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Wissenschaftlicher Nachwuchs
Zu wenige feste Stellen

Bund und Länder wollen die prekäre Lage junger Forscherinnen und Forscher verbessern. Beim laufenden Programm für neue Professuren gibt es aber einige Probleme. Nicht alle neu eingerichteten Stellen münden nämlich tatsächlich in einer Festanstellung.

Von Daniela Remus | 08.08.2018
    Studenten der Wirtschaftswissenschaften sitzen im Großen Hörsaal vom Auditorium maximum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in Halle (Sachsen-Anhalt) bei einer Vorlesung
    Bis man als Professor in einem deutschen Hörsaal stehen kann, ist es ein langer und oft unsicherer Weg (picture alliance / Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/ZB)
    Nur jeder 25. Doktorand und jeder fünfte Habilitierte bekommt eine Dauerstelle in der Wissenschaft. Das soll das sogenannte Tenure-Track-Programm verbessern: Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten damit eine Professur, die nach sechs bis zwölf Jahren von der Universität in eine unbefristete Beschäftigung umgewandelt werden kann. Michael Meister, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium:
    "Es gibt im Rahmen dieses Programms die Zusage der Länder, 1.000 zusätzliche Stellen zu errichten, mindestens. Zweitens: Wir machen zur Voraussetzung, wenn man an dem Programm Tenure Track teilnehmen will, dass es dann an der Universität eine Personalentwicklungsplanung gibt. Auch das wird auf Zeit gesehen aus meiner Sicht die Situation der Lehrer an den Hochschulen verbessern, und damit auch die Situation der Studenten."
    Oft nur eine Zwischenlösung
    Aber die zusätzlichen Stellen wird es nicht dauerhaft geben, kritisiert Dieter Lenzen, der Präsident der Hamburger Universität.
    "Die Idee des Bundes war ursprünglich die, dass aus den 1.000 Professuren dann auch 1.000 zusätzliche Professuren erwachsen, die dann aber von den Bundesländern bezahlt werden müssen. Das haben die Bundesländer nicht vor. Sie schaffen keine zusätzlichen Stellen. Sondern die Stellen, in denen die jungen Leute dann übernommen werden, sind freigewordene normale, planmäßige Stellen, die sowieso schon da sind. Es gibt also keinen Zuwachs an planmäßigen Professuren."
    Das Ganze ist also eine Art Anschub- oder Zwischenfinanzierung. Die Stellen sind sicher, solange der Bund zahlt, das heißt bis maximal 2032. Das sei zu wenig, sagt der Deutsche Hochschulverband und fordert mindestens 7.500 Stellen zusätzlich und dauerhaft. Und auch für die Nachwuchswissenschaftler wird sich durch die zeitliche Befristung kaum etwas verändern, kritisiert Mathias Kuhnt von der TU in Dresden, der sich im Netzwerk für gute wissenschaftliche Arbeit engagiert:
    "Wir haben eine Situation, in der zehn Prozent eine Festanstellung haben und 90 Prozent des wissenschaftlichen Personals an der Uni sind halt Nachwuchswissenschaftler. Und klar, Vergleiche hinken immer, aber das Unternehmen möchte ich sehen, wo 90 Prozent der Angestellten Auszubildende sind."
    Zum Vergleich: In der freien Wirtschaft sind sieben Prozent der Stellen zeitlich befristet. Bisher ist knapp die Hälfte der 1.000 Tenure-Track-Professuren vergeben worden. Die derart Ausgezeichneten müssen jetzt zeigen, dass sie es verdienen, danach dauerhaft in der Wissenschaft unterzukommen.
    "Man ist der Windhund, der hinter dem Fleisch herrennt"
    "Man hat potentiell die Chance, entfristet zu werden. Aber das ist keine verbindliche Zusage. Die Verträge sind auf eine bestimmte Jahreszahl geschlossen, und da steht dann drin, das wird in Aussicht gestellt, dass ein Tenure-Track-Verfahren gestartet wird. Und dadurch, dass das so ein bisschen wie ein Windhund-Modell ist - man ist der Windhund, der hinter dem Fleisch herrennt - erzeugt das einen wahnsinnigen Druck, dass man alles erfüllen muss."
    Die 41-Jährige, die eine der Tenure-Track-Professuren ergattert hat, möchte anonym bleiben. So wie alle anderen auch, die für diesen Beitrag angefragt wurden. Der Druck, zu den Besten zu gehören, sei riesengroß, so der Tenor. Denn als Tenure-Track-Professoren müssten sie all das leisten, was die festangestellten Wissenschaftler auch machten. Obendrauf komme noch das Schreiben einer vertraglich festgelegten Anzahl von Aufsätzen und einer Habilitationsschrift. Aber gleichberechtigt seien sie trotzdem nicht, erklärt Mathias Kuhnt.
    "Es gibt eine dreifache Abhängigkeit. Das eine ist: Diese Person betreut die Qualifikationsarbeit. Das andere ist, sie bewertet die Qualifikationsarbeit. Und das dritte Problem ist, dass sie auch noch Entscheidung darüber trifft, ob die Stelle verlängert wird an der Hochschule oder nicht."
    Das Tenure-Track-Programm bietet zwar immerhin 1.000 Nachwuchswissenschaftlern die Chance, sich für eine Dauerstelle zu qualifizieren. Aber an der prekären Situation vieler junger Forscherinnen und Forscher dürfte sich dadurch insgesamt nur wenig ändern.