aufs engste zusammenarbeiten. Und auch wir haben hier am Institut immer Übersetzungsprobleme. Also ich bin gehalten ziemlich schnell zu verstehen, was die Tierforscher machen, die Tierforscher müssen rasch meine Probleme verstehen, von daher ist die Idee das in Comicform zu transportieren nicht nur ein Weg, das den Laien schnell verständlich zu machen, sondern auch innerhalb der Wissenschaft einfach eine schnell und eingängige plastische Transportform. "
Ganz ohne Kritik bleibt der Versuch, dem babylonischen Sprachgewirr der Wissenschaftler bildlich entgegenzuwirken, natürlich nicht. Insbesondere eine Comic-Seequenz, in der es um die Darstellung von intrakranieller elektrischer Selbststimulation ging - also Mäuse sich selbst kleine Elektroschocks verpassen - wurde kritisch beäugt. Die Tageszeitung FAZ schrieb:
Die Forscher wollen Kommunikationsbarrieren abbauen. Das setzt allerdings Comics voraus, die nicht verharmlosen oder die Versuchstiere entwürdigen.
"Wir wollen das auf gar keinen Fall verharmlosen und das ist nicht Ziel und Zweck so einer Darstellung. Doch kann es sein, das natürlich Leute, die gerade im Bereich Tierexperimente sehr empfindlich reagieren auf so was dann sagen: Das muss nicht sein. Retrospektiv: Da würde ich etwas vorsichtiger mit umgehen. "
Resümiert der kritisierte Rainer Spanagel. Im großen und ganzen aber scheine sich der Comic als geeignete Kommunikationshilfe unter Wissenschaftlern anzubieten. Darüber hinaus gibt es auch andere Interessenten.
"Was mich sehr freut ist, dass ein Verlag, der für Schulen Unterrichtsmaterialien publiziert, angefragt hat, ob nicht die Comics im Unterrichtsmaterial dargestellt werden können, so dass man Lehrern hier in Deutschland diese Möglichkeit bieten kann, damit zu arbeiten. Und ich muss sagen, das würde mich am meisten freuen, wenn hier Schüler auf so eine einfache Art und Weise auch Dinge lernen können, die normalerweise keinen Spaß machen, zumindest nicht Schülern. "
Die Vermittlungskraft eines gut gezeichneten Comics liegt in Bildern, die Sachverhalte nachvollziehbar auf den Punkt bringen ohne zu banalisieren. Insofern hängt das Gelingen eines wissenschaftlichen Comics nicht unwesentlich vom zeichnenden Künstler ab, der es vermag einerseits zu vereinfachen, andererseits assoziativ zu erweitern. Gibt es da möglicherweise doch Grenzen? Sachverhalte, die so komplex sind, dass sie sich nicht im Comic fassen lassen?
"Nein, das glaub ich ehrlich gesagt nicht. Die Vorstellung dass irgendjemand an was arbeitet, was er nicht mehr anderen begreiflich machen kann, macht keinen Sinn. Man sagt immer Physiker, Mathematiker, Biologen, man kann sie nicht verstehen. Wir müssen einen Weg finden uns verständlich zu machen. Ich bin der ganz festen Überzeugung, dass man mit einiger Überlegung selbst die kompliziertesten - auch physikalische Dinge - mit einem Comic umsezten kann. "