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Wissenschaftsgeschichte
Ein Gigantenduell, das Leben rettete

Zwei Wissenschafter, die sich heftig befehden, und deren Wettstreit dann letztlich allen Menschen zugutekommt. So war es im 19. Jahrhundert beim Franzosen Louis Pasteur und dem Deutschen Robert Koch. Ein fesselndes Sachbuch über dieses "Duell der Giganten" lässt die Auseinandersetzung jetzt noch einmal lebendig werden.

Von Dagmar Röhrlich | 20.03.2016
    Der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur (1822-1895) in seinem Labor
    Der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur (1822-1895) in seinem Labor (Imago / Gemini Collection)
    Zwei Männer mit großen Egos, aus zwei verfeindeten Staaten in einer nationalistischen Zeit: Die Rede ist von Louis Pasteur und Robert Koch. Die beiden genialen Forscher führten in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, offenen Briefen, Beschuldigungen und Verunglimpfungen regelrechte Schlachten gegeneinander. Dieses "Duell der Giganten" lieferte dem Autoren-Duo Annick Perrot und Maxime Schwartz das Material für ein fesselndes Sachbuch.
    Die politischen Spannungen, die Annexion von Elsass-Lothringen und der Aufstieg Deutschlands zur Wissenschafts- und Industriemacht bereiteten die Bühne für die Rivalität der beiden Forscher. Der Auslöser ihrer persönlichen Feindschaft war jedoch ein Artikel, den Koch 1876 veröffentlichte. Der drehte sich darum, wie der Milzbranderreger einen Organismus infiziert. Pasteur hatte früher auf diesem Gebiet geforscht und war erbost darüber, dass seine Arbeit nicht zitiert wurde: Es sei dahin gestellt, ob das nun aufgrund der Sprachbarriere geschah und der Langsamkeit des wissenschaftlichen Informationsflusses in Zeiten ohne Internet - also aus Nichtwissen, oder tatsächlich Unaufrichtigkeit im Spiel war.
    Pasteur jedenfalls setzte alles daran, dem 20 Jahre jüngeren Kollegen zu beweisen, wer der bessere Wissenschaftler war und entwickelte einen Impfstoff gegen Milzbrand. Robert Koch wies dann nach, dass Pasteurs Bakterienkulturen nicht rein und auch seine Seren verunreinigt waren. So ging es hin und her. Ihre Rivalität trieb sie an, und die Opfer waren die Bakterien. Die Liste ihrer Errungenschaften ist lang. Hier nur für jeden ein Beispiel: Pasteur entwickelte die Impfung gegen die Tollwut, und Koch entdeckte die Erreger der Tuberkulose. Beide dürfen sich auf die Fahnen schreiben, der Keimtheorie zum Durchbruch verholfen zu haben: dass Krankheiten durch Erreger übertragen werden.
    Annick Perrot, früher Kuratorin am Musée Pasteur, und Maxime Schwartz, der lange das Institut Pasteur leitete, geben in ihrem hervorragend recherchierten und leidenschaftlich geschriebenen Buch beiden Wissenschaftlern gleich viel Raum. Sie beschreiben, zu welchen Leistungen Pasteur und Koch ihre Schüler und Kollegen angespornt haben - und welche heftige Fehden zwischen ihnen tobten. Erst spät im Leben Pasteurs bewegten sich die beiden aufeinander zu, und sie schlossen die Korrespondenz, die sie 55 Jahre zuvor begonnen hatten. Als Pasteur 1895 stirbt, schickt Koch eine Trauerdepesche nach Paris. 1905 erhält er den Medizinnobelpreis, und er stirbt vier Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Und am Ende des Buches fragt sich der Leser, was diese beiden "Giganten" wohl zusammen hätten erreichen können.
    Annick Perrot und Maxime Schwartz: "Robert Koch und Louis Pasteur: Duell zweier Giganten", Heiss-Verlag, 240 Seiten, 24,95 Euro