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Medikamentenmangel
Wissenschaftler dringen auf Ausbau der Arzneimittelproduktion in Europa

Fachleute der Bereiche Medikamente, Pharmagroßhandel und Wirtschaft erwarten weitere Probleme bei der Arzneimittelversorgung im Herbst und Winter. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung reichten nicht aus, um Engpässe zu überwinden.

    Ein Bild aus einer Apotheke; in den Regalen werden Medikamente gelagert, an der Kasse wird ein Kunde bedient.
    Auch Apotheker befürchten weiteren Mangel bei Medikamenten. (Monika Skolimowska / dpa / Monika Skolimowska)
    Die Wissenschaftler, deren Meinungen das Science Media Center (SMC) gesammelt hat, bewerteten die kurzfristigen Maßnahmen zur Erleichterung von Importen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach als grundsätzlich positiv. Dadurch seien Einfuhren von Pharmazeutika aus dem rechtlichen Graubereich geholt worden, lobte der Leiter der Klinikapotheke des Universitätsklinikums Heidelberg, Hoppe-Tichy. Probleme gebe es jedoch, die neuen Vorgaben für die Bevorratung von Arzneimitteln zu erfüllen. Hoppe-Tichy forderte ausreichende Vorräte bei Herstellern und im Großhandel, sowie die langfristige Unterstützung einer in der EU ansässigen produzierenden Pharmaindustrie.
    Aus Sicht des Lieferketten-Experten der Hochschule Worms, Francas, ist die Versorgungslage im kommenden Winter auch davon abhängig, inwiefern Arzneimittelhersteller den Bedarf treffend prognostiziert haben. Kurzfristig ließen sich die Kapazitäten kaum steigern. Eine Lösung für die Lieferengpässe sei es, eine erhöhte Bevorratung von Medikamenten auch finanziell zu stützen. Bei Engpässen müssten Arzneimittel besser verteilt werden, um regionale Ungleichheiten zu vermeiden. Zudem brauche es eine langfristige Verzahnung des Gesundheitswesens mit der Wirtschaftspolitik und auch nationalen Sicherheitsstrategien, erklärte Francas.
    Die Seniorprofessorin für pharmazeutische und medizinische Chemie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, Holzgrabe, nannte die weltweit ausgelasteten Produktionskapazitäten als zentrales Problem. Dadurch entstehe eine globale Konkurrenz bei der Beschaffung von Arzneimitteln. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit müssten langfristig wieder mehr Produktionsstätten insbesondere in Europa aufgebaut werden, auch wenn diese teurer seien.

    Lauterbach will Arzneimittelproduktion in Deutschland vereinfachen

    Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte im August angekündigt, bis Ende des Jahres ein Gesetz zur Verbesserung der Arzneimittelproduktion in Deutschland vorzulegen. Neben Arzneimitteln werde das geplante Gesetz auch Medizinprodukte wie Kernspintomographen erfassen. Ein vom Bundestag im Juli beschlossenes Gesetz sieht zudem vor, die Lieferung von Medikamenten nach Deutschland durch neue Preisregeln attraktiver zu gestalten. Pharmafirmen sollen außerdem zu einer längerfristigen Lagerhaltung und einer früheren Engpass-Warnung verpflichtet werden.
    Diese Nachricht wurde am 04.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.