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Wissenschaft weltweit im Netz

Wissenschaftler werden in der Regel aus Steuermitteln und somit von der Allgemeinheit finanziert: ein Grund, auch freien Zugang zu wissenschaftlichen Arbeiten zu fordern. In den USA ist der sogenannte Open Access über das Internet schon sehr viel weiter verbreitet als in Deutschland. Doch auch hierzulande machen sich immer mehr Wissenschaftler für eine kostenlose Veröffentlichung von Forschungsergebnissen stark - auf den Open-Access-Tagen in Berlin trafen sie sich.

Von Philip Banse | 10.10.2008
    Jens Klump, Geoinformatiker und Meeresbiologe, steht vor dem Hörsaal 1a der Freien Universität Berlin. Klump arbeitet am Geoforschungszentrum in Potsdam. Gern würde er seine Aufsätze nach dem Open-Access-Prinzip veröffentlichen: Im Internet, umsonst und für jeden zugänglich. Das würde die Reichweite seiner Erkenntnisse deutlich erhöhen, sagt Klump:

    "Ich habe ja auch viele Kollegen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die sich die teuren Publikationen gar nicht leisten können. Ich hatte jetzt gerade eben hier an unserem Messestand die Situation, dass ich jemandem ein Paper empfehlen wollte, das dieses Jahr von mir erschienen ist und es ist leider nicht Open Access und ich konnte ihm nur sagen: "Ja, versuch es mal zu finden, vielleicht habt ihr Zugang." Das ist schon unbefriedigend, weil ich merke, die Sachen werden weniger gelesen, weil weniger Zugriff drauf haben."

    Viele deutsche Wissenschaftler finden Open Access im Prinzip sehr interessant. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG. Stehen die Arbeiten entweder nur im Netz oder wenigsten neben eine gedruckten Fassung auch im Netz, sind Forschungsergebnisse schnell im Umlauf, können besser zitiert werden, weil jeder drauf zugreifen kann.

    Doch in der Praxis, so die DFG-Studie, spielt Open Access in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle: Lediglich einer von zehn deutschen Wissenschaftlern hat schon mal einen Open-Access-Aufsatz veröffentlicht. Woher kommt die Skepsis und wie lässt sich Open Access in Deutschland voranbringen? Um diese zentralen Fragen drehten sich viele Vorträge und Workshops auf den Open-Access-Tagen. Meeresbiologe Jens Klump formuliert einen der wichtigsten Vorbehalte deutscher Wissenschaftler:

    "Letztlich ist ja das Zitiertwerden die Währung der Wissenschaft. Es geht ja immer um den Reputationsgewinn. Und Reputationsgewinn habe ich nur, wenn es in einer tollen Zeitschrift erscheint und viel zitiert wird, weil es oft gelesen wird. Das Problem im Bereich Geoinformatik ist aber, dass es keine hochrangigen, ja eigentlich gar keine Zeitschrift für Geoinformatik im Bereich Open Access gibt."

    Viele Wissenschaftler teilen diese Sorge um den Impact-Faktor, also jenen Wert, der angibt, wie oft ein Aufsatz zitiert wurde - dieser Einwand sei jedoch so generell nicht gerechtfertigt, sagt Rubina Vock, Open-Access-Expertin vom Center für Digitale Systeme der FU Berlin:

    "Es gibt viele Open-Access-Zeitschriften gerade in den Naturwissenschaften, die einen hohen Impact-Faktor haben. Es wurde ja gerade hier Plos Biology genannt, die einen Faktor von 14,1 haben. Und in den Geisteswissenschaften spielt der Impact-Faktor überhaupt nicht diese Rolle."

    In den Geisteswissenschaften werde Reputation anders gemessen, sagt Katja Mruck. Die Sozialwissenschaftlerin von der FU Berlin ist Herausgeberin der Open-Access-Zeitschrift "Forum Qualitative Sozialforschung", kurz FQS. Diese erscheint dreimal im Jahr, in drei Sprachen, gratis und nur im Netz. Alle Texte werden von zwei Gutachtern anonym beurteilt und von Muttersprachlern lektoriert. FQS sei nach fast zehn Jahren die international größte Open-Access-Zeitschrift im Bereich Sozialwissenschaften, so Herausgeberin Mruck, und verfüge über eine hohe Reputation:

    "Ich weiß von Autorinnen und Autoren, die werden aufgrund Ihrer Publikation in FQS angefragt für Tagungen in Indien. Oder sie bekommen auch Einladungen von Buchverlagen, an internationalen Buchverlagen teilzunehmen. In einer kleinen, geschlossenen deutschen Printzeitschrift wären die komplett unsichtbar. So sind sie international sichtbar."

    Fast zwei Drittel der von der DFG befragten Wissenschaftler fürchten, dass Gratis-Aufsätze im Netz nicht berücksichtigt werden, wenn ihre wissenschaftliche Leistung beurteilt wird oder Anträge auf Fördermittel begutachtet werden. Die großen deutschen Wissenschaftsinstitutionen haben sich jedoch längst Open Access auf die Fahnen geschrieben: Max Planck Gesellschaft, Helmholtz Gesellschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft - sie fördern Open-Access-Publikationen, knüpfen Finanzierungen mitunter an Open Access, weil öffentlich bezahlte Forschung auch öffentlich zugänglich sein soll. Um Wissenschaftlern ihre Vorbehalte zu nehmen, müssten nun auch Universitäten Open Access zur Grundlage machen für Berufungen und Leistungsbewertung ihrer Wissenschaftler, sagt Herausgeberin Mruck und nennt ein Beispiel:

    "Das ist das Beispiel des Züricher Archivs, die also gesagt haben: Nur die Beiträge, die unsere Wissenschaftler anmelden bei unserem Open-Access-Dokumenten-Server, werden auch in die Dokumentation der Universität übernommen. Das ist der nächste wirklich wichtige Schritt, dass bei der Berufung und der Bewertung auch anerkannt wird als etwas, wo ich als Wissenschaftler in etwas mit meiner Qualitätsgeprüften Arbeit an die Gesellschaft zurück gebe."

    "Die DFG-Studie belegt auch: Wenn Wissenschaftler erstmal Open Access ausprobiert haben, schwindet die Skepsis schnell."