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Wissensmanager hinterm Tresen

Aktive Rolle bei der Therapie oder doch nur Verkäufer von Arzneimitteln? Welche Funktion haben Apotheker im Gesundheitswesen? Auf dem "2. Kongress für Arzneimittelinformation" in Köln plädierten die Teilnehmer für neue Aufgabenbereiche.

Von Mirko Smiljanic | 18.01.2011
    Wer weitreichende Forderungen stellt, tut gut daran, den Fortschritt dieser Forderungen mit praktischen Beispielen zu untermauern. Die Teilnehmer des "2. Kongresses für Arzneimittelinformation" in Köln hielten sich daran, wohl wissend, dass sie heikle Themen anschneiden. Man stelle sich vor – berichtet Professor Ulrich Jaehde, Leiter des Bereichs Klinische Pharmazie der Universität Bonn und Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees des Kongresses – man stelle sich vor, ein HIV-Patient mit einer Lungenentzündung kommt in die Klinik. Sein behandelnder Arzt verschreibt ihm natürlich ein Antibiotikum:

    "... und wenn jetzt hier ein Antibiotikum ausgesucht wird, das Wechselwirkungen aufweist mit der HIV-Medikation, dann kann es hier zu sehr schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen, zum Beispiel zu einer Störung des Herzrhythmus, die auch lebensbedrohlich sein können, da ist es natürlich ganz wichtig, dass in dem Moment, wo weitere Medikamente hinzukommen, geschaut wird, ob diese auch geeignet sind für diesen ganz konkreten Patienten."

    Eine Aufgabe, für die Krankenhausapotheker gut gerüstet sind. Überhaupt müssen sie gleich ein ganzes Problembündel im Blick haben. Los geht es damit, dass die bisherige Medikation eines Patienten im Krankenhaus umgestellt wird – aus Kostengründen arbeiten Kliniken nur mit Standardsortimenten. Also muss der Apotheker zunächst einem schauen, welche neuen Medikamente der gerade aufgenommene Patienten verträgt. Besonders problematisch ist die Situation multimorbider Patienten, die gleich mehrere Medikamente bekommen:

    "... hier kann ein dafür ausgebildeter Apotheker unterstützend tätig werden, indem er die Ärzte, die verantwortlich sind für die Arzneimitteltherapie, entsprechend unterstützt, und nicht nur zu bestimmten Medikamenten berät, sondern auch zur gesamten Medikation eines Patienten, das heißt, er kann die Medikation überprüfen, ob es dort Probleme gibt, zum Beispiel eben Wechselwirkung, ..."

    ... die im alltäglichen Klinikbetrieb vor allem bei Patienten mit mehreren Krankheiten kaum auffallen, leiden sie doch unter vielen Symptomen, eines mehr oder weniger fällt kaum auf. Apotheker brauchen deshalb zunächst die komplette Medikamentenliste, ...

    " ... idealerweise elektronisch, da kann er sie direkt überprüfen, kann zum Beispiel einen Wechselwirkungscheck machen, oder er geht auf die Station, arbeitet auf der Station, schaut sich dort die Patientendokumentation von Ort an, was natürlich sehr viel aufwendiger ist aber in einigen Kliniken schon gemacht wird."

    In einigen wenigen, um genau zu sein, erstens fehlt vielen Kliniken dafür das Personal, und zweitens setzt diese Art der Zusammenarbeit ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Apotheker voraus, das nicht überall vorhanden ist.

    "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Ärzte, denen es primär um die Qualität der Therapie geht, diese Unterstützung sehr begrüßen, weil, es schafft ja auch Sicherheit für die Ärzte. Ich weiß von vielen Ärzten, die mir gesagt haben, wir wissen, dass wir hier ein Problem haben, aber wir haben einfach gar nicht die Zeit, uns die Medikamente im Einzelnen anzusehen, und diese Ärzte begrüßen es sehr, wenn ein Apotheker auf der Station, an den sie diese Aufgabe delegieren können."

    Probleme gibt es mit weniger kompetenten Ärzten. Sie sind unsicher und fühlen sich durch die Anwesenheit von Apothekern kontrolliert. Trotzdem – sagt Ulrich Jaehde – setzt sich der neue Aufgabenbereich durch. Ein wichtiger Schritt war die Änderung der Approbationsordnung für Apotheker, die während ihres Studiums nicht nur Medikamente kennenlernen, sondern im Fach Klinische Pharmazie auch Patienten, deren Wohl in letzter Konsequenz ja im Mittelpunkt steht.

    "Nicht jedes Medikament ist für jeden das Beste, sondern genau hinzuschauen, wie die Bedürfnisse eines Patienten sind, welche Medikamente er vertragen kann und dann daraus die optimale Medikation zu definieren."