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Wissenschaftsbeziehungen verbessern

Auf Seiten der Wirtschaft florieren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Da sind Fachkräfte gefragt, die das jeweils andere Land gut kennen, doch der akademische Austausch hinkt dem wirtschaftlichen hinterher. Der Deutsche Akademische Austauschdienst und das russische Ministerium für Bildung und Wissenschaft haben deshalb zwei Programme aufgelegt, um junge Wissenschaftler aus Russland nach Deutschland zu holen.

Von Joachim Budde | 05.11.2007
    Eigentlich promoviert Daria Bedulina an der Staatlichen Universität im sibirischen Irkutsk; sie untersucht, wie sich Krustentiere aus dem Baikalsee – also zu Hause vor ihrer Tür – im Vergleich zu verwandten Arten anderswo auf der Welt an Stress anpassen. Anderswo auf der Welt – das ist für die 23jährige Biologin seit einem Monat die Universität Kiel. Dort findet sie die Tiere, die sie untersuchen will.

    "Die Vergleichsorganismen zu untersuchen ist der eine Grund herzukommen, der zweite ist die gute Technik. Damit kann ich meine Arbeit verbessern und möglicherweise großartige Ergebnisse erzielen."

    Die Nachwuchswissenschaftlerin forscht für ein halbes Jahr in Deutschland – dafür hat sie ein Stipendium aus dem dem Michail-Lomonossow-Programm bekommen, mit dem der Deutsche Akademische Austauschdienst und das russische Ministerium für Bildung und Wissenschaft Naturwissenschaftler und Ingenieure fördern. Dafür bekommen sie neben einer Reisepauschale knapp 1000 Euro sowie einen Zuschuss zur Krankenversicherung.

    Die gleichen Leistungen erhält Konstantin Gnizewitsch aus dem Immanuel-Kant-Programm. Denn auch Geisteswissenschaftlern bietet ein Aufenthalt in der Bundesrepublik gute Möglichkeiten, sagt der Jurist. Er beschäftigt sich beim Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main für seine Doktorarbeit mit der Rechtslehre Rudolph von Jherings.

    "Es ist für mich sehr wichtig, diese wissenschaftliche Arbeit in Deutschland zu machen, da es in Russland fast keine Literatur gibt für dieses Thema, und es gibt fast keine Spezialisten. Und in Deutschland ist es möglich, Bibliotheken zu besuchen und Literatur zu finden, und es ist für mich von größter Bedeutung, dass ich hier in Deutschland über viele Probleme mit Spezialisten, mit vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern diskutieren kann."

    Den Kontakt zu den Instituten in Deutschland mussten die jungen Wissenschaftler selbst finden. Gnizewitsch hat ihn über ein Seminar in Frankfurt hergestellt, Bedulinas Irkutsker Doktorvater arbeitet schon seit längerer Zeit mit Kollegen in Kiel zusammen. Beide mussten außerdem Sprachkenntnisse wenigstens in Englisch nachweisen. In der Sprache sieht Daria Bedulina ihre größte Schwierigkeit.

    "Ich muss mein Deutsch verbessern, weil viele Studierende in Kiel untereinander natürlich meistens Deutsch sprechen. Das ist das größte Problem. "

    Die Sprache ist es möglicherweise auch, die deutsche Akademiker vom Studieren und Forschen in Russland abhält. Denn eigentlich seien die Chancen auf Stipendien für ein Jahr, ein Semester oder im Rahmen der Abschlussarbeit gut, sagt Holger Finken, der beim DAAD das Referat für Russland und Beloruss leitet.

    "Die Möglichkeiten sind da sehr groß, weil sie bisher relativ wenig nachgefragt werden, so dass jeder, der eine vorzeigbare Leistung in seinem Studium natürlich hat und entsprechende positive Gutachten seiner Professoren vorbringen kann a) und b) auf der russischen Seite auch entsprechende Vorarbeiten und Kontakte leisten kann, sich durchaus bewerben sollte."

    Gerade Juristen und Wirtschaftswissenschaftler können sich vor Ort das nötige Rüstzeug holen, um von den guten wirtschaftlichen Beziehungen zu profitieren. In den Naturwissenschaften haben die russischen Universitäten andere Stärken.

    "Auf Seiten der deutschen Naturwissenschaftler können die sehr profitieren von dem sehr hohen theoretischen Niveau der russischen Seite, speziell Mathematik, Physik, Informatik."

    Noch mal im gleichen Umfang fördert der DAAD den Austausch mit dem Programm "Go-east" direkt über die Universitäten. Prof. Wilfried Bergmann, stellvertretender Leiter des DAAD, nennt die Gründe für das umfangreiche Engagement seiner Agentur:

    " Die Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland sind die Beziehungen zwischen zwei ganz wichtigen Partnerländern, denn wenn die jungen Leute aus Russland nicht in Deutschland etwas lernen und die deutschen etwas über Russland lernen, dann werden die Verbindungen nicht auf Dauer stabil bleiben. Wir brauchen in beiden Ländern Freunde für das jeweils andere Land."