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Wissenschaftlich infiziert

Landwirtschaft. - BSE, der heimtückische Rinderwahnsinn, scheint kein Thema mehr zu sein. Zumindest, wenn man sich im bundesdeutschen Blätterwald umsieht. Doch mit bisher 80 BSE-Fällen im Jahr 2002 hat sich im statistischen Vergleich zum vergangenen Jahr kaum etwas geändert. Und die Bemühungen der Forscher, dem BSE-Erreger umfassend auf die Spur zu kommen, laufen auf Hochtouren. An der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere startet ab November ein auf fünf Jahre angelegter Großversuch mit 50 künstlich infizierten Rindern.

    Von Ulrich Möller-Arnsberg

    Das ist ein Spaltenboden, auf dem Sie jetzt stehen, das sind Abläufe, die alle zusammenlaufen; man muss sich überlegen: Alles, was hier rausgeht, wird bei 134 Grad 20 Minuten unter drei Bar erhitzt. Das ist bei klarem Wasser relativ einfach zu machen. Wenn Sie hier Gülle drin haben, dann wird das etwas problematisch.

    Lokaltermin auf der Ostseeinsel Riems in Mecklenburg Vorpommern Arbeiter legen letzte Hand an in einer ehemaligen Werkhalle der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere. Auf 450 Quadratmetern entsteht hier ein Isolierstall für 50 Biorinder. Die Tiere sollen BSE-verseuchtes Rinderhirn zu fressen bekommen und sich dadurch selbst mit der Prionenkrankheit infizieren. Lebend werden sie diesen Hochsicherheitstrakt nicht mehr verlassen. Thomas Mettenleiter, Biologe und Präsident der Anstalt.

    Die Tiere werden in einem Alter von ungefähr vier, fünf Monaten hier eingestallt; und dann läuft ja schon der Versuch los. Das heißt also, am Ende des ersten Jahres werden Tiere getötet, entnommen und untersucht. Mit zunehmender Dauer des Versuchs werden das immer weniger Tiere.

    Durch das Schlachten der Tiere gewinnen die Forscher regelmäßig Gewebeproben, die helfen könnten, Tests zu entwickeln, um BSE in Zukunft auch bei lebenden Tieren frühzeitig zu erkennen. Solch ein Pathogenese-Versuch ist eigentlich nicht neu. Britische Fachkollegen haben bereits 1996 und 1999 Ähnliches unternommen. Doch die Ergebnisse waren unbefriedigend. Anders als bei Prionenerkrankungen von Schafen, der so genannten Scrapie, tappt man bei BSE weiter im Dunkeln, so Mettenleiter:

    Da ist eben dieses große Rätsel. Bei Scrapie finden sie den Erreger während der Inkubationszeit. Sie müssen nur in die richtigen Organe gucken, Milz zum Beispiel; und bei BSE ist wirklich nichts da.

    Die zentrale Frage ist, wie der Erreger vom Magen-Darmtrakt ins zentrale Nervensystem gelangt, um dort die Krankheit auszulösen. Immerhin hat das britische Institute of Animal Health Blut BSE-infizierter Rinder auf 24 Schafe übertragen und dabei nachgewiesen, dass vier der Tiere erkrankten. Spielt also Blut als Transporteur des Erregers eine Rolle?

    Wir werden Blutübertragungen vornehmen. Das Blut wird gereinigt und in Mäuse injiziert. Und dann wird nachgeschaut, ob die dann krank werden. Biologe Mettenleiter warnt allerdings davor, voreilig von der Maus auf die Kuh zurückzuschließen. Dazu gebe es zu viele Unterschiede zwischen den Spezies.

    Der Schluss über eine Speziesgrenze hinweg ist immer problematisch. Sie können zwar bis zu einer gewissen Grenze Vermutungen anstellen. Aber wie sich das im anderen Wirt verhält, weiß man nicht. Und das beste Beispiel ist eben Scrapie beim Schaf oder BSE beim Schaf und BSE beim Rind. Wenn sie BSE-Erreger ins Schaf geben, dann kriegen Sie eine Verteilung wie bei Scrapie.

    Immerhin ist man optimistisch, durch die Vorarbeit der Briten dem verborgenen Wirken des BSE-Erregers auf die Spur zu kommen. Mit doppelt so vielen Tieren, wie in Großbritannien untersucht wurden und einem Versuchzeitraum, der sich nunmehr über die gesamte Inkubationszeit erstreckt, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Das BSE-Experiment auf der Insel Riems ist der bislang größte europäische Pathogenese-Versuch dieser Art.

    Wir denken halt, dass wir durch die sensitiveren Nachweismethoden insbesondere in der Frage, wo denn der Erreger in der Zeit ist, wo wir keine Klinik haben, also in der Inkubationszeit, vielleicht doch weiter kommen.

    Sicher ist bis jetzt nur, dass die letzten Tiere am Ende der fünfjährigen Versuchszeit BSE haben werden. Grund genug, die Tiere streng in Quarantäne zu halten. Auslauf gibt es nur im Stall. Alle Abwässer, die von hier nach draußen gehen, werden sterilisiert, um die krankmachenden Prionen unschädlich zu machen.

    Nach allem, was wir heute wissen, ist es keine Gefahr, aber um wirklich auch nicht angreifbar zu sein, haben wir gesagt, alles, was aus den Tieren rausgeht, während ihrer gesamten Lebenszeit, wird inaktiviert.