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Wissenschaftler zu Antibiotika in der Tiermast

In Bayern sind in den letzten Wochen zu den BSE-Fällen noch Arzneimittelskandale in der Tierfütterung bekannt geworden. Tierärzte hatten illegale Mittel an die Landwirte verteilt. Es handelt sich dabei um verschiedene Arzneien und Futterzusatzstoffe, die vor allem gegen Durchfallerkrankungen bei Ferkeln aber auch bei allen anderen Tieren eingesetzt werden - fast ausschließlich Antibiotika. Einige dieser Mittel sind erst in den letzten Jahren verboten worden. Vor allem, weil man gesundheitliche Risiken für den Menschen befürchtet. An erster Stelle sehen Experten die Gefahr, dass verschiedene Krankheitserreger resistent gegen Antibiotika werden. Viele Verbraucherschützer drängen deshalb auf ein generelles Verbot der Antibiotika in der Tierfütterung. Mäster und sogar manche Tiermediziner warnen aber davor. Heute diskutierten die Fachleute bei der Wissenschaftlichen Pressekonferenz in Bonn.

von Dietrich Sondermann |
    Die Tiere und der Mensch sind sich ähnlicher, als mancher vermutet. Das haben die jüngsten Ergebnisse der Genforschung eindrucksvoll belegt. Und gerade Säugetiere wie Rinder, Schweine oder Schafe ähneln uns in ihrem Körperbau und Stoffwechsel mehr, als uns eigentlich lieb sein kann. Viele der Krankheiten, von denen diese Geschöpfe befallen werden, können auch uns infizieren. In der Tiermast wird deshalb großer Wert auf Hygiene gelegt. Tiere werden ebenso wie wir Menschen prophylaktisch geimpft und zusätzlich mit keimtötenden Mitteln versorgt. So soll verhindert werden, dass wir mit der Nahrung schädliche Bakterien aufnehmen. Die Sache hat nur einen Haken: wenn Tiere dauerhaft mit Antibiotika behandelt werden, dann entwickeln sich Bakterienstämme, die resistent gegen die Mittel sind, die sie eigentlich abtöten sollen. Wenn nun solche Bakterien einen Menschen krank machen, dann wirken auch die Arzneimittel vom Arzt nicht mehr, denn wegen der Ähnlichkeit der Krankheiten ist auch die Ähnlichkeit der Präparate groß, die Tiere und Menschen erhalten. Gerhard Greif ist Tierarzt und in der Tierpharmaindustrie tätig. Als Vizepräsident des Bundesverbandes für Tiergesundheit befürwortet er den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung.

    Dr. Gerhard Greif: "Antibiotikaeinsatz bei den Tieren dient sowohl dem Tierschutz - die Tiere gesund zu erhalten - als auch dem Verbraucherschutz, weil wir natürlich bakterielle Infektionen im Tier bekämpfen und damit aus der Lebensmittelkette fernhalten können."

    Doch die Antibiotika werden nicht nur als Arzneimittel verwendet. Sie werden auch eingesetzt, weil die Produktivität der Mast damit gesteigert wird. Die Tiere setzen ihr Futter besser um. Befürworter dieser Nährstoffzusatzmittel reklamieren deshalb, dass damit auch die Umwelt geschont werde. Weniger Futter bei gleicher Fleischproduktion heißt auch weniger Gülle erklärt Professor Josef Kamphues von der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

    Professor Dr. Josef Kamphues: "Man setzt diese Mittel ein, damit ein Tier etwas mehr an Zunahme erreicht und damit das Tier das angebotene Futter etwas effizienter verwertet ... es gibt nur ganz wenige Substanzen, die so intensiv hinsichtlich ihres mode of Action untersucht sind."

    Professor Kamphues kritisiert die von manchen Gegnern der Zusatzstoffe ins Feld geführte Praxis in Schweden. Dort werden Antibiotika nicht mehr als Zusatzstoffe verfüttert. Dafür werden dem Futter aber andere Mittel beigemengt, die den bei uns herrschenden Grenzwert um das zehnfache übersteigen.

    Josef Kamphues befürwortet daher auch einen maßvollen Einsatz der zugelassenen Mittel. Er wehrt sich vor allem gegen Druck aus der Politik.

    Professor Dr. Josef Kamphues: "Die Frage der Resistenz oder Resistenzinduktion, Resistenzförderung ist keine Frage an die Tierernährung sondern das ist die Frage an unabhängige Mikrobiologen und sonst gar nichts und wenn es da ein Risiko gibt, dann muss man das beachten und es ernst nehmen und dann gehört so eine Substanz raus, aber bitte erst dann, wenn solche Resistenzen oder Resistenzförderung und -induktion tatsächlich nachgewiesen sind."

    Diese Resistenzen sind aber vielfach schon erreicht. 80 bis 90 % mancher Erreger in Schweinemastbetrieben sind schon immun gegen manche Mittel. Es ist also höchste Zeit zu handeln. Das Problem sehen alle Fachleute vor allem in der Bestandsdichte der Tierproduktion. Konkurrenzdruck macht eine tiergerechte Haltung unrentabel. Nur große Stückzahlen - vor allem in der Schweinemast - seine wirtschaftlich. Diese großen Bestände sind aber sehr krankheitsanfällig und deshalb müsse auf die Hilfe der Pharmazie zurückgegriffen werden.

    Untersuchungen zeigen aber, dass bei einem Verzicht der Leistungsförderer der Kilopreis für Schweinefleisch nur um 10 Pfennig steigen würde. Das sollte den Verbrauchern ein Verzicht auf diese Mittel allemal wert sein.